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Kulturpolitik

Bericht zur Lage

Die Studie „Frauen und Männer im Kulturmarkt“

Vorgeschichte

Der Deutsche Kulturrat hat in den Jahren 2013 und 2016 jeweils Studien zum Thema „Soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern“ herausgebracht. In beiden wurde eingangs der Bereich der Ausbildung thematisiert, wobei sich auf die Kunst- und Musikhochschulen konzentriert wurde. Dabei ging es darum, zunächst festzustellen, wie viele Personen eine künstlerische Ausbildung absolvieren. Ziel war es, einen Eindruck davon zu vermitteln, wie viele junge Menschen eine Tätigkeit im Arbeitsmarkt Kultur anstreben. Außerdem ging es insbesondere um das Thema Selbständigkeit: Wie viele Künstlerinnen und Künstler sind in der KSK versichert, und wieviel verdienen sie?

Studie „Frauen und Männer im Kulturmarkt“

Studie „Frauen und Männer im Kulturmarkt“

Der Fokus der Studie 2016 lag auf Frauen in Kultur und Medien. Natürlich wurde dort auch die Lage der Männer betrachtet. Im Nachgang zu dieser Studie hat der Kulturrat eine Stellungnahme verabschiedet, in der unter anderem gefordert wurde, regelmäßig solche Berichte zu erstellen – auch vor dem Hintergrund, dass 2016 zwanzig Jahre in den Blick genommen wurden und rückblickend in Fünfjahresschritten eruiert wurde, wie sich beispielsweise das Einkommen oder die Studierendenzahl verändert hatten. Die Forderung lautete, dies regelmäßig und in kürzeren Abständen zu tun. Insofern war es erfreulich, dass die Koalition bereits in ihrem Koalitionsvertrag das Vorhaben formuliert hat, in dieser Wahlperiode einen Bericht zur sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler erstellen zu wollen. Mit diesem Bericht wurde der Deutsche Kulturrat betraut. Er wurde in Anlehnung an die vorherigen Studien aufgesetzt, allerdings in erweiterter Form. Zusätzlich zu den Konstanten Ausbildung und soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler wurde dieses Mal auch die Ausbildung im Rahmen des dualen Ausbildungssystems in den Blick genommen. Dazu gehören auch verschiedene Berufe aus dem Theaterbereich, zum Beispiel Bühnenbildner, Bühnenplastiker und der gesamte Bereich der Veranstaltungstechnik. Neu ist außerdem, dass auch die Situation der abhängig Beschäftigten untersucht wurde. Hier wiesen die Vorgängerstudien noch Lücken auf.

Datenquellen

Für alle drei Untersuchungen wurden vorhandene Statistiken genutzt und keine eigenen Befragungen durchgeführt. Der Vorteil dieses Vorgehens: Diese Statistiken werden kontinuierlich erhoben. Die Daten sind sehr zuverlässig und werden über eine längere Zeit gesammelt, sind also nicht nur Momentaufnahmen. Andere Verfahren bergen die Gefahr, dass Befragungsergebnisse von Zufällen geprägt sind. Wenn man sich zum Beispiel rückblickend das Jahr 2020 anschaut, wird das ein Jahr sein, in dem sehr wenig verdient wurde. Um solche Ausreißer zu vermeiden, scheint es zielführender zu sein, kontinuierlich Daten zu erheben beziehungsweise in einer Studie wie der vorliegenden auf solche Statistiken zurückzugreifen.

Genutzt wurden Daten des Statistischen Bundesamts, das jährlich die Zahlen der Studierenden an Hochschulen herausgibt. In der jetzt vorliegenden Studie wurden erstmals neben den Kunst- und Musikhochschulen auch die Fachhochschulen und Universitäten erfasst. Bei Berufen im Bereich Grafikdesign spielen zum Beispiel die Fachhochschulen eine wesentlich größere Rolle als die Hochschulen. Auf diese Weise wurde ein umfassender Eindruck davon ermöglicht, an welchen Hochschulen Ausbildungen im Bereich Kultur und Medien stattfinden.

