
Eine Fülle von Aufgaben
Der Magdeburger Chordirektor Martin Wagner · Von Herbert
Henning „Ich liebe das Singen und Sie lieben das Singen. Das ist
eine gute Basis für unsere Arbeit“. Martin Wagner erinnert
sich noch genau an seine erste Probe mit dem Opernchor, die er
mit diesen Worten begann. Die erste große Einstudierung war
damals der „Tannhäuser“. Inzwischen ist ein Jahr
vergangen und der Magdeburger Opernchor wurde in der Kritikerumfrage
der „Opernwelt“ in das Ranking „Bester Chor“ aufgenommen.
Dies ist zweifelsohne ein Verdienst der künstlerischen Arbeit
des neuen Chordirektors.
Hoher Anspruch
Seit August 2006 arbeitet Martin Wagner am Opernhaus Magdeburg
und leitet darüber hinaus die Singakademie. Nach neunjähriger
Tätigkeit als Korrepetitor, Studienleiter, Kapellmeister und
Chordirektor an der Staatsoperette Dresden sucht Wagner in Magdeburg
neue Herausforderungen: Große Oper, wie „Tannhäuser“ oder „Nabucco“,
Donizettis „Liebestrank“ oder Mozarts „Requiem“ – Werke,
die er in kurzer Zeit in Magdeburg mit den 34 Sängerinnen
und Sängern des Opernchores einstudierte. Der Opernchor schätzt
an Martin Wagner seine besonders ausgeprägte Musikalität,
gepaart mit einer sicheren stilistischen Arbeitsweise und mit seinem
hohen qualitativen Anspruch an sich selbst und an die Kollegen.
Der engagierte Chorvorstand Frank Heinrich beschreibt es so: „Durch
die Konzentration auf wesentliche Aspekte des Chorgesangs findet
unter seiner Leitung eine effiziente und anspruchsvolle Probenarbeit
statt. Er beweist musikalische Sensibilität in den verschiedensten
Genres, die der Chor zu bewältigen hat. Man spürt deutlich,
dass er selbst lange Jahre im Chor gesungen hat.“ Vier Dimensionen
In Dresden geboren erhält Martin Wagner bereits mit 6 Jahren
Klavierunterricht, wird mit 10 Jahren Kapellknabe und dirigiert
mit 16 das erste Mal im Gottesdienst eine Schütz-Motette.
In Dresden studiert er dann auch Korrepetition und Orchesterdirigieren,
unter anderem bei Siegfried Kurz. Bereits während des Studiums
sammelt er an Theatern in Radebeul und Görlitz praktische
Erfahrungen als Repetitor und Chorassistent. Wagner: „Professionelle
Opernchorarbeit auf höchstem Niveau gestaltet sich aus meiner
Sicht vierdimensional. Erste und zweite Dimension sind künstlerisch
ambitioniertes und konzentriertes Auftreten jedes einzelnen Chorsängers
im Gesang und zeitgleich in der Szene. Die dritte Dimension gilt
als besonders chorspezifisch und zielt auf die Homogenität
des stimmlichen und szenischen Gesamteindruckes ab, in dessen Dienst
sich alle Chormitglieder uneigennützig stellen müssen.
Und die vierte und wichtigste Dimension ist die Kontaktaufnahme
mit dem Zuschauer, das Brennen für das eigene Publikum. All
das zusammen ist eine sehr komplexe und fordernde Aufgabe, der
sich die Kollegen hier in Magdeburg mit Hingabe widmen und dafür
immer wieder herzlichen Beifall ernten.“
In Vera Nemirovas Magdeburger Inszenierung von Giuseppe Verdis
Oper „Nabucco“ betreten durch die Saaltüren 120
Chorsänger (Opernchor, Coruso-Chor, Singakademie, Kinder-
und Jugendchor) den hermetisch abgeriegelten Zuschauerraum, um
den berühmten Chor der Hebräer „Va pensiero“ mit
beeindruckender Klangfülle zu singen, ergreifend Verzweiflung
und Todesangst spielend, Schutz suchend in der Menschenkette. Für
Chordirektor Martin Wagner ist es bei jeder Aufführung ein
Gänsehaut-Gefühl, wenn er vom Foyer den langsam verklingenden
Schlussakkord des Gefangenenchores vernimmt und nach spannungsgeladener
Stille ein begeisterter Jubelapplaus losbricht. In der Freizeit Komponist Viel Energie investiert Martin Wagner in die Probenarbeit der
Magdeburger Singakademie e.V. Der Extrachor des Opernhauses mit
etwa 70 Mitgliedern
hat sich im vergangenen Jahr verjüngt und wird im Mai die
Orgelweihe im Dom mitgestalten.
„In meiner Freizeit? Da komponiere ich.“ – so zuletzt
die Schauspielmusik für das Historienspektakel „Jakob
Böhme“ im Juni 2007 auf dem Görlitzer Untermarkt
für die Besetzung Bariton, Chor und Großes Orchester.
Als ein besonderes Ereignis zum Jahresausklang bereiten Opernchor
und Mitglieder der Magdeburgischen Philharmonie erstmals ein weihnachtliches
Chorkonzert mit weltlicher und geistlicher Musik vor. Wagner dirigiert
und moderiert das Konzert und hat eigens einige Weihnachtsweisen
arrangiert. Besonders freut er sich auf eine Reihe origineller
Weihnachtslieder, die Opernchormitglieder auf seine Anregung hin
aus ihren Heimatländern Bulgarien, Chile, Korea, Polen und
Rumänien mitgebracht haben. Man merkt Martin Wagner, der mit
seiner Familie in Magdeburg längst heimisch geworden ist,
die Freude an der Arbeit mit dem Opernchor an. Die Präsenz
im Theater ist ihm wichtig. Während der Vorstellung steht
er auf der Seitenbühne. Das eine Mal vermittelt er Sicherheit,
ein anderes Mal liefert er die passende Motivation für den
bevorstehenden Auftritt. Die Fülle der Aufgaben des Chores
erfordert eine logistische Meisterleistung. Martin Wagner und „sein“ Opernchor
streben nach Perfektion. Und so gehören in Andreas Kriegenburgs
neuester Inszenierung – Mozarts „Idomeneo“ – die
Chorszenen in ihrer musikalischen und darstellerischen Präzision
und Ausdruckskraft zu den Höhepunkten des Opernabends. Und
das stimmt Martin Wagner für die weitere künstlerische
Arbeit mit dem Opernchor mehr als optimistisch.
Herbert Henning
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