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Berichte

Zeitgenössisch fortgeschrieben

„L’Orfeo“ am Staatstheater Nürnberg

Na so was – die Oper hat noch gar nicht angefangen, und der Deus ex machina ist schon da! Landesvater Söder hatte es kurzfristig leider doch nicht einrichten können, persönlich zur ersten Nürnberger Opernpremiere zu kommen, aber so eine Erscheinung per Videobotschaft macht ja auch gleich mehr her. Oder auch nicht. Sparsamer Applaus.

Jede Menge Videobotschaften – von Stefan Bischoff bereitgestellt oder absichtsvoll handy-verwackelt live – hat auch Staatsintendant und Regisseur Jens-Daniel Herzog für uns parat. Zunächst kosmisch-verschwurbelt à la Terrence Malick, dann bedeutungsplakativ: Zum Tod Eurydices sind Krankenwagen und Not-OP, später von der Pandemie leergefegte Großstadtschluchten und als Unterwelt Waldbrände zu sehen.

Martin Platz als Orfeo. Foto: Ludwig Olah

Martin Platz als Orfeo. Foto: Ludwig Olah

Manches ist videotechnisch beeindruckend gelöst – der Gang Euridices aus dem Totenreich etwa –, dennoch überfrachten die Bilder die Szenerie über weite Strecken, lassen das eigentliche Drama trotz der aktuellen Dringlichkeit, die Herzog dem Stoff abzugewinnen versucht, kaum zur Entfaltung kommen.

Das Interessanteste an diesem Abend ist somit die musikalische Gestaltung. Frank Löhr und Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz haben eine einerseits plausibel gekürzte, andererseits stilistisch von der historischen Aufführungspraxis bis in die Gegenwart hineintönende Fassung erarbeitet. Weit auseinander sitzen die verschiedenen Instrumentalgruppen und verbinden sich raummusikalisch zu teils überraschend stimmigen, dann wieder zu etwas plump ins Filmmusikalische oder Pseudoavantgardistische abdriftenden Fortschreibungen von Monteverdis harmonischer und instrumentaler Sprache.

Joana Mallwitz koordiniert das bravourös, die Musiker/-innen der Staatsphilharmonie zeigen sich äußerst versiert. Wenn es dann einmal für längere Phasen oder eine geschlossene Nummer zum Original zurückgeht, wird aber eben auch klar, wie vollendet Monteverdis musikdramatische Vision schon war.

Das berühmte „Possente spirto“ ist so ein Moment, und Martin Platz meistert das als Orfeo mit großer Ausdruckskraft und erstaunlich stilsicher. Ähnliches gilt für das weitere Ensemble, darunter Andromahi Raptis als betörende Musica, Julia Grüter als innige Euridice, Almerija Delic als dramatische (in Corona-Schutzkleidung auftretende) Messaggiera und verführerische Proserpina.

Großer Jubel für diese vor allem hörenswerte Produktion im erschütternd schütter besetzten Zuschauerraum. Da muss doch mehr gehen, dachte man Anfang Oktober ein wenig naiv und war geneigt, den Söder ex machina heraufzubeschwören. Es kam anders.

Großer Jubel für diese vor allem hörenswerte Produktion im erschütternd schütter besetzten Zuschauerraum. Da muss doch mehr gehen: Söder ex machina – Ihr Einsatz!

Juan Martin Koch

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