Weiter wurden Daten vom Industrie- und Handelskammertag ausgewertet. Diese berichten kontinuierlich über die Zahl der Auszubildenden und der Ausbildungsbetriebe auch im Rahmen des dualen Ausbildungssystems. Hilfreiche Quellen waren darüber hinaus Daten der Bundesagentur für Arbeit und der Künstlersozialkasse (KSK).

Untersuchungsgegenstand

Ein wichtiger Aspekt war die Zahl der über die KSK Versicherten und die Zahl der Beschäftigten. Es wurden alle Sparten in den Blick genommen und auch miteinander verglichen. Untergliedert wurden diese Zahlen nach Geschlecht; bei den abhängig Beschäftigten wurde außerdem nach Ost und West unterschieden. Eine Unterteilung in einzelne Bundesländer hätte zu kleine Grundgesamtheiten erbracht und keinen echten Aussagewert gehabt. Ausgewertet wurde auch der Ausbildungshintergrund. Die Bundesagentur unterscheidet vier verschiedene Tätigkeitsniveaus: „Helfer (die im Kultur- und Medienbereich statistisch nicht relevant sind), „Fachkräfte“, „Spezialisten“ und „Experten“. Hier war interessant zu sehen, in welchen Bereichen diese Niveaus wie vertreten sind – und was jeweils verdient wird. Insgesamt wurde die Auswertung also immer kleinteiliger.

Berechnet wurde außerdem der Gender Pay Gap – mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. In einigen Berufen ist dieser Unterschied zwischen der Bezahlung von Männern und Frauen praktisch nicht existent. Es gibt aber auch Ausreißer nach oben, teilweise geht die Schere im Vergleich zu früheren Jahren sogar wieder auseinander.

Bei den Freiberuflern wurde erstmals eine Auswertung nach Bundesländern vorgenommen: die Zahl der Versicherten und die Altersstruktur – mit dem Ergebnis, dass in einigen Berufen ein erheblicher Teil im letzten Teil des Berufslebens angesiedelt ist; hier lässt sich also bereits ein anstehender Fachkräftebedarf erkennen.

Signifikante Erkenntnisse

Verschiedene Aspekte fallen bei der Betrachtung der Daten besonders auf. Hier einige Beispiele: Viele Freiberufler leben in Berlin. Hier gibt es mehr in der KSK Versicherte als in ganz Nordrhein-Westfalen. In dieser Prägnanz scheint das Ergebnis durchaus erstaunlich. Natürlich ist die Stadt Berlin für Kulturschaffende attraktiv, aber es zeigt sich auch, dass die Verdienstmöglichkeiten hier vergleichsweise schlecht sind. Diejenigen, die in Westberlin leben, verdienen noch schlechter als die in Ostberlin Lebenden. Der Wettbewerb ist hier offenbar so groß, dass die Verdienstchancen entsprechend sinken. Die Betroffenen können sich durchaus die Frage stellen, ob die Hauptstadt für sie der richtige Ort ist: Gibt es genügend Chancen, meine Arbeit adäquat zu verwerten? Ist die Konkurrenz vielleicht zu groß – oder sind die Rahmenbedingungen zu schlecht? Die höchsten Verdienste sind in Hamburg zu erzielen. Hier gibt es auch ein gutes Verhältnis zwischen den Kulturschaffenden und den Auftraggebern.

Besonders alt sind die Freiberufler in Schleswig-Holstein. Der Anteil der Versicherten im Alter von über 50 Jahren ist dort deutlich höher als der unter 50-Jährigen. Auch hier stellen sich Fragen: Wollen dort keine jungen Menschen leben? Oder sind die Chancen dort schlechter als anderswo? Auch die Förderprogramme im Land könnten darauf reagieren, um Schleswig-Holstein für junge Kulturschaffende attraktiv zu machen. Gleichzeitig könnten auch in der Künstlerförderung spezielle Programme für ältere Menschen entwickelt werden.

Insgesamt ist auch unter den abhängig Beschäftigten der Anteil der älteren Menschen hoch, ein Zeichen dafür, dass sich hier in den nächsten Jahren neue Berufschancen auftun könnten. Speziell im Bereich der Darstellenden Kunst ist das eine interessante Perspektive: Auf der einen Seite gibt es viele Menschen, die auf der Bühne agieren wollen, obwohl die Berufschancen hier gar nicht so gut sind. Auf der anderen Seite gibt es einen Bedarf an Menschen, die hinter der Bühne tätig sind. Hier werden Fachkräfte gesucht, zum Beispiel Bühnentechniker. Gerade in diesem Bereich ist auch der Verdienst vergleichsweise sehr gut.

