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Thomas Eitler-de Lint, Chordirektor an der Leipziger Oper

Thomas Eitler-de Lint, gebürtiger Wiener, trat 1992, bereits vor Abschluss seines Studiums, die Stelle des Stellvertretenden Chordirektors und Bühnenkapellmeisters an der Wiener Volksoper an. Es folgten weitere Engagements: als Chordirektor, später Erster Kapellmeister am Stadttheater Koblenz und als Chordirektor am Bremer Theater. Zudem war Eitler-de Lint Chorassistent bei den Bayreuther Festspielen und Gastchordirektor an den Opernhäusern Zürich und Hannover. In der Saison 2013/2014 war er Künstlerischer Leiter (als Interim) des Chores der Nationalen Oper in Amsterdam. 2014 wurde er Chordirektor am Staatstheater Darmstadt, 2017 wechselte er in gleicher Funktion an die Oper Leipzig. Für „Oper & Tanz“ sprach Barbara Haack mit ihm über seine Aufgaben und Pläne.

Oper & Tanz: Als Chordirektor stehen Sie gewissermaßen zwischen dem Chor und der Leitung des Hauses.

Foto: Richard Byrdy

Foto: Richard Byrdy

Thomas Eitler-de Lint: Das ist richtig. Im Theater haben Chordirektoren diese Sandwich-Funktion. In erster Linie sind sie Mitglied des Leitungsstabs und haben die Weisungen der Intendanz auszuführen. Auf der anderen Seite sollten aber künstlerische Belange, die den Chor betreffen, auch umgekehrt kommuniziert werden. Wenn ein Chordirektor zum Beispiel merkt, dass etwas in der Planung für den Chor nur sehr schwer zu realisieren oder vielleicht der Chor in einer Periode nicht ausgelastet sein wird, ist es – denke ich – seine Pflicht, das anzumerken.

O&T: Nehmen Sie hier schon eine sängerische Überbelastung wahr?

Eitler-de Lint: Grundsätzlich nicht. Natürlich ist zu Stoßzeiten (Weihnachten und Ostern etwa) immer mehr zu tun, das bringt der Beruf nun mal mit sich. Hier in Leipzig haben wir aber die besondere Situation, dass wir oft auch bei Ballettproduktionen mitwirken, und dann kommt es durchaus vor, dass eine Johannespassion oder ein Magnificat in zwei Wagner-Vorstellungen eingebettet ist. Die Schwierigkeit liegt dabei aber vor allem beim stimmlichen Ansatz. Wagner singt man einfach ganz anders als Bach. Unsere Chorsänger meistern das aber trotzdem sehr gut.

O&T: Wie ist Ihre Mitsprachemöglichkeit in künstlerischen Fragen, zum Beispiel bei der Auswahl des Repertoires?

Eitler-de Lint: Herr Professor Schirmer ist aufgeschlossen für Wünsche und Ideen meinerseits. Für die Ballettproduktion mit Chor in der nächsten Spielzeit hatte ich schon eine Idee, die berücksichtigt wurde. Bei uns gibt es wie bei vielen Chören ein Ungleichgewicht, was die Arbeitsbelastung der Herren gegenüber der Arbeitsbelastung der Damen anbelangt. Das wird nächste Saison bei uns auch so sein. Wir haben – geballt zu Beginn – drei Stücke, in denen nur die Herren singen. Mein Wunsch war also, dass man für die Ballettproduktion zusätzlich zum „Magnificat“ von Bach ein reines Damenstück einplant, um einen kleinen Ausgleich herzustellen, und das wurde jetzt in Auftrag gegeben.

O&T: Wie ist es, wenn Sie merken, dass eine Inszenierung für den Chor ungünstig oder ungeeignet ist?

