Chor im Zentrum
Gespräch mit der Managerin des Münchner Rundfunkchors
Seit 1. September 2000 ist Susanne Vongries neue Managerin des
Chores des Bayerischen Rundfunks. Sie trat die Nachfolge von Gernot
Rehrl an, der das Management des Münchner Rundfunkorchesters
übernommen hat. Ende Mai traf sich Andreas Kolb mit der Musikwissenschaftlerin
und Managerin und sprach mit ihr über ihre Aufgaben und Pläne.
Oper&Tanz: Sie kommen gerade von einem Gastspiel zurück?
Susanne Vongries: Der Chor des Bayerischen Rundfunks hatte
hintereinander Gastspiele im Lincoln Center, New York, und im
Anschluss bei den Dresdner Musikfestspielen. Es war das USA-Debüt
des Chores mit dem American Symphony Orchestra unter dem Dirigat
von Leon Botstein. Wir waren über den überragenden Erfolg
beim New Yorker Publikum sehr glücklich. Es gab standing
ovations und begeisterte Bravo-Rufe nach dem Konzert.
O&T: Gastspielreisen sind für den Rundfunkchor
nicht die Regel. Welche Aufgaben hat der Chor?
Vongries: Zunächst bekommen wir viel mehr Angebote
als wir wahrnehmen können. Bei der Disposition haben absolute
Priorität das Symphonieorchester, dessen Chefdirigent auch
gleichzeitig der Chefdirigent des Chores ist, und das Rundfunkorchester.
Dann bringen wir unsere fünf Abokonzerte unter. Wenn dann
noch Dispositionszeit übrig ist, können wir uns auf
Gastspielkonzerte und Einladungen einlassen.
O&T: Vor drei Jahren wurden die Abonnementkonzerte
geschaffen. Durch was zeichnen sich deren Programme aus?
Vongries: Wir präsentieren Werke aller Genres und
Epochen, von A-cappella-Programmen bis zu Klassikern der Chorsymphonik.
Ein Ensemble mit dieser großen stilistischen Bandbreite
wie es der Chor des BR abdeckt, kann man europaweit und auch innerhalb
der ARD-Chöre lange suchen. Weitere Aufgaben des Chores sind
Studioproduktionen. Wir haben jeden Montag eine Stunde Sendezeit
in BR2, die gefüllt sein will. Die Studioproduktionen sind
im Übrigen sehr wichtig für die Klangpflege des Chores.
O&T: Wie viele Mitglieder hat der Chor?
Vongries: Die Stammchorbesetzung ist 48. Zusätzlich
verfügen wir über einen Pool mit freien Mitarbeitern
und können je nach Bedarf den Chor auf bis zu 90 Personen
verstärken. Die freien Sänger, die wir dazu holen, werden
nach sehr strengen Kriterien ausgewählt. Dem künstlerischen
Leiter Michael Gläser ist es in den vergangenen zehn Jahren
gelungen, hier ein homogenes Ensemble auf höchstem Niveau
zu formen.
O&T: Der Chor ist sozusagen autark, braucht keine Verstärkung
durch andere ARD-Ensembles?
Vongries: Ja abgesehen von Mahlers Sinfonie der
Tausend und Schönbergs Gurre-Liedern. Man hört immer,
das ist der Chor des BR mit seiner Klangfarbe, die über die
Jahre hinweg gewachsen und unverwechselbar geworden ist.
O&T: Was sind jetzt ihre Aufgaben als Managerin?
Vongries: Disposition des Chores, Dienstpläne, Mieten
des Konzertortes, Marketing, Pressearbeit, neue Adresskarteien
für Abo-Interessenten aufbauen, Verhandlungen mit Solisten
und Dirigenten, Konzeption und Realisation der eigenen Konzerte...
Die Liste ließe sich fortsetzen. Ein 9 to 5 Job
ist es nicht.
O&T: Wie wird man Chormanagerin?
Vongries: Die Liebe zum Gesang reicht zurück bis
in die Schulzeit. Seit 20 Jahren singe ich bei einem semiprofessionellen
Chor, dem Süddeutschen Kammerchor. Dort war ich über
Jahre hinweg auch als Vorstand und in der Festivalorganisation
engagiert, habe Konzertreisen erlebt und an Rundfunkproduktionen
mit renommierten Orchestern mitgewirkt. Diese Erfahrungen kommen
mir zugute, denn dadurch verstehe ich etwas von den Bedürfnissen
der Sängerinnen und Sänger. Ich habe eine Vorstellung
davon, wie stark Stimmen belastbar sind oder wie Probezeiten einzuschätzen
sind. Von der professionellen Seite her bin ich Musikwissenschaftlerin
und war beinahe ein Jahrzehnt als Redakteurin, Lektorin und Verlagsrepräsentantin
beim Musikverlag Breitkopf & Härtel tätig. Viele
Kontakte aus dieser Zeit sei es mit Komponisten, Verlagskollegen,
CD-Firmen oder Dirigenten sind mir bei der Konzeption und
Realisation unserer Projekte sehr hilfreich.
O&T: Als Chefin des Chorbüros obliegt Ihnen die
Planung der Chorkonzerte einschließlich deren dramaturgische
Gestaltung?
Vongries: Wichtig ist mir, dass wir die zeitgenössische
Musik pflegen. Gerade wir als Rundfunkchor haben schließlich
einen Auftrag zu erfüllen. Wir sind in der Lage, Werke zu
interpretieren, die vom Schwierigkeitsgrad her viele Ensembles
nicht bewältigen. Und wir unterliegen nicht dem Diktat eines
kommerziellen Veranstalters, der ewig Beethoven und Mozart auf
dem Programm hat. Wir vergeben auch Aufträge: Wir sind zur
Zeit im Gespräch mit Wolfgang Rihm sowie dem schwedischen
Komponisten Thomas Jennefelt.
Außerdem planen wir Programme mit interdisziplinärem
Bezug: Musik und Literatur, ein Projekt mit Ballett sowie Themenabende
wie Geheime Botschaften sind in Vorbereitung.
O&T: Welche Erwartungen hat der Chor an Sie?
Vongries: Das müsste man den Chor fragen. Ein Aspekt
ist sicher, dass wir als Klangkörper mit eigenem Profil präsent
sind. Eine gute künstlerische Leistung allein ist nicht alles.
Wir müssen weitere Marketingstrategien ausbauen, noch mehr
präsent in der Öffentlichkeit sein, zum Beispiel mit
einer eigenen Porträt-CD bei einem renommierten Label. Schließlich
die Verpflichtung hochkarätiger Künstler für Konzerte,
die neue künstlerische Impulse geben und Maßstäbe
im Konzertleben setzen können. Ich bin jedenfalls sehr dankbar,
mit diesem außergewöhnlichen Ensemble arbeiten zu dürfen.
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