Das Anliegen der Studie war unter anderem, den Blick auf die Kulturberufe zu weiten, dabei nicht nur an Künstler zu denken, sondern auch an die vielen anderen, die in der gesamten Verwertungskette tätig sind. Es ging auch darum, für die Attraktivität in Feldern zu werben, die heute noch nicht so stark frequentiert werden. Ein wichtiger Befund in diesem Zusammenhang ist, dass die Akademisierung insgesamt erheblich zugenommen hat. Teilweise arbeiten die Akademiker, wenn man die Einstufung der Bundesagentur für Arbeit zugrunde legt, dann unter Wert. Das kann natürlich ganz unterschiedliche Gründe haben.

Insgesamt ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den letzten fünf Jahren gestiegen: auch das eine bemerkenswerte Beobachtung.

Gender Pay Gap

Die Diskrepanz in der Bezahlung der beiden Geschlechter ist sowohl unter den Selbständigen als auch unter den Angestellten zu beobachten. Dabei gibt es eine sehr große Spannweite. Die niedrigsten Werte, also fast keinen Unterschied, gibt es im Buchhandel, bei den Bibliotheken (das liegt vor allem auch an den recht starren Regeln im Öffentlichen Dienst), in der Kamera- und Tontechnik. Schon bei der Berufswahl gibt es im Übrigen eine geschlechtsspezifische Segregation. Klassische Männerberufe sind die, die viel mit Technik zu tun haben. Andere Berufe werden mehrheitlich von Frauen besetzt. Im Bereich Kamera- und Tontechnik, ein Zweig, der relativ gut bezahlt wird, absolvieren kaum Frauen eine Ausbildung oder ein Studium. Diejenigen, die sich dafür entscheiden, haben dann kaum unter einem Gender Pay Gap zu leiden. In der Schauspiel-, Tanz- und Bewegungskunst beträgt der Gap bei den abhängig Beschäftigten sechs Prozent, im Bereich Musik ebenso. Die Diskrepanz ergibt sich auch aus der Tatsache, dass mehr Frauen in Teilzeit beschäftigt sind als Männer. Selbst im Rahmen von Tarifverträgen gibt es noch gewisse Verhandlungsmöglichkeiten, so dass auch hier ein Unterschied in der Bezahlung von Frauen und Männern zu beobachten ist.

Skandalös ist der Gender Pay Gap zum Beispiel im Bereich Produktdesign. Hier liegt er bei über 30 Prozent; es gibt dort keinerlei Tarifgebundenheit. In der Theater- und Fernsehproduktion verdienen Frauen durchschnittlich 25 Prozent weniger. Hier sind wohl strukturelle Benachteiligungen die Ursache: Frauen wird oft weniger angeboten, und sie handeln regelmäßig weniger heraus als männliche Kollegen.

Musikbereich

Im Musikbereich fällt auf, dass hier – in Anlehnung an die Klassifizierung der Bundesagentur – fast nur Spezialisten und Experten tätig sind. Bei den Selbständigen ist das Einkommen im Vergleich zu anderen Sparten relativ gering. Die KSK unterscheidet in vier große Gruppen: Wort, Bildende Kunst, Musik und Darstellende Kunst. Innerhalb dieser Gruppen werden die verschiedenen Tätigkeitsbereiche gelistet. Interessant ist, dass in der Berufsgruppe Wort (vor allem Journalisten) die Zahl der Versicherten gesunken ist. Das gilt auch für die Bildende Kunst (hier stellen die Designer die größte Untergruppe). Im Bereich Musik dominieren die Ausbilder/-innen die gesamte Gruppe. In keiner anderen Sparte ist der Ausbildungsaspekt so stark vertreten. Ein Grund dafür ist sicher, dass in der Musik die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen so stark ausgeprägt ist – ein System, das es in den anderen Sparten kaum gibt. Es bleibt – trotz der großen Zahl – ein Mangel an Ausbildern in der Musikpädagogik. Der Bedarf ist größer als das Angebot.

