Kulturpolitik
Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Aufatmen in Mecklenburg-Vorpommern
Nach jahrelanger Diskussion über die zukünftige Theaterstruktur in Mecklenburg-Vorpommern mag man es kaum glauben: Die Idee einer Fusion der bereits fusionierten Theater Neubrandenburg/Neustrelitz und Greifswald/Stralsund (Theater Vorpommern) zu einem „Staatstheater Nordost“ ist endgültig vom Tisch. Darauf haben sich Landesregierung und Gesellschafter der Theater geeinigt. Beide Häuser behalten ihre Eigenständigkeit, sollen aber zukünftig stärker miteinander kooperieren.
Um diese Lösung zu realisieren, müssen das Land Mecklenburg-Vorpommern und die Kommunen mehr Geld zahlen, vor allem auch eine dynamische Finanzierung einplanen. Die Theater wiederum kommen nicht ungeschoren davon. Die Rede ist von einer Reduzierung um insgesamt 30 Stellen – sozialverträglich, wie es heißt. Eine Fusion allerdings hätte weit mehr Stellenstreichungen gefordert.
Zwischenzeitlich hatte es düster ausgesehen für die Theater und ihre Mitarbeiter. Zu Beginn der Überlegungen über eine neue Theaterstruktur hatte ein Gutachten gestanden, erstellt von einem Beratungsunternehmen aus München. Über die Kosten dieses Prozesses schwiegen sich die Verantwortlichen aus, sie dürften aber erheblich gewesen sein. Das Ergebnis brachte neun Modelle, die mehr oder weniger alle unbrauchbar waren. Für Ex-Kulturminister Mathias Brodkorb allerdings (er bekleidete dieses Amt von 2011 bis 2016) war das Gutachten allemal geeignet, den Theatern so richtig an den Karren zu fahren. Er gerierte sich im Amt des Kulturministers eher wie ein Finanzminister; folgerichtig wechselte er 2016 in dieses Ressort, was ihn nicht davon abhielt, sich weiter für Kürzungen im Theaterbereich stark zu machen. Zum Schluss wurde er offenbar von seiner Nachfolgerin Birgit Hesse ausgebremst und zu wichtigen Verhandlungen nicht mehr eingeladen.
Brodkorb ließ sich auch durch Proteste eines engagierten Theaterpublikums in den betroffen Städten nicht beirren, geschweige denn von Aktionen der Mitarbeiter. Er verweigerte gar deren Angebot eines Lohnverzichts mit der Begründung, dies sei Lohndumping. Konstruktive Vorschläge aus den Gewerkschaften drangen erst gar nicht zu ihm durch. Schließlich war sich die Landesregierung nicht zu schade, die ersehnte Fusion mit erpresserischen Mitteln zu beschleunigen, indem sie die Reduzierung der ohnehin schon gedeckelten Landeszuschüsse androhte, sollten die Kommunen den Fusionsplänen nicht zustimmen. In Neubrandenburg/Neustrelitz bereitete man sich schon auf das „Ende“ vor, auf Umzug, lange Fahrwege oder gleich den Jobverlust.
Mathias Brodkorb wurde angesichts seiner kulturfernen Aktionen im Jahr 2015 mit dem Negativpreis „Gordi“ des Deutschen Musikrats und der neuen musikzeitung „ausgezeichnet“.
Nun also können Theaterfreunde und -mitarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern hoffnungsvoller in die Zukunft blicken. Es zeigt sich, dass ein langer Atem und gute Argumente doch etwas bewirken können. Allerdings gilt es, in absehbarer Zeit die langjährig geübte Praxis der Haustarifverträge zu beenden und den Lohnverzicht der Mitarbeiter Stück für Stück abzubauen. Erste Tarifgespräche für die TOG Neubrandenburg/Neustrelitz sowie für das Theater Vorpommern werden in diesen Wochen geführt.
Protest in Halle
Mit einer öffentlichen Protestaktion begleiteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Theater, Oper und Orchester GmbH Halle (TOOH) am Dienstag nach Pfingsten die an diesem Tag stattfindende Spielzeitpräsentation 2018/2019. Vor dem Opernhaus am Universitätsring forderten Mitarbeiter aus allen künstlerischen Sparten sowie von Verwaltung, Technik und Staatskapelle Halle eine verlässliche Zukunftsperspektive – für die TOOH, aber auch für alle anderen Orchester und Theater im Land Sachsen-Anhalt. „Auch das Land Sachsen-Anhalt, nicht nur die Kommunen, trägt eine unmittelbare Verantwortung für die Orchester und Theater. Das Land und Staatsminister Robra müssen sich endlich auf die Stadt Halle zubewegen. Wir brauchen eine substanzielle Strukturhilfe und zwar bald“, lautete die Forderung in einer gemeinsamen Presseerklärung der Gewerkschaften DOV, VdO, GDBA und ver.di. Der Hintergrund: Sparbeschlüsse haben die Theater in Sachsen-Anhalt in der Vergangenheit immer wieder in finanzielle Bedrängnis gebracht, die Zahl der Mitarbeiter in Halle wurde von 621 im Jahr 2009 auf 476 zum Spielzeitende 2017/18 gekürzt. Stefan Rosinski, Geschäftsführer der TOOH, sieht eine Deckungslücke von bis zu 3,2 Millionen Euro ab dem kommenden Jahr allein an den Hallenser Bühnen. Im Februar 2018 hatte der Stadtrat ein neues Konsolidierungskonzept für die TOOH beschlossen.
Dieses sieht unter anderem eine Streichung der Jahressonderzahlung und eine Reduzierung der Arbeitszeit um fünf Prozent vor. Mit ihrer Aktion am Pfingstdienstag machten die Mitarbeiter jetzt öffentlichkeitswirksam auf die prekäre Situation aufmerksam und forderten eine Umkehr. Und siehe da: Am folgenden Tag erklärte Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand überraschend, er wolle auf Haustarifverträge verzichten, überraschend offenbar auch für die Kollegen im Stadtrat. Wie diese Kehrtwende zu finanzieren wäre, ist allerdings noch unklar. Immerhin ist sie ein positives Zeichen. Und auch aus der Staatskanzlei kamen bezogen auf die Verbesserung der anteiligen Finanzierung der Bühnen in Sachsen-Anhalt durch das Land verhalten positive Signale.
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