„Tannhäuser“ in Leipzig mit Kathrin Göring als Venus und dem Chor der Oper Leipzig. Foto: Tom Schulze

„Tannhäuser“ in Leipzig mit Kathrin Göring als Venus und dem Chor der Oper Leipzig. Foto: Tom Schulze

Eitler-de Lint: Da bin ich sofort zur Stelle. Ich bin immer schon bei den Bauproben dabei, damit ich von Anfang an mit dem Regisseur sprechen und ihn frühzeitig aufmerksam machen kann, wenn es in eine falsche Richtung geht. Es geht vor allem darum, Tuchfühlung aufzunehmen, zu schauen, ob die Chemie stimmt. Dann kann man später eher Einfluss nehmen. Meistens sind die Regisseure froh, wenn man ihnen Tipps gibt. Ich hatte schon ein paar Mal Regisseure, die nichts mit dem Chor anfangen konnten und mir das Ruder in die Hand gegeben haben. Da hole ich dann natürlich das Beste für den Chor heraus.

O&T: Ist es auch schon passiert, dass Sie sich nicht durchsetzen konnten und dass der Chor in einer sehr ungünstigen Inszenierungs-Situation singen musste?

Eitler-de Lint: Ja, die aktuelle „Tannhäuser“-Produktion in Leipzig zum Beispiel ist keine chorfreundliche Regie. Aber da konnte ich nichts machen, weil es eine bestehende Inszenierung war, die schon in mehreren Häusern in Europa lief. Wäre ich von Anfang an dabei gewesen, hätte ich schon versucht, Einfluss zu nehmen. Ob es mir bei Herrn Bieito gelungen wäre, weiß ich natürlich nicht. Mir ist es immer wichtig, dass sich der Chor vor allem stimmlich und klanglich sehr gut präsentieren kann. Im Chorsaal erarbeiten wir ein meist sehr hohes Niveau. Natürlich weiß man immer, dass man auf der Bühne mindestens 20 bis 30 Prozent davon wieder abziehen muss, weil die szenischen Gegebenheiten, auch das Singen mit Orchester und die spielerischen Aktionen etwas von der ursprünglichen musikalischen Qualität wegnehmen. Wenn 70 bis 80 Prozent dessen, was im Chorsaal erarbeitet wurde, auf der Bühne realisierbar ist, kann man als Chordirektor schon froh sein.

O&T: Gehört es auch zu Ihren Aufgaben, szenische Rollen im Chor zu verteilen?

Eitler-de Lint: Das mache ich, sobald ich den Chor besser kenne. Einfluss nehme ich aber auch bei der Aufstellung des Chores auf der Bühne. Mir ist es wichtig, dass sich die Chorstimmen gut mischen. Bei jedem Stück ist das anders. Ich achte darauf, dass der Chor sich auf der Bühne stimmgruppenmäßig so stellen kann, dass er am besten klingt. Schon bei den Chorsaalproben kurz vor Beginn der szenischen Proben mische ich die Stimmgruppen unterschiedlich. Wenn man immer in der gleichen Stimmgruppe singt, weiß man nicht immer so gut, was die anderen singen. Wenn der Chor aber zum Beispiel in Quartetten aufgestellt ist, wie ich das jetzt bei der Einstudierung der Pilgerchöre getan habe, schärft das das Gespür für die Intonation und auch für den Klang.

O&T: Was gehört neben diesen Dingen – und neben der eigentlichen Aufgabe der Einstudierung – noch zu den Aufgaben des Chordirektors? Sind Sie auch mal Konfliktklärer?

Thomas Eitler-de Lints Station beim Staatstheater Darmstadt: „Angst“ von Christian Jost mit dem Chor des

Thomas Eitler-de Lints Station beim Staatstheater Darmstadt: „Angst“ von Christian Jost mit dem Chor des
Staatstheaters Darmstadt. Foto: Welz/Müller

Eitler-de Lint: Ja, absolut. Das Künstlerische ist natürlich das Wichtigste. Der Chordirektor muss schauen, dass der Chor gut studiert ist, dass er einen guten Klang hat, dass er optimal vorbereitet ist und dass er alles auswendig kann. Aber mindestens die Hälfte meiner Arbeit ist Personalführung. Ich sehe mich auch als Abteilungsleiter, der den Chor als Manager führt. Dazu gehören zum Beispiel Mitarbeitergespräche. Ich treffe mich regelmäßig mit den einzelnen Stimmgruppen und spreche über Wünsche, Kritiken, Ideen. Mir ist es enorm wichtig, dass die Chormitglieder auch als Individuen betrachtet werden, nicht nur als Teil der Masse.