Der Gender Pay Gap beginnt gerade im Bereich Musik im Übrigen schon bei den unter 30-Jährigen. Das bereitet durchaus Sorgen. Für diejenige, die schon mit einem schlechteren Einkommen startet, ist es umso schwerer, irgendwann das Niveau von Männern zu erreichen. Das ist insofern nicht gut zu erklären, als in dieser Altersgruppe das Argument der Familiengründung vermutlich noch keine wesentliche Rolle spielt. Über die Hintergründe geben die Zahlen natürlich keine Auskunft.

Ein Alleinstellungsmerkmal des Musikbereichs ist, dass sowohl in der Ausbildung als auch im Beruf der Anteil der Ausländer deutlich höher als in den anderen Sparten. Gleiches gilt sonst nur noch für den Tanz. Das betrifft die abhängig Beschäftigten, in der KSK ist dieses Merkmal kein statistisches Kriterium.

Fazit: Veränderungsbedarf

Eine Empfehlung, die sich aus der Studie ergibt, lautet: Jungen Menschen, die noch in der Orientierungsphase sind, die Vielfalt der Berufe aufzuzeigen, viel stärker deutlich zu machen, wie viele attraktive Berufe es gibt, die vielleicht noch gar nicht bekannt sind. Das ist sicher die Aufgabe der Berufsberatung, vielleicht auch der Verbände, die noch adäquater und spezifischer informieren können als eine allgemeine Berufsberatung.

Eine relativ neue Tendenz sind die dualen Studiengänge, die einerseits einen betrieblichen Anteil vermitteln und gleichzeitig ein Studium, in der Regel an einer Fachhochschule. Meistens schließen diese mit einem Bachelor ab, teilweise können die Absolventen dann auch noch einen speziellen Berufsabschluss machen. Diese Möglichkeit scheint Abiturienten stark anzusprechen, vor allem diejenigen, die nach Sicherheit suchen, aber gleichzeitig ein Studium anstreben. Hier öffnet sich ein neues Feld für Betriebe, auch im Bereich der Musik und der Darstellenden Kunst, sich noch stärker in diese Richtung zu öffnen. Das gilt vor allem für Unternehmen und Institutionen, die Fachkräfte suchen. Hier besteht die Chance, Verbünde zu schaffen, um zusammen mit den Hochschulen attraktive Angebote für die duale Ausbildung zu entwickeln. Jungen Menschen klar zu machen, was ein bestimmter Beruf bedeutet, ist wichtiger denn je. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erreichen uns sehr viele Nachrichten von Künstlerinnen und Künstlern, insbesondere aus dem Musikbereich, aber auch aus der Darstellenden Kunst, die ums Überleben kämpfen. In diesem Zusammenhang entsteht der Eindruck, dass zu Beginn einer Berufskarriere vielfach das Bewusstsein davon fehlt, was es heißt freiberuflich tätig zu sein. Die damit verbundene Unsicherheit wird oftmals falsch eingeschätzt. Hier gilt es, den richtigen Weg zu finden: Einerseits sollte man die jungen Menschen nicht abschrecken, denn es geht ja im Studium auch darum, erst einmal Freiheit zu lassen, Perspektiven zu vermitteln und Möglichkeiten, sich auszuprobieren. Andererseits ist es geboten, auf die einzelnen Persönlichkeiten zu achten und zu schauen, ob sie für die Freiberuflichkeit „gebaut“ sind. Die künstlerische Ausbildung ist sehr individuell angelegt, sehr wenige Studierende kommen auf eine/n Professor/in. Bei den Lehrenden liegt gerade hier eine hohe Verantwortung, darauf zu achten, ob die Studierenden der Unsicherheit der Selbständigkeit gewachsen sind.

Wünschenswert wäre es, diese Art der Studie kontinuierlich alle vier Jahre fortzuführen, um die Entwicklungen verfolgen zu können, zum Beispiel die Veränderung oder Erweiterung des Spektrums von Kulturberufen, aber auch die Zahlen, die erhoben wurden. Auch ein Rückblick auf das Jahr 2020 wird sicher in einigen Jahren aufschlussreich sein, um die Konsequenzen der Pandemie innerhalb einer längeren Entwicklung zu eruieren.

Gabriele Schulz

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