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Ansichten eines Boomers

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Zur Situation deutscher Theater und Orchester

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... Laurent Hilaire, Ballettdirektor des Bayerischen Staatsballetts
Im Gespräch mit Barbara Haack

Ein komplexes Verhältnis
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Den Menschen wieder eine Stimme geben
Das Projekt „Zukunft der Erinnerung“ am Staatstheater Augsburg

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Brutales Elend der Kriegsrealität
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Wie ein Mythos versinkt
Das Musical „Titanic“ am Theater Osnabrück

1923: Bartók–Krenek–Toch–Weill
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Wagner: Der Ring des Nibelungen
Deutsche Oper Berlin, Donald Runnicles; Stefan Herheim

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Rezensionen

Der Ring Des Nibelungen

Wagner: Der Ring des Nibelungen. Nina Stemme, Iain Paterson, Elisabeth Teige, Clay Hilley, Albert Pesendorfer u.v.a., Chor u. Orchester der Deutschen Oper Berlin, Donald Runnicles; Stefan Herheim. Naxos 7 DVDs 2.107001. 2022.

Beginn und Ende von Stefan Herheims Welt-Erzählung zeigen auf leerer Bühne einen Flügel: so als ob die Musik das Zentrum von allem sei – ein Bildsymbol, das Herbert Wernicke 1991 mit seinem Brüsseler „Ring“ etabliert hat. Tatsächlich wird nun in Berlin auf dem Instrument auch viel Musizieren angedeutet; aus dem Flügel fegen bühnengroße Tücher empor und bilden eine Projektionsfläche für eine Baumkrone, eine grüne Welt, einen Globus oder die Vision der Wälsungen-Babies; am Ende sitzt ein gealterter Wotan am Flügel, signalisiert letzte Takte und tritt dann ab. Doch zentrale Hinzuerfindung Herheims ist ein Flüchtlingsstrom, der immer wieder die Bühne überquert, dann viel und oft in weißer Unterwäsche farbig beleuchtet Wasser oder Feuer imitiert und in der „Götterdämmerung“ zur Sekt-Society von Heute mutiert – ohne dass damit eine politische Aussage klar wird. Zentrale Optik bilden auch die vielen Flüchtlingskoffer, die mal eine bühnengroße Hügel-Landschaft, mal Wände oder Flächen formen – aber Thema des „Ring“ sind ja nicht Flucht und Vertreibung.

Von Herheim hinzuerfunden: Sieglinde hat mit Hunding einen halb erwachsenen Sohn, dem sie parallel zu Siegmunds Schwertgewinn die Kehle durchschneidet; zur Leidenschaftsmusik des ersten Walküren-Finales zeugen beide auf dem Flügel recht realistisch den späteren Siegfried; Mimes Kopf-Maskerade zeigt den alten Richard Wagner, der unter Sieglindes Rock das Siegfried-Baby aus dem Mutterleib holt… und dann wabern Rauch und Hochnebel, regenbogenfarben am Ende des „Rheingold“, aber auch viel und oft durch die Szenen. Am Ende kehrt gar eine Putzfrau den Kleindreck auf der leeren Bühne zusammen. Der Werk-Freund rätselt über die Rolle der sonst schätzenswerten Dramaturgen Alexander Meier-Dörzenbach und Jörg Königsdorf.

Stand sich Herheim als Bühnenbildner neben Silke Bauer schon selbst im Interpretationsweg, so befremdet an Uta Heisekes Kostümen auch das dramaturgisch unschlüssige Vielerlei zwischen albernen Germanen-Zitaten wie geflügelten Helmen, figurunfreundlichen Brustpanzern, dann weißer Unterwäsche und schließlich farb-öder Alltagskleidung: zu viel Disparates.

So rückt die vokale Seite ins Zentrum des Interesses. Dabei schälen sich zunächst die drei Rheintöchter aus dem Flüchtlingsstrom, singen erst in Alltagskleidung, später dann in Damenunterwäsche. Auch der Jung-Wotan von Derek Welton könnte anfangs dem Flüchtlingspulk entstammen; er trumpft im „Rheingold“-Finale überzeugend auf. Dem über seine Szenen hinaus mehrfach auftretenden „Rheingold“-Alberich von Markus Brück fehlt für die zentrale, ja über das Werk bis heute ausstrahlende Fluch-Szene die nötige gespenstische Gefährlichkeit; erst Jordan Shanahan kann in dieser Rolle in „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ überzeugen. Auch Thomas Blondelles Loge im Mephisto-Kostüm könnte hinterhältiger sing-schauspielern. Schöner Sopran-Gesang von Elisabeth Teiges Sieglinde, Aile Asszonyis Gutrune und auch Nina Stemmes etwas sehr reifer Brünnhilde. Iain Patersons Wotan hat herrschaftliches Format, ebenso der wuchtige Hagen von Albert Pesendorfer. Aber spannende Fallhöhe fehlt allen. Die übrigen Figuren klingen gut, wie auch der Chor (Einstudierung: Jeremy Bines). Nur fehlt von Donald Runnicles und dem Orchester der Deutschen Oper Berlin immer wieder die fesselnde Klang-Spannweite zwischen fahlem Abgrund, leiser Intimität und lodernder Leidenschaft. Es ist insgesamt nicht der Maßstäbe setzende „Herheim-Ring“ geworden.

Wolf-Dieter Peter

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