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Kulturpolitik

Wenn‘s für Solo nicht reicht

Neuer Ausbildungs-Master Ensemblegesang in Düsseldorf

„Berufsbild Chorsänger“ war der Titel eines Roundtable im Rahmen der chor.com. „Für die Solo-Karriere hat es nicht gereicht, deshalb singt er/sie jetzt im Chor.“ Dass der eine oder andere Studierende, Sänger und Lehrer solches schon gesagt hat, lässt sich nicht bestreiten. Gleichzeitig ist der Satz viel zu kurz gegriffen, und er hält dem Realitäts-Check der heutigen Zeit keinesfalls Stand. Um die Frage der Ausbildung zum Chorsänger ging es vor allem in der Diskussionsrunde, in der Chorleiter Simon Halsey im Anfangs-Statement deutliche Worte fand. Wer in einem renommierten Orchester spiele, sei nicht nur selbst stolz, der Stolz übertrage sich auch auf Familienmitglieder, so Halsey. Für einen gestandenen Chorsänger gelte das nicht. Was ist zu tun? Alle Hochschulen brauchen gute Chöre und gute Chorleiter, fordert Halsey und räumte mit der Mär auf, Chorsingen könne dem angehenden Solisten schaden. Das sei nicht schlecht für die Stimme, wenn der Dirigent gut sei, lautet die einfache Erkenntnis.

chor.com-Meisterkurs mit Simon Halsey. Foto: Wilhelm Pleschberger

chor.com-Meisterkurs mit Simon Halsey. Foto: Wilhelm Pleschberger

Vorgestellt wurde ein neuer Masterstudiengang der Musikhochschule Düsseldorf, der einen Schwerpunkt auf das Ensemblesingen legt. Diskutiert wurde über Qualität (Zitat eines WDR-Chor-Mitglieds: „Man muss auf einer Konzertbühne solistisch bestehen können, um bei uns eine Chance zu haben!“), über die Hochschulausbildung und über Akademien. Hier wurde auch die Frage erörtert, ob es der richtige Weg sei, den Hochschulen die ihnen zugewiesenen Aufgaben durch die Einrichtung von Akademien abzunehmen.

Der Deutsche Chorverband könnte eine wichtige Rolle beim Thema „Ausbildung von professionellen Chorsängern“ spielen, indem er das Thema lanciert – nicht nur in der Politik, sondern ebenso bei den Hochschulen, die mangels Glamour-Faktor bisher nicht all zu viel Interesse an einer Chor-Ausbildung zeigen. Wichtiger Partner könnte dabei der Bundesverband der Gesangspädagogen sein. Nur, so wurde einschränkend bemerkt: Dort finden sich eben die Aufgeschlossenen, die Hardliner schließen sich einem solchen Verband gar nicht erst an. Vielleicht macht ja das Düsseldorfer Beispiel Schule. Das Gespräch mit dem Rektor der Hochschule, Raimund Wippermann, führte Barbara Haack für „Oper & Tanz“.

Oper & Tanz: Die Musikhochschule Düsseldorf hat einen neuen Studiengang „Ensemblegesang“ eingerichtet. Worum geht es?

Raimund Wippermann. Foto: Hochschule

Raimund Wippermann. Foto: Hochschule

Raimund Wippermann: An der Robert-Schumann-Hochschule gibt es seit einem Jahr im Masterstudiengang Gesang einen Schwerpunkt Ensemblesingen. Wir haben diesen eingeführt, weil wir wissen, dass es im Bereich der professionellen Chöre an den Opern, bei den Rundfunkchören und auch in den freien Ensembles erhebliche Probleme gibt, geeignete Sängerinnen und Sänger zu finden. Unser Ziel ist es, zwei Quartette zu installieren, eines im ersten und eines im zweiten Studienjahr, die neben den klassischen Disziplinen eines Master-Gesangsstudiums – Einzelunterricht, Korrepetition, Schauspieltraining et cetera – eine spezielle Unterweisung bekommen, die sie befähigt, in Ensembles zu singen.

O&T: Diese Studierenden lernen also, solistisch im Ensemble zu singen. Befähigt sie das schon zum Singen in einem großen Kollektiv?

Wippermann: Die Tatsache, dass sie in einem kleinen Ensemble singen, bietet erst einmal die Chance, dass sie ihre Stimme noch wahrnehmen und kontrollieren können. Sie lernen in diesem kleinen Ensemble – unter Anleitung eines renommierten Kollegen, nämlich Professor Anders Eby aus Stockholm – Dinge, die über das solistische Singen hinausgehen. Zum Beispiel: vibratofreies Singen oder den bewussten Umgang mit Vibrato, bewussten Umgang mit Stimme, mit Klang- und Vokalfarbe. Das kann man eigentlich nur in einem kleinen Rahmen lernen, weil es einer individuellen Kontrolle und Förderung bedarf. Ich glaube, wer das wirklich verinnerlicht hat, kann auch den Weg in ein größeres Ensemble gehen.

O&T: Wenn wir über Opernchöre reden, fehlt noch das Element des Bühnenauftritts, des Umgangs mit Singen in schwierigen Positionen oder Bühnensituationen: alles, was über das Singen im Konzertchor hinausgeht. Wo lernen die jungen Sänger das?

Wippermann: Sie haben in der Regel ein grundständiges Gesangsstudium absolviert. Durch dieses sind natürlich Schauspielunterricht, Bühnenauftritt und so weiter mit abgedeckt. Außerdem gibt es an der Robert-Schumann-Hochschule auch im Rahmen des Masterstudiengangs im modularisierten System die Möglichkeit, diese Dinge zu lernen.

O&T: Wie ist die Resonanz – bei den Studierenden und bei den Gesangspädagogen Ihres Hauses?

Wippermann: Wir nehmen wahr: Es gibt Interesse an diesem Studiengang. Ich nehme auch wahr, dass das Interesse noch nicht ganz aus der richtigen Richtung kommt. Es bewerben sich viele Leute, die nicht grundständig Gesang, sondern zum Beispiel Schulmusik oder Kirchenmusik studiert haben, die aber im Verlauf dieses Studiums ihre Nähe zum Singen entdeckt und Gesang zu ihrem künstlerischen Schwerpunkt gemacht haben. Darüber bin ich noch nicht ganz glücklich, denn aus meiner Sicht ist das Berufsbild „Sängerin/Sänger in einem professionellen Ensemble“ ein wirklich erstrebenswertes – und um dieses Berufsziel zu erreichen, ist eine basale gesangliche Ausbildung unerlässlich.

O&T: Und die Gesangspädagogen?

Wippermann: Sie beginnen, sich zu öffnen…

O&T: Sie sind ein Vorreiter im Bereich der deutschen Musikhochschulen. Gibt es in anderen Hochschulen die Idee, das nachzuahmen?

Wippermann: Explizit habe ich mit Kollegen anderer Hochschulen noch nicht darüber gesprochen. Ich weiß aber, dass das Ziel, Sängerinnen und Sänger für Ensembles auszubilden und dies zu einem Schwerpunkt zu machen, nicht unbedingt im Fokus des Interesses steht.

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