O&T: Als Kollektiv, als das sie sich ja oft empfinden…

Eitler-de Lint: Künstlerisch müssen sie das ja auch. Die Crux ist, dass ein Chorsänger sich stimmlich unterordnen muss, obwohl er ursprünglich als Solist ausgebildet wurde. Jeder Sänger ist ein Künstler und möchte sich produzieren. Da erleben wir oft einen Spagat, den der Chorsänger aushalten muss. Und ich als Manager oder Abteilungsleiter schaue immer wieder, dass die Menschen persönlich wahrgenommen werden. Das hat alles mit Motivation und Spaß an der Arbeit zu tun. Ich glaube, dass der Chor auf der Bühne desto besser singt, je mehr die Sänger als Individuen wahrgenommen werden.

O&T: Sie sind ja erst seit relativ kurzer Zeit in Leipzig. Wie sind Ihre ersten Erfahrungen mit dem Chor? Wie erleben Sie ihn?

Eitler-de Lint: Der Chor hier ist ein fantastisches Kollektiv, wirklich etwas ganz besonderes. Er hat einen speziellen Klang, den ich bei anderen Chören noch nie gehört habe. Es ist einer der wenigen Chöre, die ich kenne, die wirklich das Chorsingen als Maxime haben. Es herrscht grundsätzlich eine klangliche Homogenität mit einer guten Intonation. Das sind Sänger, die aus Liebe zur Chorarbeit singen und nicht, weil sie als Solisten gestrandet sind. Ein großer Teil des Chores, mindestens 60 Prozent, kommt aus Leipzig oder hat hier studiert. Da gibt es eine gewachsene Tradition. Deswegen muss man auch bei der Auswahl neuer Sänger besonders darauf Wert legen, dass sie in diese Gruppe passen.

O&T: Wie haben Sie sich entschieden, Chordirektor zu werden?

Eitler-de Lint: Ich habe Musikpädagogik studiert, weil ich zu Beginn noch nicht so richtig wusste, in welche Richtung ich mit der Musik gehen wollte. Während des Studiums habe ich viel in Chören gesungen, mit Karajan sogar noch und mit Harnoncourt, die beiden Antipoden damals. Chor hat mich schon immer fasziniert, in der Studienzeit habe ich einige Kirchenchöre in Wien geleitet, und mit 22 Jahren wusste ich eigentlich schon, dass ich Chorleiter werden wollte. Ich war zwar später jahrelang auch Kapellmeister, aber mit einer Chorgruppe zu arbeiten ist etwas anderes als mit einem Orchester. Man kann die Menschen dort nicht so direkt ansprechen, weil immer das Instrument dazwischen ist. Die Arbeit am gemeinsamen Ziel ist mit Sängern immer persönlicher, mit allen Vor- und Nachteilen.

O&T: Wenn Sie ein Oratorium dirigieren, sind Sie der Chef. Als Chorleiter sind Sie in der schon genannten Sandwich-Position, also in der „zweiten Reihe“. Stört Sie das nicht?

Eitler-de Lint: Nein, ich bin jemand, der auch im Hintergrund sein kann und nicht unbedingt die Credits holen muss. Ich stehe gerne hinter der Säule und freue mich wie ein Kind, wenn der Chor einen Riesenapplaus bekommt.

O&T: In den Kritiken wird der Chor oft gar nicht erwähnt, und wenn er erwähnt wird, dann meistens in einem Satz.

Herausforderung in Darmstadt: Luigi Nonos „Prometeo“ mit dem Chor des Staatstheaters, Johannes Harneit und Thomas Eitler-de Lint. Foto: Michael Hudler

Herausforderung in Darmstadt: Luigi Nonos „Prometeo“ mit dem Chor des Staatstheaters, Johannes Harneit und Thomas Eitler-de Lint. Foto: Michael Hudler

Eitler-de Lint: Das ist schade. Aber ich habe gelernt, dass das nicht so wahnsinnig wichtig ist. Wenn es eine gute Kritik gibt, ist das ein schönes Zeichen, aber für mich ist vor allem die Reaktion des Publikums wichtig und auch die Reaktion im Haus. Und am wichtigsten finde ich, dass der Chor selbst zufrieden ist. Natürlich wäre es furchtbar, wenn man ständig schlechte Kritiken bekäme, aber man darf das auch nicht zu hoch hängen. Wenn der Chor Bravos bekommt, bin ich sicher, dass ihm das wichtiger ist, als wenn sie danach von einem Kritiker etwas gesagt bekommen.

