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Ende der Ära Zimmermann
Neubert-Uraufführung zum Abschied · Von Reinhard
Schulz
Eher unerfreulich ging die erfolgreiche Ära des Intendanten
Udo Zimmermann in Leipzig zu Ende. Denn es ist im Grunde schon eigenartig,
wenn die Institution Oper die musikalische Gattung Oper, von der
sie ja lebt, abschafft. Günter Neuberts Oper Persephone
oder der Ausgleich der Welt, die letzte Uraufführung
unter der Ägide Zimmermanns, wurde gleichsam weggespart. Zwei
konzertante Aufführungen handelten das Stück eher verschämt
ab. Wenn das Schule machen sollte, dass neue Werke erst einmal in
den Probelauf geschickt werden, dann kann die Oper gleich zumachen.
Mit gemischten Gefühlen also nahm man das Ende einer Ära
zur Kenntnis, die durchaus viel Aufregendes in die Szene der Opernwelt
streute. Zimmermann hatte stets mit viel Fantasie, Witz und Gespür
Projekte im Visier, von denen er wohl selbst oft nicht glaubte,
dass sie zu verwirklichen seien nach dem Motto: Wenn man
das Unmögliche fordert, dehnt man die Grenzen des Möglichen
aus. Wirklich erwachte die Leipziger Oper seither aus einem Dornröschenschlaf.
Das Haus zählte zu den innovativsten weltweit. Man darf nur
daran erinnern, dass Karlheinz Stockhausens Dienstag
und Freitag aus seinem LICHT-Zyklus hier das Licht der
Welt erblickten, in guter Erinnerung blieben die mutigen Uraufführungen
von Dieter Schnebels Majakowskis Tod Totentanz
(Regie Achim Freyer) oder von Luca Lombardis Schostakowitsch-Stalin-Oper
Dmitri oder Der Künstler und die Macht. Das waren
Stücke, die neue Akzente setzten, die die Opernlandschaft weiteten.
Aber auch Sofia Gubaidulinas Medea-Landschaften, zwei
Opern von Jörg Herchet (Die Nachtwache und Abraum)
oder Steffen Schleiermachers Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht
belegen, dass man in Leipzig immer wach geblieben ist. Wohl kaum
ein zweites Haus in Deutschland kann innerhalb der letzten zehn
Jahre auf so viele spannende, aufrührende, auch unbequeme Neuproduktionen
verweisen. Es war eben der findige, wendige und auch starrsinnige
(immer gut gegenüber schlafmützigen Behörden) Geist
Udo Zimmermanns, der solches in die Wege leitete. Und wenn Herchet
einmal ein Stück fast zurückgezogen hätte, weil ihm
die Regie absolut nicht zu seinem Werk passen wollte, dann zeugt
dies im Grunde allein von lebendiger Theateratmosphäre, von
schöpferischer Unruhe.
Bei der letzten Produktion nun versteckte man sich. Der Auftrag
stammte noch aus der Zeit, als das Gebälk der DDR arg zu ächzen
begann. Geschrieben wurde Persephone dann in den Jahren
1990/91 und von da an wurde das Werk wie eine Altlast behandelt.
Immer wieder wurde die Premiere verschoben, schließlich wurde
für die Spielzeit 2001/02 grünes Licht gegeben. Doch nun
wurde Udo Zimmermann, der nach Berlin geht, vorfristig aus seinem
Vertrag entlassen und so wählte man als Notlösung die
konzertante Aufführung. Geld stand dafür natürlich
nicht im Plan. Und das war schade. Denn eine Oper rechnet mit Bild
und Szene, die Musik ist daraufhin ausgerichtet. Eine Oper ist eben
nicht zuletzt an ihrer Bühnentauglichkeit zu messen. Sonst
wird sie nicht ernst genommen.
Ernst zu nehmen aber ist dieses Werk, das man als plastische Parabel
der Wendeerfahrungen hören kann. Der Librettist Carl Ceiss
hatte auf eine Erzählung von Werner Heiduczek zurückgegriffen,
eine Liebesgeschichte um den Gott der Unterwelt Hades, der Persephone
im dunklen, grauen Reich gerade dadurch von seiner Liebe überzeugt,
dass er die von der grausamen Welt Entsetzte nicht zu halten versucht.
Doch Liebe kann keiner erzwingen. Also geh, ich geb
Dich frei. wir denken an Sarastros Parallelstelle (doch
geb ich dir die Freiheit nicht) in der Zauberflöte. Im
Libretto ist Heiduczeks Grundidee modifiziert. Persephone entscheidet
sich auch für die Unterwelt, weil sie liebendes Mitleid mit
den Existenzen im Hades empfindet, deren Leid sie zu lindern versucht.
Moral: Nicht der Systemwechsel die verdammten Wesen drängt
es zum Licht der oberen Welt bringt Rettung, sondern einzig
der menschliche Umgang miteinander.
Günter Neuberts Musiksprache zielt dabei gewiss nicht ins
Avantgardistische. Aber in der konventionell ausgerichteten Dramatisierung
entdeckt sie eine Fülle an Spielraum. Knapp sind die Szenen
gehalten, konzise. Und Neubert verfügt über eine breite
Palette der Klangdifferenzierung, der Verschärfung, der hinwendenden
Milderung. Jede Person umgibt sich mit einem charakteristischen
Klangraum, besonders eindrucksvoll der zwielichtige Götterbote
Hermes mit schillernden Harfenarpeggi, Schüttelhölzern
und Flexatron. Hier kann sogar in einem abseitigen, weltphilosophischen
Rundblick sinnfällig zitathaft auf die längst überkommene
Form der Da-capo-Arie zurückgegriffen werden. Viel solcher
musikalischer Querverweise bis hin zur orgiastischen Tanzeinlage
gibt es in dieser Oper. Besonders ihr permanent durchgezogenes Tempo,
das die Aufführung stets auf angespanntem Hochdruck hält,
lässt mögliche Sentimentalismen gar nicht aufkommen. Man
hätte sich also in Leipzig gewiss nicht für dieses gewiss
bühnenwirksame Stück zu schämen brauchen.
Reimhard Schulz
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