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Kulturpolitik

Nicht nur Grund zum Feiern

Kultur- und Finanzpolitik in Mecklenburg-Vorpommern · Von Sylke Urbanek

„Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“ (Karl Valentin) - und kostet Geld (unbekannt)

125 Jahre Bestehen des Großen Hauses des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin – was für ein schöner Anlass –, eine gelungene Festwoche rundete das Jubiläum ab, Schwerin war in den Schlagzeilen – aus kulturellem Anlass selbstverständlich. Das Damoklesschwert einer drohenden Insolvenz jedoch hing weiter über dem prachtvollen Bau am Alten Garten. Aber darüber wurde nicht so froh und frei berichtet. Warum sollten auch düstere Wolken das geplante Event überschatten? Dabei wurden die Schatten schon lang, denn bereits Anfang Juni gab es mehr als deutliche Signale von der Oberbürgermeisterin in Richtung Landesregierung, man möge bitte Stellung beziehen zur weiteren Finanzierung, um die Perspektive des Hauses zu sichern. Ohne Hilfe vom Land würde das Staatstheater Schwerin wirtschaftlich keine Überlebenschance haben. Diesen Hilferuf wiederholte Frau Gramkow (Linke) Anfang Oktober bei den Abschlussfeierlichkeiten anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des Großen Hauses in Schwerin. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) kündigte in seiner Rede „schwere Gespräche“ in den kommenden Monaten zur künftigen Finanzierung und Struktur der Theater in Mecklenburg-Vorpommern an.

 
„Carmen“ als Ballett mit Davina Cramer und Maxim Perju. Foto: Silke Winkler
 

„Carmen“ als Ballett mit Davina Cramer und Maxim Perju. Foto: Silke Winkler

 

Seit 15 Jahren hat die Landesregierung ihren Zuschuss von 35,8 Millionen Euro für die Kultur in Mecklenburg-Vorpommern nicht verändert, trotz stetig gestiegener Kosten an allen Standorten. Eine Änderung dieser Haltung wurde bisher auch resolut abgelehnt. 2008 entwickelte Kultusminister Henry Tesch (CDU) ein bis heute viel diskutiertes und nicht unumstrittenes Eckpunktepapier, welches die Landesmittel einerseits bis 2020 festschreibt, die Theater andererseits auffordert zu Kooperationen und Fusionen, zu mehr Wettbewerb, um die Zuschauerzahlen zu erhöhen... Anreiz zu diesen Bemühungen sei dann mehr Geld für die Theater … Die Theater wunderten sich und fragten sich, wie das funktioniert? Auf der einen Seite festgeschriebene Landesmittel, auf der anderen Seite mehr Geld bei Einhaltung der o. g. Bedingungen? Da lohnt es sich doch wieder, das Kleingedruckte zu lesen. Dasjenige Theater bekommt mehr Geld, welches mehr Zuschauerzahlen vorweisen kann – genommen wird es dem Theater, welches vielleicht etwas weniger Zuschauer in der Statistik hat. Pest oder Cholera? Die Theater in Stralsund und Greifswald hatten im Übrigen bereits fusioniert, ebenso Neustrelitz und Neubrandenburg. Engpässe in der Finanzierung, die fast ständig an der Tagesordnung waren, wurden durch Haustarifverträge mit Verzicht auf Gehaltsbestandteile der Belegschaft überbrückt bzw. vor sich hergeschoben. Alle Theater-Standorte in Mecklenburg forderten immer wieder eine Dynamisierung der Landesmittel, ohne je richtig gehört zu werden. Hilfe vom Land? Utopie! Einen klitzekleinen Lichtblick gab es allerdings schon – wenn man der örtlichen Presse Glauben schenken darf. Ein Artikel in der Ostseezeitung vom 30.5.2011 – Zitat: „Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) will die Kultur in Mecklenburg-Vorpommern zur Chefsache machen … nach einem Sieg der Landtagswahl der SPD am 4. September.“
Inzwischen ist der 4. September vorbei, die SPD hat die Landtagswahl gewonnen, die große Koalition wird es weiterhin geben – allerdings musste die CDU ein Ministerium an die SPD abgeben – es ist das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Ein neuer Minister also für die Kultur Mecklenburgs – neue Hoffnung? Offene Ohren? Offene Türen? Hilfe für die Theater? Weit gefehlt. Erstmal! Nachdem die Theaterproblematik in den Koalitionsverhandlungen immer wieder nach hinten geschoben worden war, gab es wenigstens schon mal die klare Aussage vom neuen Minister Matthias Brodkorb, dass sich an der Festschreibung der Landesmittel von 35,8 Millionen Euro bis 2020 nichts ändern werde. Hat er sich da auch wirklich mit Herrn Sellering, der in den vergangenen Tagen als Ministerpräsident wiedergewählt wurde, richtig abgestimmt? Sind die beiden in Klausur gegangen? Kultur wird Chefsache? Wer ist jetzt hier eigentlich der Chef? In welchem Theaterstück befinden wir uns gerade? – das fragen sich die Beschäftigten der Theater in Mecklenburg schon lange. Heißt das Zauberwort auch hier: „Rettungsschirm“?

