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Konservativ und doch gewagt

Cerha-Uraufführung „Onkel Präsident“ am Gärtnerplatz · Von Marco Frei

Es ist eine kleine Sensation, dass das Gärtnerplatztheater in München im Juni die Uraufführung von Friedrich Cerhas neuer Oper „Onkel Präsident“ realisiert hat. Damit ist dem neuen Intendanten des Hauses, Josef E. Köpplinger, ein ganz besonderer Coup geglückt, denn: Nicht nur ist das Werk die vierte abendfüllende Oper des 87-jährigen Grandseigneur der Neuen Musik, der mit der Vollendung von Alban Bergs „Lulu“ bekannt wurde; vielmehr ist es zugleich der erste Beitrag des Österreichers im komischen Opernfach. Im vorigen Jahr wurde Cerha mit dem Siemens-Musikpreis ausgezeichnet.

Stefan Thomas, Marcus Wandl, Adrian Sandu, Dirk Lüdemann und Thomas Hohenberger als die fünf Mitglieder des Aufsichtsrates mit Ann-Katrin Naidu als Fräulein Flott. Foto: Christian Zach

Stefan Thomas, Marcus Wandl, Adrian Sandu, Dirk Lüdemann und Thomas Hohenberger als die fünf Mitglieder des Aufsichtsrates mit Ann-Katrin Naidu als Fräulein Flott. Foto: Christian Zach

Von einer „Musikalischen Farce“ nämlich, wie es in der Partitur heißt, ist Cerhas neue Oper weit entfernt. Dafür ist die Musik stilistisch zu homogen gestaltet und arbeitet kaum mit grotesken Mitteln. Abrupte Brüche und scharfe Charakterisierungen sind die Sache Cerhas nicht. Mit „Onkel Präsident“ hat Cerha eine komische Oper oder musikalische Komödie in bester Buffa-Tradition geschaffen. Damit knüpft er ideell an Opern von Richard Strauss wie „Die schweigsame Frau“ oder „Der Rosenkavalier“ an. Neu ist das also nicht, auch verraten zudem die musikalischen Bezüge zur Moderne des frühen 20. Jahrhunderts eine konservative schöpferische Haltung.

Dennoch ist die Wiederbelebung der Buffa-Oper heute nicht minder mutig und gewagt als vor rund hundert Jahren zur Zeit von Strauss – zumal sich im heutigen Musiktheater das Komische im Absurden erschöpft, in der Groteske und in der Farce. Für ihre komische Oper haben Cerha und Librettist Peter Wolf einen Stoff ausgewählt, der auf Ferenc Molnárs „Eins, zwei, drei“ basiert: Durch Billy Wilders Verfilmung von 1961 mit Horst Buchholz und Liselotte Pulver wurde das Bühnenstück berühmt. In Cerhas Oper wird die Handlung linear erzählt, was eine weitere Seltenheit im heutigen Musiktheater ist.

Alles dreht sich um den Präsidenten eines Stahlkonzerns (eindrücklich: Renatus Mészár), der aus dem rastalockigen Fahrradkurier Josef Powolny (überzeugend: Paul Schweinester) kurzerhand einen smarten Geschäftsmann mit Adelstitel macht. Das muss er tun, weil seine Nichte (einnehmend: Susanne Ellen Kirchesch) den Radboten unstandesgemäß heiraten möchte. Alle müssen mitspielen: Wer nicht kuscht, wird bestochen wie der Monsignore Campanile oder eingeschüchtert wie der Reporter Kvaca vom „Skandal“-Blatt. Denn es geht um Macht und Karriere, der Preis ist heiß. Diese Gesellschaftssatire würzt Cerha mit einer Kritik am Opernbetrieb, womit er einen zweiten Handlungsstrang einführt.

Elaine Ortiz Arandes als Fräulein Flink und Ernst Dieter Suttheimer als Didi Kvaca. Foto: Jochen Klenk

Elaine Ortiz Arandes als Fräulein Flink und Ernst Dieter Suttheimer als Didi Kvaca. Foto: Jochen Klenk

Deshalb unterhält sich im Pro- und Epilog der Präsident mit einem Komponisten, um darüber zu grübeln, wie eine Oper zu sein hat – vor allem nicht so lang wie bei Richard Wagner. Dieser zweite Handlungsstrang durchbricht zudem wiederholt den eigentlichen Stoff, als Verfremdung und ironische Distanz, wobei auch der Dirigent im Orches-tergraben (Marco Comin) eingebunden wird: Einmal soll er eine Arie kürzen, dann wieder das Orchester weniger laut spielen lassen. Das alles ist kurzweilig, trotz eines etwas verstaubten Altherren-Humors. Hier hätte Köpplingers Regie Abhilfe schaffen können, aber: Leider verzichtete er auf eine temporeiche, groteske Farce, was Cerhas Oper gut getan hätte.

Andererseits atmete die Inszenierung eine gewisse Atmosphäre der Wilder-Verfilmung, obwohl Cerhas Oper nichts mit ihr gemein hat – und diese paradoxerweise jene groteske Farce aufweist, die Köpplingers Regie und Cerhas Oper fehlt. Dafür punktete das Orchester, das die Musik Cerhas feinsinnig zelebrierte. Auf jeden Fall krönte diese Uraufführung Köpplingers erste Münchner Spielzeit, die insgesamt ein großer Erfolg war – trotz der widrigen Umstände wegen der Generalsanierung des Hauses und des gewaltigen internen Ärgers. Denn der Wirbel war groß, als Köpplinger im vorigen Jahr Ulrich Peters als Gärtnerplatz-Intendant beerbte.

Weil rund sechzig Verträge von festen Ensemblemitgliedern nicht verlängert wurden, wurde die Auflösung künstlerischer Strukturen befürchtet. Auch nach der Generalsanierung, wegen der das Haus bis 2015 an verschiedenen Spielorten Münchens gastieren muss, werde es beim En-suite-Betrieb bleiben, hieß es. Dass das Gärtnerplatztheater nun eine Cerha-Weltpremiere angelte, ist gelungen, weil Köpplinger von Klagenfurt nach München wechselte: Seit 2009 hat er sich mit Cerha über dieses Projekt ausgetauscht. Im Oktober 2014 ist diese Produktion an der kooperierenden Volksoper Wien zu sehen.

Marco Frei

 

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