Opernchöre werden aktiv
Über Projekte in Bremerhaven und Kiel
Gleich zwei Beispiele von Chorprojekten „außer der
Reihe“ erreichten uns in den vergangenen Wochen. Das Konzert
des Opernchores Kiel bedeutete – laut Zeitungsbericht –
einen „großen Schritt ins Licht“. Christian Strehk
kommentierte in den Kieler Nachrichten. Über das „Feuerwerk“
des gemeinsamen Konzerts der Chöre aus Bremerhaven und Oldenburg
schrieb Christian Ekowski in der Nordsee-Zeitung. Auf Ihre Hinweise
auf Chor-Aktivitäten außerhalb der Szene freut sich die
Redaktion von „Oper & Tanz“.
Bremerhaven – Oldenburg
Zunächst stiegen nicht gerade brillante Raketen in den musikalischen
Himmel, als sich die vereinigten Opernchöre des Staatstheaters
Oldenburg und des Stadttheaters Bremerhaven im Großen Haus
daranmachten, unter dem Motto „Fuoco di gioia“ ein „Feuerwerk
festlicher Chormusik“ zu zünden. Nach der vom Städtischen
Orchester unter Kapellmeister Sierd Quarré leicht zerdehnten
„Tannhäuser“-Ouvertüre von Richard Wagner
wurde die Halle – beim Einzug der Gäste aus derselben
Oper – von den gut 50 Sängerinnen und Sängern eher
formal „freudig begrüßt“. Auch das Lachen
im Spinnerlied aus dem „Fliegenden Holländer“ schien
nur im Text stattzufinden. ...
Mit dem Brautchor „Treulich geführt“ aus der
Oper „Lohengrin“ war dann ein sehr erfreulicher Qualitätssprung
zu verzeichnen, bei dem harmonische Fülle und Homogenität
vor allem bei den Frauenstimmen vorherrschte. Den Pilgerchor aus
„Tannhäuser“ kosteten die Männerchöre
unter der durchgängig souveränen und präzisen Leitung
von Sierd Quarré mit Inbrunst aus. Lediglich die Textverständlichkeit
ließ des öfteren zu wünschen übrig.
Nach der Pause steigerten sich alle Musiker zu einer sehr erfreulichen
Gesangsleistung und deutlich lebendigeren Interpretation. Das Vorspiel
zur Oper „Carmen“ und der Chor der Zigarettenarbeiterinnen
kamen mit Esprit und Leichtigkeit daher.
Erfreulicherweise standen nun auch Werke auf dem Programm, die
man nicht bei jedem Konzert hört. Dies war etwa mit der Mazur
aus der Oper „Das Gespensterschloss“ von Stanislaw Moniuszko
der Fall, die überdies in polnischer Sprache gesungen wurde,
oder mit dem Hexentanz aus der Oper „Le Villi“ (Die
Hexen), einem Frühwerk Giacomo Puccinis. Das mit imponierender
Strahlkraft und beachtlichem Stehvermögen ausgeführte
Finale des 2. Aktes seiner letzten Oper „Turandot“ beschloss
schließlich den mit reichlich Applaus bedachten Opernabend...
Christian
Ekowski
Nordsee-Zeitung, 23.03.04
Opernchor Kiel
Aus dem Schatten ins Rampenlicht zu treten, scheint für einen
Opernchor ein kleiner Schritt. Möchten doch die wenigsten Komponisten
auf den fast immer reizvollen Effekt verzichten, auch dem Volk auf
der Bühne eine Stimme zu geben. Und doch hält sich die
Wertschätzung des so wichtigen Kollektivs häufig in Grenzen.
Das hat ein bemerkenswertes Chorkonzert im Kieler Opernhaus gründlich
geändert. Da sind die Opernchorsänger einmal nicht Beiwerk,
sondern Mittelpunkt.
Kiels Opernchor hat sich in den vergangenen Jahren spürbar
verjüngt und profitiert derzeit enorm von der differenzierten
Arbeit des katalanischen Chordirektors Jaume Miranda. Der in und
an hervorragenden Wiener Chören wie dem Arnold Schönberg
Chor oder den Wiener Sängerknaben geschulte Leiter vermittelt
ein reich abgestuftes Chorsingen, das trotz bühnenrobuster
Einzelstimmen eine gemeinsame Kultur entwickelt. Dass das Ensemble
trotz seiner studierten Kehlen, die sich einmal mehr auch als solofähig
zeigen, in einer Besetzungsstärke von unter vierzig Personen
unvermeidlich ein Kammerchor bleibt, führt unter Miranda nie
zu Kompensationsgebrüll...
Die ganz besondere Atmosphäre des Abends, den Chefdramaturg
Wolfgang Haendeler einmal mehr mit Kompetenz und einer Prise Loriot-Schalk
moderiert, entsteht auch auf Grundlage der pfiffigen szenischen
Ideen von Ralph Mundlechner... Trotz Frack und Abendkleid werden
Sänger eben mühelos zu Darstellern, wenn man weiß,
wie das geht... Zwei Wünsche bleiben offen: Eine regelmäßige
Saison-Wiederholung des schönen Projekts – und dann eine
größere Anzahl von den begeisterten Zuschauern.
Christian Strehk
Kieler Nachrichten, 10.04.04
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