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... und es hat ZOOM gemacht“

Wie der Landesverband NRW in Zeiten von Corona zusammenrückte

Frühjahr 2020. Das neue Coronavirus erreicht Europa. Die Opernhäuser schließen dominomäßig eines nach dem anderen, die meisten Theaterangestellten hier im Land - und somit auch die Chormitglieder - sitzen nun plötzlich zu Hause. Von den Theaterleitungen und Chordirektionen treffen in unregelmäßigen Abständen per E-Mail Mitteilungen ein, ab wann der Proben- und Spielbetrieb möglicherweise wieder aufgenommen werden könnte und was dann auf dem Programm stehen solle. Es kommen Anweisungen fürs musikalische Home Office und wieder neue Updates, welche alle bisherigen Mitteilungen obsolet machen… In einem Arbeitsalltag, der vor stringenter Planung normalerweise nur so strotzte, befanden wir uns plötzlich im absoluten Niemandsland. Kein Plan, keine Probe, keine Vorstellung. Und vor allem: keine Aussichten.

Aus New York erreichte uns Ende März die Botschaft, dass an der Metropolitan Opera Chor, Orchester und Bühnenarbeiter auf unbestimmte Zeit kein Gehalt mehr bekommen würden; einen knappen Monat später tagte (natürlich online!) hier in Deutschland der Bundestarifausschuss, um wohl erstmals in der Geschichte über eine tarifliche Regelung zur Kurzarbeit für künstlerisch Beschäftigte im öffentlichen Dienst zu beraten. Und damit waren wir Festangestellten noch in einer unendlich privilegierten Situation gegenüber allen unseren freischaffenden Kollegen, die von einem Tag auf den anderen am Abgrund ihres Berufslebens standen.

Bereits ein Vierteljahr nach Bekanntwerden dieses COVID-19 genannten Virus‘ waren also etliche der bisher als unumstößlich geglaubten Bollwerke unserer Existenz zumindest in Teilen ins Wanken geraten.
Doch während die Bühnen und Chorsäle verwaist ruhten, begannen die Drähte des Internets zu glühen. Versammlungen wurden über diverse Onlineportale ausgetragen, und so geschah es, dass hier in Nordrhein Westfalen auch unsere für Ende April anstehende Versammlung der Ortsdelegierten über ZOOM stattfand.

Berichte aus den Theatern zwischen Aachen und Bielefeld, zwischen Bonn und Gelsenkirchen über die gegenwärtige Situation, Ausführungen der Geschäftsführung über den gegenwärtigen Verhandlungsstand zur Kurzarbeit, das Besprechen von kniffligen tariflichen Fragen… all dies funktionierte am Bildschirm nahezu wie im „richtigen“ Leben. Im Laufe dieses Versammlungstages entwickelte sich mehr und mehr ein Gefühl von „echtem“ Zusammensein; und zum Ende unserer Tagung kam der allgemeine Wunsch auf, ein solches Online-Treffen doch gern häufiger durchzuführen… Dies war die Geburtsstunde unseres „Corona-Stammtisches der NRW-Ortsdelegierten“. Fortan trafen wir uns alle vierzehn Tage über ZOOM und besprachen den aktuellen Stand der Dinge. Berichte über Infektionen und Krankheitsverläufe an einzelnen Theatern, Gestaltung und Umfang des jeweiligen Heimstudiums, Aussichten für eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes kamen auf den Tisch beziehungsweise den Bildschirm; wir erfuhren auch, dass im Handel aufgrund des erhöhten Bedarfs momentan keine Webcams mehr zu bekommen wären, diskutierten die Umsetzung der Kurzarbeit, lernten gemeinsam, was Restarbeitszeit, Aufstockungsbetrag und dergleichen bedeuten - und lernten von Mal zu Mal auch uns untereinander immer besser kennen und wurden auf der kollegialen Ebene zusehends vertrauter.

Diese kleine Tradition erlebt nun auch in der aktuellen Spielzeit ihre Fortsetzung. Das Leben in und mit der Kurzarbeit ist mittlerweile fast normal geworden; der Austausch dreht sich jetzt eher um Sicherheitsmaßnahmen, Hygienekonzepte, Abstandsregelungen, erlaubte Zuschauerzahlen und die diversen Möglichkeiten, trotz angeordneter Einschränkungen wieder Theater spielen und miteinander singen zu können. Es ist immer wieder spannend zu erfahren, wie die verschiedenen Bühnen damit umgehen, ihren Spielplan anpassen, nach Gestaltungsräumen suchen, entweder offensiv den Schritt nach vorne auf die Bühne und in Richtung Publikum gehen oder sich eher zurückhaltend geben und - sozusagen im Stillen - kommende Ereignisse wie Konzerte oder Opernproduktionen für eine ungewisse Zukunft vorbereiten… Zuweilen schaut auch VdO-Geschäftsführer Tobias Könemann in der Runde vorbei; er konnte uns mit seinem Wissen bereits vielfach unterstützen und schon so manche Detailfrage entwirren. Vielen Dank dafür!

Die MET hat ihre Saison mittlerweile komplett abgesagt (und ihr künstlerisches Personal entlassen). Dass und wie wir hier in Deutschland weiterhin spielen dürfen, darum ringen derzeit die Theaterleitungen mit der Politik. Im ganzen Land gibt es keinen einzigen auf einen Theaterbesuch zurückzuführenden Infektionsfall, dennoch wurden die erlaubten Zuschauerzahlen in der vergangenen Woche nochmals um die Hälfte reduziert. Es sieht aus, als befänden wir uns alle miteinander auf einem Floß inmitten eines reißenden Flusses voller Stromschnellen - als ginge es tatsächlich ums Überleben unserer Zunft.

Wenn es in diesen Zeiten des verordneten Rückzugs, der Vereinzelung und Isolation gelungen sein sollte, mit unserer ZOOM-Runde einen Raum geschaffen zu haben, um zusammen zu sein, uns gegenseitig mit Erfahrungen, Rat und Anregungen unterstützen zu können und dem Gedanken eines Berufsverbandes - nämlich untereinander VERBUNDEN zu sein – wirklichen Ausdruck zu verleihen, dann ist vielleicht ein kleiner Schritt getan, um jene Bretter, die noch immer die Welt bedeuten und auf denen wir gerne singen, tanzen und spielen möchten, für die Zukunft lebendig, gesund und tragfähig zu erhalten. Vivant sequentes!

Sibylle Eichhorn, Deutsche Oper am Rhein, Landesdelegierte NRW
(mit herzlichem Dank an Andreas Heichlinger vom Theater Wuppertal, der die Inspiration zu diesem Artikel gab!)

 

 

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