Rezensionen
Tanz praktizieren
Jenny Coogan (Hrsg.), Tanz praktizieren. Ein somatisch orientierter Ansatz, Logos Verlag Berlin, 2016, 234 Seiten, ISBN 978-3-8325-4212-2, 19,90 EUR (auch in engl. Sprache)
Professionelles Tanzen zählt nach wie vor zu den Hochleistungsberufen mit großem Verletzungsrisiko und sehr frühem Verschleiß. Zudem reicht für den Erfolg heute nicht mehr nur eine ausgereifte Technik: von den jungen Künstlern werden auch Persönlichkeit und individueller Ausdruck erwartet. Erst recht, wenn es nach der Bühnenkarriere in gestalterische Berufe wie den Choreografen oder in den Ausbildungsbereich geht. In dem an der Palucca Hochschule für Tanz mit Bundesmitteln geförderten Forschungsprojekt „InnoLernenTanz“ standen somatisch orientierte Lernmethoden wie die Feldenkrais-Methode im Mittelpunkt einer Studie. Die Ergebnisse wurden nun von der Projektleiterin Jenny Coogan in einem Sammelband herausgegeben.
Bei den Kommandos „Plié, Chassé, Grand jeté en avant“ weiß jeder Tänzer genau, wie die Bewegung schließlich aussieht. Er lernt dabei früh, Bewegungen zu isolieren. Meist kennt er nur Anstrengung und häufige stereotype Wiederholungen, um die Qualität seiner Darstellung zu verbessern. Mit somatischen Methoden erhofften sich die Lehrenden eine Förderung des autonomen Lernens und die Entwicklung zu selbstbestimmten Menschen. Ganz konkret wurden die Teilnehmer zunächst angeleitet, muskuläre Anspannung zu reduzieren, „um feine Veränderungen der sensomotorischen Reize besser erkennen zu können und sich ihrer Bewegung in deren Verhältnis zum Energieaufwand im Gravitationsfeld einzustimmen“. Somatisch orientiertes Lernen führt die Tänzer also weg vom Weg des linearen Lernens und der äußeren Zielerfüllung zu einer Steuerung von innen heraus.
Die Dresdner Studie bringt dazu keine neuen Erkenntnisse. Spannend lesen sich jedoch die Protokolle der Studierenden und ihre Entwicklung innerhalb des untersuchten Zeitraums. Ein Konzept, das den zielgerichteten Lernansatz in Frage stellt und vertraute Übungsroutinen durchbricht, kann auch unangenehm und befremdlich wirken. Im Tanz ist man häufig bemüht, sein Ziel so schnell und direkt wir möglich zu erreichen. Am Ende aber profitierten die Studienteilnehmer „durch verkörperte Selbstwahrnehmung, Selbstbeobachtung und Selbstanalyse“. Sie zeigten zudem eine außergewöhnliche Offenheit, wenn es um Feedback und Interaktion ging: Somatische Lernprogramme wie die Feldenkrais-Methode schaffen also gute Voraussetzungen für den späteren Beruf.
Beatrix Leser
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