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Rezensionen
Friedensoper
Peter Petersen: Friedenstag von Stefan Zweig, Richard Strauss und Joseph Gregor. Eine pazifistische Oper im „Dritten Reich“. Musik und Diktatur 2. Waxmann Verlag Münster/New York 2017. 186 S., 34,90 Euro, ISBN 978-3-8309-3651-0
Es gibt „kontaminierte“ Kunstwerke, etwa den NS-Film „Kolberg“ und eben auch das Musikdrama „Friedenstag“: ähnliche werkimmanente Qualitäten, damalige Top-Besetzungen. Die nazistischen Durchhalte-Intentionen beim Film sind bekannt. Bei der eher unbekannten Oper machen Fakten die NS-Propa-gandaabsichten erkennbar: Dresden und die „Wunderharfe“ der Staatskapelle waren damals der vom Bayern Richard Strauss bevorzugte Uraufführungsort. Doch auf Wunsch der NS-Führung unter Hitler wurde „Friedenstag“ am 24. Juli 1938 bei den Münchner Opernfestspielen uraufgeführt. In einer durch lange Belagerung im Dreißigjährigen Krieg fast niedergerungenen Stadt klagt das Volk über die Not und fordert Brot; der ganz auf heroisches Heldentum fixierte Kommandant zögert, gibt dann auch auf Drängen seiner friedlich gestimmten Frau die Stadt frei und will sich mit der Zitadelle in die Luft sprengen; da läuten die Glocken – der Westfälische Friede ist geschlossen – der Friedenstag wird mit emphatischen C-Dur-Tutti gefeiert. Das Werk war ab September 1938 im Staatsopernrepertoire, auch im Umfeld der berüchtigten „Münchner Konferenz“. Damit schmückten sich die NS-Machthaber, ehe Hitler am 10. November in einer wichtigen Rede die Maske fallen ließ: „Die Umstände haben mich gezwungen, jahrzehntelang fast nur vom Frieden zu reden… Irgendwie (…) hat sich diese (…) pazifistische Platte bei uns abgespielt.“
Peter Petersen: Friedenstag von Stefan Zweig, Richard Strauss und Joseph Gregor. Eine pazifistische Oper im „Dritten Reich“. Musik und Diktatur 2. Waxmann Verlag Münster/New York 2017. 186 S., 34,90 Euro, ISBN 978-3-8309-3651-0
Der Hamburger Musikwissenschaftler Petersen untersucht, ob „Friedenstag“ nicht eine pazifistische Oper sei. Er analysiert und argumentiert zunächst ganz werkimmanent: „Dabei erschließen sich die Figuren dieses Musikdramas überhaupt erst über die Musik.“ Gemäß diesem Ausgangspunkt führt er überzeugend an, dass sich die von ihm „Semanteme“ genannten musikalischen Motive etwa des zunächst starr soldatischen Kommandanten von einer Heerführer-Fanfare über ein Kämpfer-Thema zu einem Ehemann-Motiv bis zu einem chromatischen Suizid-Thema wandeln – was gedruckte Notenbeispiele belegen. Ebenso wird die liebende Ehefrau analysiert, der Holsteiner Gegner, die „Brot“- und „Aufruhr“-Themen des Volkes, schließlich Friedens-Themen. Nachvollziehbar wird auch die Friedensintention des Librettos analysiert, an dem Stefan Zweig grundlegend und dann auch noch aus dem Exil gearbeitet hat. Petersen unterschlägt zwar nicht, dass das Werk den Nazis viele Anschlussmöglichkeiten bot, doch dann hätte der Musikwissenschaftler einen kritischen Dramaturgen hinzuziehen sollen: Viel zu kurz kommt – bei einer Oper unerlässlich – die Bühneninterpretation, die reale Wirkung der Aufführung bis hin zur Überwältigungsästhetik des Schlusses. In seiner eigenen Schlussbeurteilung zieht Petersen sich auf die rein musikalischen Gegebenheiten zurück. Doch wie schon Ingeborg Bachmann 1960 zu Misstrauen gegenüber Werken aufrief, die sich missbrauchen lassen, so ist auch Stefan Zweig selbst anzuführen: „Jede Widerstandsgeste ohne Risiko ist nichts als Geltungssucht.“ „Friedenstag“ ist ein Werk ohne Risiko
Wolf-Dieter Peter |