|
Erfolgreiche Annäherung
Stefan Mickisch spielt und erklärt Richard Wagner
Wagner fordert heraus und zieht an. Um sein Werk hat sich neben
schwergewichtiger musikologischer und musikphilosophischer Spezialliteratur
immer auch ein populäreres Schrifttum gerankt, den Wissensdurst
einer weniger spezialisierten Anhängerschaft zu stillen. Das
schlichte, an den sogenannten Leitmotiven entlang sich hangelnde
Nacherzählen von äußerer und innerer Handlung samt
darauf bezogener Musik bietet hier meist den Grundstoff, aus dem
die Träume von einem umfassenden Verständnis des Wagnerschen
Kosmos sind. Auf eine Vermittlung zwischen akribischer Detailkenntnis
auch komplexer musikalischer oder entstehungsgeschichtlicher Zusammenhänge
und dem allgemeiner verständlichen Zugehen auf ein breiteres
Publikum zielen die Einführungen, die seit 1998 der Pianist
Stefan Mickisch bei den Bayreuther Festspielen hält. Und er
ist dafür aus drei Gründen prädestiniert: Er ist
ein gebildeter Musiker und profunder Kenner Wagners, ohne ins Fachidiotische
abzudriften, er gibt sich nicht nur im hörbar oberpfälzisch
gefärbten Idiom bodenständig, sondern behält auch
im Dickicht der Deutungszusammenhänge diese Bodenhaftung und
er ist ein begnadeter Wagner-Interpret am Flügel. Die Maßstäbe
seiner CD-Einspielungen mit teilweise eigenen Transkriptionen und
Paraphrasen darf man bei diesen Live-Mitschnitten natürlich
nicht anlegen, dafür ist schon allein die zwischen den eher
leisen Wortbeiträgen und dem Klavierspiel nicht optimal ausbalancierte
Tonqualität nicht ausreichend. Entscheidend ist hier aber ohnehin
etwas anderes: Erst durch den klingenden Nachvollzug rundet sich
Mickischs Herausgreifen von Schlüsselszenen, das Fokussieren
einer motivischen Gestalt und seiner Umformungen zu zwar nicht vollständigen,
wohl aber in sich schlüssigen Werkporträts, die mit kurzen
Andeutungen zum Inhalt schon gewisse Grundkenntnisse voraussetzen.
Höhepunkte ergeben sich somit immer dann, wenn Mickisch nach
ausführlichen und die Querverbindungen innerhalb des Wagnerschen
Schaffens beleuchtenden Detailansichten den Blick wieder aufs Ganze
lenkt und in zusammenhängenden Passagen die scheinbare Beschränktheit
des Klavierauszugs in Fülle und Durchsichtigkeit verwandelt.
Das Einbeziehen des Publikums mit Quiz- und Bonmot-Animation mag
man für entbehrlich halten, doch auch dies zeugt von der Gratwanderung,
die Mickisch in diesen jeweils 90-minütigen Annäherungen
an Wagner erfolgreich und sympathisch gelingt.
Juan Martin Koch
|