Nach einigem Ringen einigten sich letzte Woche die Koalitionäre von SPD und CDU in der Tat auf einen „Rettungsschirm“ für die Theater in Mecklenburg. Damit ist die drohende Insolvenz in Schwerin erstmal vom Tisch –eine Million Euro soll das Staatstheater erhalten. Ein Aufatmen – wenigstens in diesem Theater – wenn auch nur für den Moment. Rostock bekommt Finanzspritzen für den geplanten Neubau des Theaters, Anklam 500.000 Euro, exakt die Summe, die das Land als Landesmittel verweigert hatte wegen angeblicher rechtlicher Ungereimtheiten bei der Fusion der Bühne mit dem Theater Vorpommern. Ein Punkt des Eckpunktepapieres von Ex-Minister Tesch erlegte den Einspartentheatern bis zum 31.12.2010 die Pflicht auf, mit einem Mehrspartentheater zu fusionieren, anderenfalls gäbe es keine Landesmittel. Anklam fusionierte – und bekam trotzdem die Mittel nicht. Jetzt gibt es allerdings das Geld – es heißt eben nur anders. Und was bekommen die anderen Theater im Land? Auf welche Finanzspritzen können sie sich einstellen? Bislang keine. Es gibt keine Aussagen darüber. Was haben die anderen Standorte falsch gemacht? Haben sie nicht laut genug gejammert? Haben sie zu früh ihre Hausaufgaben erledigt? Stellen abgebaut, Haustarifverträge mit Gehaltsverzicht abgeschlossen, Kredite aufgenommen, die mit Zinsen zurückgezahlt werden müssen etc.? Die Lis-te ist lang. Aber eigentlich haben doch alle Standorte geschrien: „Wir brauchen eine Dynamisierung der Landesmittel!“ Geht nicht – ist nicht – kommt nicht – ist eingefroren.

Traurige Tatsache ist auch, dass der Staat es bisher nicht geschafft hat, das Staatsziel Kultur ins Grundgesetz aufzunehmen. Der Schutz und die Förderung von Kultur als Aufgabe aller staatlichen Ebenen sollte gesetzlich verankert werden, wie es ja auch zentrale Forderung des Deutschen Kulturrats ist. Aber was wird getan, um das Diktat der Verluste in der Theaterlandschaft abzuwenden, um eine Krise zu managen, die nicht von den Theatern verschuldet wurde? Schauen wir weiter mit Optimismus in die Zukunft? Die Antwort ist „Ja“, denn sonst könnten wir unseren Beruf als Künstler gar nicht ausüben. Ein leichter Anflug von Sarkasmus dürfte uns ob der aktuellen kulturpolitischen Lage allerdings verziehen werden.

Sylke Urbanek

 

 

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