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Kampf um Geld und Macht
Die Bürgschaft von Kurt Weill in Dessau · Von Werner Wolf
Dass Kurt Weill beim Theaterpublikum seiner Geburtsstadt Dessau zu den Favoriten gehört, kann bislang
noch nicht mit gutem Gewissen gesagt werden. Doch das 1993 begründete, dieses Jahr zum zehnten Male veranstaltete
Kurt-Weill-Fest sorgt beharrlich für Bewegung und Entdeckung auch des Bühnenkomponisten Weill. Nachdem
sich das Theater Dessau schon 1985 für den Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny eingesetzt
hatte und später zu den Weill-Festen das Brecht-Ballett Die sieben Todsünden der Kleinbürger,
Georg Kaisers Wintermärchen Der Silbersee und die Operette Der Kuhhandel zu erleben
waren, hatte diesmal die Oper Die Bürgschaft ihre Dessauer Premiere. Allerdings zeigt sich
nach den beiden gefragten Vorstellungen zum 10. Weill-Fest das einheimische Publikum beim Besuch der folgenden
noch immer zaghaft.
Als Kurt Weill und der Brecht-Bühnenbildner Caspar Neher als Librettist im August 1930 ihre Arbeit an
der Bürgschaft begannen, hatte die im Oktober des Vorjahres ausgebrochene Weltwirtschaftskrise
noch längst nicht ihren Höhepunkt erreicht. Doch der Kampf ums Überleben war schon heftig im
Gange und wurde von den Autoren mit Scharfsinn reflektiert. Auch die am 30. Januar 1933 über Deutschland
hereingebrochene und zum Krieg führende Diktatur wird in dieser am 10. März 1932 in Berlin uraufgeführten
Oper schon vorgeführt.
Der Viehhändler Johann Mattes hat sein Hab und Gut verspielt und der Getreidehändler David Orth bürgt
für ihn. Doch in den folgenden drei Akten stehen sich beide unter den sich zuspitzenden Verhältnissen
als Kontrahenten mit allerlei Kniffen und Betrügereien gegenüber stellvertretend für viele
kleine Geschäftsleute. Diktatur und Krieg korrumpieren sie zu willfährigen und gut verdienenden Werkzeugen
der Macht. Am katastrophalen Ende rettet Orth seine Haut, indem er Mattes der aufgebrachten Menge ausliefert.
Zwar hat die Wirklichkeit die von den Autoren dargestellten Befürchtungen vor einer Diktatur und einem
durch die Nationalsozialisten ausgelösten Krieg weit übertroffen, doch werden Mechanismen bloß
gelegt, die so oder ähnlich auch heute noch in der Welt wirksam sind. Der die Vorgänge anfangs nur
kommentierende, allmählich aber in die Handlung eingreifende Chor resümiert im letzten Akt: Nur
wenige kamen zu Geld. Die hatten erkannt, dass die Gesetze die Welt regieren, dass die Macht aber die Gesetze
schafft, das Geld aber die Macht. Die kommentierende Altstimme (Jana Frey) fügt hinzu: So scheiden
sich die Armen von den Reichen... So kamen sie zu den vier Toren ... die da heißen: Krieg, Teuerung, Hunger
und Krankheit.
Caspar Neher, Bühnenbildner der 1930 in Leipzig uraufgeführten Brecht-Weill-Oper Aufstieg und
Fall der Stadt Mahagonny, erweist sich hier als Textdichter, als hellhöriger Mitstreiter seines Augsburger
Schulfreundes. Und Kurt Weill führt die aus der vorangegangenen Zusammenarbeit mit Brecht gewonnenen Erkenntnisse
in seiner musikalischen Diktion konsequent weiter. Das Song-Element tritt in dieser insgesamt herben, streng
geformten Musik zurück. Dem Geschehen entsprechende, verschiedenartige harmonische und rhythmische Grundformen
prägen jeweils eine Nummer. Für die Frau und die Tochter Mattes fand Weill aber auch zarte lyrische
Töne. Der kommentierende und dann auch agierende Chor hat gegenüber früheren Werken an gedanklicher
und musikalischer Bedeutung gewonnen.
Als Regisseur dieser späten Dessauer Erstaufführung wurde Jonathan Eaton, Direktor des Operntheaters
Pittsburgh, gewonnen. Das karge, der Fantasie Raum gebende Bühnenbild mit Stahlemporen für den Chor
und die von Farbkontrasten bestimmten Kostüme schuf der aus Kaliningrad stammende Designer und Maler Danila
Korogodsky. Das bewegungsfreudige Ensemble findet bei allem lehrstückhaften Charakter im Sinne des epischen
Theaters zu eindringlichem Spiel. Neben Kostadin Arguirow (alternierend mit Pilip Lima) als rot kostümierter
Johann Mattes, Margaret Thompson als Mattes Frau Anna, Christina Gerstberger als Mattes Tochter
Luise, Ulf Paulsen als David Orth, Lassi Partanan als dessen Sohn Jakob überzeugen die weiteren Solisten
mit einer bemerkenswert geschlossenen Ensemble-Leistung. Der neue Dessauer Chefdirigent Golo Berg führt
die Akteure, den Chor und die Anhaltische Philharmonie Dessau energisch und hat wesentlichen Anteil am starken
Gesamteindruck der Inszenierung.
Werner
Wolf
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