Schwerpunkt
Typen mit hässlichen
Gesichtern
„M“ an der Komischen Oper Berlin: Aufwändige Maskenproduktion
Fast jeder kennt ihn: Fritz Langs berühmten Kriminalfilm „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ aus dem Jahre 1931. An der Komischen Oper Berlin kam die Geschichte als Oper auf die Bühne, vertont von Moritz Eggert und inszeniert vom Hausherrn Barrie Kosky. Nur ein Sänger, eben „M“, tritt auf, dazu eine große Schar von Kinder-Statisten, denen eine wesentliche Rolle zukommt. Sie werden zum Albtraum des Hauptdarstellers und müssen entsprechend aussehen: „Typen“ mit abgelebten, meist hässlichen Gesichtern, denen man im Dunkeln nicht unbedingt begegnen möchte. Eine große Aufgabe für die Maskenbildabteilung der Komischen Oper: 37 Kinder brauchten individualisierte Masken, jede einzelne wurde in einem aufwändigen Prozess hergestellt, der zahlreiche Produktionsschritte umfasste.

Tobias Barthel. Foto: Gerrit M. Wedel
Zuvor war recherchiert worden: Es galt, Fotografien als Vorlage zu finden, die meisten von ihnen stammen aus den 1920er- oder 1930er-Jahren, „weil da die Leute noch unter so harten Bedingungen gearbeitet haben, dass die Gesichter auch gezeichneter waren“, berichtet Tobias Barthel, Chefmaskenbildner am Haus an der Behrenstraße. Anhand dieser 2D-Abbildungen sollten nun 3D-Masken entstehen. Im Gespräch hinter den Kulissen beschreibt Barthel den Prozess, den er, sein Team und viele freiberufliche Fachleute durchlaufen haben. Diese – man darf ruhig sagen einzigartige – Maskenproduktion wurde in einem Video nachgezeichnet, das auf der Homepage des Opernhauses zu sehen ist: eine Würdigung dieses Gewerks, die nicht oft gewährt wird. Sogar im Programmheft ist Barthel auf der ersten Seite genannt. Normalerweise findet man dort den Kostüm-, nicht aber den Maskenbildner.
Verschiedene Teams wurden gebildet: Die Modellierer (in Spitzenzeiten waren hier bis zu zwölf Menschen zugange) formten auf der Grundlage der Fotos aus einer harten Modelliermasse die Köpfe. An jeder Stirnfalte, jeder Runzel, jedem Gesichtszug wurde mit unterschiedlichsten Werkzeugen geschabt, geritzt, modelliert. Dann waren die Formbauer und Ausgießer an der Reihe: Mit Epoxid werden die Köpfe umhüllt, zwischen Kopf und Hülle bleibt Platz, in den dann Silikon gegossen wird. Daraus wird schließlich die Maske. Bemalung („Airbrush“), Haare, Augenbrauen, Wimpern folgen, damit es ein „echtes“ Gesicht wird. Lange Zeit habe es gedauert, bis von Barrie Kosky das „Go“ kam, so Barthel. Aber schließlich hatten sie den Dreh gefunden, am Ende waren Maskenbildner und Regisseur höchst zufrieden mit den Ergebnissen.
„Wir mussten gleich zu Probenbeginn fertig sein, weil die Kinder damit auch üben mussten“, berichtet Tobias Barthel. „Wir wussten alle nicht, ob das auch gutgeht. Barrie hatte gesagt, die Kinder müssten nicht groß agieren auf der Bühne. Als er die Kinder dann in den Masken gesehen hat, hat er sich gefreut, und natürlich haben sich die Kinder dann mit den Masken auch bewegt.“ In der Tat: Sie werfen sich auf der Bühne hin, stehen wieder auf, tänzeln, laufen… „Aber“, so Barthel, „es ist gut gegangen.“

Masken von „M“. Foto: Gerrit M. Wedel,
Als es los ging mit den Proben zu „M“, kam der nächste „Knaller“: „Wir haben festgestellt, dass wir bei jeder Probe dabei sein mussten. Bei den Proben auf der Probebühne waren wir immer 10 bis 15 Leute. Dann wurde uns langsam klar: Wir können die Vorstellungen auch nicht mit weniger Leuten machen.“ Das Aus- und Anziehen der Masken (in den Pausen hinter der Bühne brauchten die Kinder „Luft“) war so aufwändig, dass ein Helfer hinter der Bühne nur zwei oder drei Kinder betreuen konnte.
Viele erfahrene Kollegen, denen er von dem Projekt erzählte, hätten ihn für verrückt erklärt, erzählt Barthel. Der Stolz auf das, was er und sein Team da geleistet haben, ist ihm deutlich anzumerken. „Wir wollten das unbedingt schaffen. Das ist das Tolle, dass man das an diesem Haus kann, dass man auch die Rückendeckung hat. Dass man vernünftig kalkulieren kann und konstruktiv mit Barrie Kosky kommunizieren kann.“
Das Ergebnis ist beeindruckend. So echt, so lebendig, so individuell verschieden sind diese Typen gelungen. Schade, dass die Produktion „M“ nun schon wieder abgespielt ist.
Barbara Haack |