O&T: Was sind die nächsten Pläne? Wo sehen Sie Herausforderungen?

Eitler-de Lint: Unsere nächste Premiere ist im September „La fanciulla del West“. Ich freue mich, dass ich den Chor dann wirklich auf mich einstimmen kann. Bisher hatte ich ja keine Neueinstudierung, ich habe nur versucht, ein wenig meinen Stempel aufzudrücken. Fanciulla ist ein wirklich neues Stück, das auch im Chor niemand kennt.

Eine große Herausforderung ist aber für mich die Aufrechterhaltung des hohen Niveaus angesichts der Breite des Spielplans. Es ist das erklärte Ziel der Intendanz in Leipzig, das Repertoire zu erweitern. Im nächsten Jahr ist der Chor schon an 25 Produktionen beteiligt. Und eine weitere große Herausforderung wird die Saison 2021/22 sein. Da möchte Ulf Schirmer als einziges Haus der Welt den gesamten Wagner spielen, alle Opern inklusive der drei Frühopern „Die Feen“, „Das Liebesverbot“ und „Rienzi“. Leipzig ist eines der wenigen Häuser, die diese drei Opern im Repertoire haben. Der ganze Wagner in einer Saison - das ist natürlich eine enorme Herausforderung für den Chor – neben dem anderen Repertoire.

O&T: Denken Sie, dass der Chor zahlenmäßig gut ausgestattet ist?

Eitler-de Lint: Für ein Haus dieser Größe müss-te der Chor größer sein. Soviel ich gehört habe, waren es nach der Wende 99 Chorsänger. Jetzt sind wir 68,5. Das war damals natürlich eine andere Zeit, aber ich würde mir schon ein paar Stellen mehr wünschen. Wenn man allerdings bedenkt, wie es sonst in Deutschland aussieht, kann ich schon zufrieden sein. Aber wir sind manchmal doch an unseren Grenzen. Man darf auch nicht vergessen, dass der Chor nicht jünger wird. Der nächste große Wechsel steht in fünf bis sechs Jahren an. Dann werden etliche neue Mitglieder kommen, ein echter Generationswechsel.

O&T: Das ist vermutlich gar nicht so einfach, wenn Sie den beschriebenen tradierten Chorklang aufrechterhalten wollen.

Eitler-de Lint: Ja, das gehört auch zu den Herausforderungen der nächsten Jahre, da muss ich klug besetzen.

O&T: Als Chordirektor sind Sie nah dran an den Regelungen des Tarifvertrags, zum Beispiel was die Probezeiten betrifft. Wie stehen Sie dazu?

Eitler-de Lint: Ich finde es enorm wichtig, ein Regelwerk für die Arbeit zu haben und ich bin immer mit dem Tarifvertrag und vor allem mit den Probenzeiten gut klar gekommen. Auch hatte ich kaum Probleme mit meinen bisherigen Chorvorständen. Und sollte mal etwas außerhalb der tarifvertraglichen Regelungen vereinbart werden, gab es immer Konsens. Das ist hier in Leipzig genauso.

O&T: Wie ist es mit Chor und Tanz? Manchmal muss der Chor ja auch tanzen…

Eitler-de Lint: Da bin ich sehr gespalten. Ich finde es wichtig, dass jeder seinen Horizont erweitert, und warum soll er nicht auf der Bühne mal ein paar Tanzschritte machen? Das gehört zu diesem Beruf halt dazu. Wir hatten aber zum Beispiel in Darmstadt eine Inszenierung von „Faust“, da musste der Chor eine Choreografie bewältigen, die eigentlich schon an der Grenze zum Ballett war. Das hat uns dann bei den Proben zu viel Zeit und Mühe gekostet. So etwas habe ich hier aber noch nicht erlebt. Das passiert eher in der Musikalischen Komödie, der MuKo.

