Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst
Das Projekt „smiling doors“ der Jungen Oper Stuttgart
Leben und Tod: ein heikles Thema gerade für Jugendliche, die unmittelbar betroffen sind. Die Junge Oper Stuttgart hat das Thema nicht gescheut und ein Musiktheaterprojekt mit an Krebs erkrankten und gesunden Jugendlichen erarbeitet. Vom Kulturstaatsminister wurde sie dafür mit dem „BKM Preis Kulturelle Bildung“ belohnt.
Thema „Geschwisterliebe“. Foto: A.T. Schaefer
14 Jugendliche, einige von ihnen gesund, einige an Krebs erkrankt, haben in Stuttgart unter der Regie von Barbara Tacchini von der Jungen Oper Stuttgart und Margarethe Mehring-Fuchs von „Element3“ eigene Texte und eigene Musik zu einem Musiktheaterprojekt mit dem Titel „smiling doors“ verarbeitet. Ausgangspunkt war der Roman der dänischen Autorin Janne Teller „Nichts. Was im Leben wichtig ist“, in dem es um die Frage geht, ob überhaupt etwas im Leben „Bedeutung“ hat. Angeregt durch die Geschichte von Teilnehmern machten sich die jugendlichen Theatermacher in Stuttgart daran, kleine Szenen auf der Bühne zu erarbeiten. Das Musiktheaterprojekt handelt von Trauer, Verlust und Einsamkeit ebenso wie von Hoffnung, Glück und dem Glauben an die Zukunft. Eine Mitspielerin, die im Video-Gespräch über ihren Hirntumor berichtet, eröffnet das Stück mit der wesentlichen Frage: „Ich stelle mich vor den Spiegel und stelle mir vor: Was wäre eigentlich, wenn ich gar nicht geboren wäre? Dann gäbe es ja die Welt nicht. Dann wäre es ja ein Nichts. Gar nichts, alles schwarz. Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Meine Schwester ist tot, ich lebe…“.
Mit der Regisseurin Barbara Tacchini sprach Barbara Haack für „Oper & Tanz“.
Oper & Tanz: Wie ist es zu dem Projekt gekommen, wie entstand die Idee?
Barbara Tacchini: Wir machen schon länger – neben den beiden jährlichen professionellen Produktionen – eine Jugendclub-Produktion mit Jugendlichen, die ein eigenes Stück entwickeln. „Element 3“, unser Partner in Freiburg, hatte bereits Projekte mit krebskranken Kindern und Jugendlichen gemacht. So kamen wir zusammen und haben dann mit dem Olgahospital in Stuttgart Kontakt aufgenommen. Von dort haben wir krebskranke Kinder in das Projekt aufgenommen und dann eben auch Kinder und Jugendliche, die nicht krebskrank waren.
O&T: Wie sind Sie mit dem Thema umgegangen? Aus der Außensicht klingt es erst einmal heikel, wenn man mit kranken Kindern arbeitet und das Thema Krankheit und Tod in den Mittelpunkt stellt.
Tacchini: Wir haben das mit Absicht nicht in den Mittelpunkt gestellt. Wir haben zunächst das Buch von Janne Teller gelesen. Was uns interessiert hat, war die Frage: Was sieht man als wichtig an im Leben, wenn man so nahe am Tod war oder ist? Wenn man eine solche Krankheit überstehen musste oder sie immer noch hat: Wie ist dann die Sicht auf das Leben? Es war auch für die anderen Kids bewegend, sich darüber überhaupt einmal Gedanken zu machen. Parallel haben wir mit Musikinstrumenten zum Thema Angst, Tod, Freude, Glück improvisiert und daraus gleich Musiktheaterszenen komponiert. So haben wir uns nach und nach dem Thema angenähert, für die Jugendlichen war dann sofort klar: Der Sinn des Lebens liegt im Leben selbst, und es ist richtig, dass es begrenzt ist. Wir hatten mehrere Kinder dabei, deren Geschwister erkrankt waren und auch gestorben sind. Daraus ergab sich dann, dass wir das Thema von der Geschwisterseite aus beleuchtet und auch geschaut haben, was mit denen passiert, die übrig bleiben.
Sehr intensiv sind wir auch der Frage nachgegangen: Was ist denn nach dem Tod? Gibt es da was? Das alles konnten wir in eine Gesamtgeschichte integrieren.
Ganz wichtig wurde der Gedanke, dass man Tod, Trauer und Angst umarmen muss. Dass man sie mitträgt. Die Jugendlichen haben erkannt, dass es eben nicht stimmt, was die Erwachsenen oft sagen: „Das geht alles wieder vorbei, alles wird wieder gut.“ Es wird nie mehr so wie vorher. Aber man kommt viel besser klar, wenn man akzeptiert, dass Einsamkeit und Trauer jetzt ein Teil von einem sind. Dann gibt es auch wieder Glücksmomente. Diese Erkenntnis haben die Kinder gemeinsam erarbeitet.
O&T: Gab es während des Projekts mal einen Moment, an dem Sie nicht mehr weiter wussten?
Tacchini: Nein, wir haben eine Methode angewandt, die sich als sehr gut erwiesen hat. Es war ja noch eine Psychologin dabei, Frau Mehring-Fuchs von „Element 3“. Sie hat Einzelgespräche geführt, und was dabei herauskam, konnten die Kids entweder als Material in die Improvisationen einbringen, die sie bei mir gemacht haben, oder auch nicht. Man muss schon auffangen, was da emotional passiert. Es war sehr gut, dass wir da zweistrangig gearbeitet haben und dass die Kinder die Möglichkeit hatten, genau das auf die Bühne zu bringen, was sie zu erzählen bereit sind. Dies dann aber in eine künstlerische Form zu gießen. Dadurch bekommt man ja wieder eine Distanz und kann ausprobieren: Wie bin ich Künstler, was bedeutet es, etwas in eine Form zu gießen oder eine künstlerische Form zu finden. Das wird oft bei solchen Projekten überhaupt nicht gemacht. Die Kunst ist ein Medium, und die Form schützt. Das war uns wichtig.
O&T: Was ist für die jugendlichen Teilnehmer bleibend? Was nehmen sowohl die kranken als auch die gesunden Jugendlichen mit?
Tacchini: Wichtig war für sie, dass sie erlebt haben, dass sie wirklich etwas Eigenes machen konnten. Ich glaube, darüber hinaus nehmen sie drei Aspekte mit: dass sie als Gruppe zusammengewachsen sind und gemeinsam etwas gemacht haben, den inhaltlichen Austausch und dass sie geübt und gelernt haben, wie sie sich künstlerisch ausdrücken können.
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