Netzwerk Neue Musik: Ausklang in Köln
Und noch ein Netzwerk: Das „Netzwerk Neue Musik“ (NNM), ein Projekt der Bundeskulturstiftung, feierte in Köln seinen „Netzwerk-Ausklang“. Fünfzehn Modellprojekte in Deutschland waren vier Jahre lang gefördert worden. Voraussetzung war, dass die Projekte örtliche Träger, Veranstalter, Musiker, Ensembles aus dem Bereich der Neuen Musik miteinander vernetzten. Und: Diese Partner sollten sich schwerpunktmäßig der Vermittlung Neuer Musik widmen. Ein bekanntermaßen nicht leichtes Unterfangen.
„An der Grenze des Musiklandes“ überschrieb der Leiter des „Netzwerk Neue Musik“, Bojan Budisavljevic, die Podiumsdiskussion im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks – und forderte damit die Diskutanten recht deutlich dazu auf, sich zu den dunklen Wolken zu äußern, die übers Fruchtland der Neuen Musik hereinziehen. Klartext sprach vor allen anderen die Musikwissenschaftlerin Helga de la Motte-Haber, wenn sie darauf hinwies, in einer Zeit, in der Musik ganz allgemein an Bedeutung verliere, bedürfe es zur Wahrung des Musikerbes nicht nur Spezialfestivals, sondern auch eines breiten Publikums, das an den Ergebnissen aktuellen Musikschaffens teilhaben kann. Dafür, so de la Motte-Haber, bräuchte es ein „Netzwerk Nummer Zwei“. Sie habe verstanden, antwortete darauf die künstlerische Leiterin der Bundeskulturstiftung, Hortensia Völckers. Sie wisse aber noch nicht, ob ihre Stiftung das leisten könne, oder ob da andere Geldgeber gefordert seien.
Den eigentlichen Ausklang des „Netzwerks“ übernahm ein abwechslungsreiches Konzertprogramm. Wie schnell aus „vergnüglichem“ Orchesterspiel auch Frondienst am sinfonischen Werk werden kann, machten Wilhelm Bruck und Matthias Würsch mit ihrer 70-minütigen Aufführung der Basler Fassung von Mauricio Kagels „Zwei-Mann-Orchester“ deutlich. Zum Netzwerk-Ausklang waren die beiden samt Maschine von Basel rheinaufwärts in Kagels ehemalige Heimatstadt Köln gereist. Staunende Kinderaugen und amüsierte Blicke einer jüngeren Besuchergeneration folgten den Aktionen der Musikmaschinisten Bruck und Würsch gebannt. Zwei volle Tage lang hatten sie den Orchesterapparat aufgebaut – der Prozess des Spielens, eigentlich ein Auslösen unumkehrbarer, wunderbar-skurriler Klangprozesse, stellte jedenfalls ein nachhaltiges Vergnügen im Rahmen des traurigen Anlasses „Netzwerk-Ausklang“ dar.
Dafür, dass die Traurigkeit nicht überhandnahm, sorgte abschließend eine Musikrevue mit Partnern und Gästen aus dem „Netzwerk“. Ein vergnüglicher Abend mit ernster Musik? Nur „schöne Stücke“ aneinandergereiht? Bei Fragen solcher Art kann Adorno helfen: „Wer kein Organ für schöne Stellen hat, (…) ist dem Kunstwerk so fremd wie der zur Erfahrung von Einheit Unfähige.“
Andreas Kolb
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