O&T: Wie ist das Verhältnis zwischen den Chören der Oper und der MuKo? Gibt es da Begegnungen?

Eitler-de Lint: Bisher nicht. Ich bin mit dem Chefdirigenten Stefan Klingele befreundet, aber sonst habe ich keine direkte Beziehung zur MuKo. Ich schaue mir gerne Vorstellungen an, aber ich könnte in der Oper Chordirektor sein, ohne ein einziges Mal in die MuKo gegangen zu sein. Es gibt da keine Berührung.

O&T: Auch keine Konkurrenz?

Eitler-de Lint: Nein, absolut nicht. Ich freue mich sehr, dass es die MuKo gibt, das ist ein ganz wichtiger Bestandteil des Kulturlebens, sie hat auch eine hohe Auslastung.

O&T: Gerade in Ostdeutschland gibt es viele Theater, die in großen Finanznöten zu sein scheinen und mit Haustarifverträgen arbeiten. Dort sind die Chöre teilweise so klein, dass es eigentlich keine richtigen Chöre mehr sind. Wie sehen Sie das – aus der relativ komfortablen Situation heraus, in der Sie sind?

Eitler-de Lint: Wenn ich höre, dass Häuser mit 24 Sängern „Tannhäuser“ machen, dann denke ich, dass das eigentlich nicht geht. Ich gönne jedem Haus die Erweiterung des Chores, ganz klar. Chöre mit 16 oder nur 12 Mitgliedern: Das geht eigentlich nicht. Da kann man nur ein begrenztes Repertoire spielen oder man muss den Chorsatz vereinfachen. Auf der anderen Seite verstehe ich auch, wenn eine Stadt sagt: Das können wir uns nicht leisten. Bevor man ein Theater schließt, muss man alles andere versuchen und darf nicht sagen: Das Theater kann nur weiterbestehen, wenn zumindest 30 Leute im Chor singen.

O&T: Es gibt sicher Grenzen, in Bezug auf die Chorstärke und auch auf Haustarifverträge, die ja teilweise zur Gewohnheit werden, obwohl sie eigentlich dazu da sind, vielleicht einmal drei Jahre zu überbrücken und das Haus dann in die Normalität zurückzuführen.

Eitler-de Lint: Das klappt nie. Wenn man einmal drei Jahre etwas überbrückt, für eine gewisse Zeit Zugeständnisse gemacht hat, dann bleibt es leider auch so. Das ist meine Erfahrung.

O&T: In der aktuellen „ZEIT“ [Ausgabe vom 28.03.2018] schreibt Barbara Beyer, Regisseurin und Künstlerische Leiterin der Opernklasse an der Hochschule für Musik in Dresden, über das Musiktheater: „Um das Singen als etwas Halsbrecherisches neu zu erfahren, müsste freilich die Handlung in den Hintergrund treten. Sie ist es, die den Befreiungsakt der Musik verhindert, indem sie den Gesang vorrangig als Mittel zum Zweck behandelt.“ Was halten Sie davon?

Eitler-de Lint: Natürlich muss man aufpassen, dass der Gesang durch eine Regie nicht gestört wird. Wenn szenische Anforderungen gegen das Singen gehen, soll man dem auf jeden Fall versuchen beizukommen. Aber ich würde auch nicht die Regie hintan stellen. Man kann viel verbinden. In jedem sängerischen Akt ist schon eine natürliche Bewegung enthalten. Wenn man aus dem heraus die szenische Aktion entwickelt, ist das ideal. Leider wird das beim Chor seltener gemacht, weil viele Regisseure ihn immer noch als Masse betrachten. Oft sieht man den Chor, der als Gruppe irgendwo steht und eine einheitliche Haltung haben muss. Und die ist meistens starr. Das finde ich schade. Unsere Chormitglieder hier in Leipzig können wirklich sehr gut spielen, und sie haben enormen Spaß daran. Deswegen wäre jeder Regisseur gefragt, etwas daraus zu machen. Wenn man schon so ein Ensemble hat, dann soll man es auch nutzen – zur gegenseitigen Freude.

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