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Schwerpunkt
Im Herzen des Theaters
Ein Besuch in der Maske des Regensburger Theaters
„Die Maske ist das Herz des Theaters.“ Angelo Pollak ist Ensemblemitglied am Regensburger Theater und scheint mit seiner Einschätzung Recht zu haben. Tatsächlich trifft hier vor der Vorstellung die kleine Besetzung von „Una cosa rara“ zusammen und plaudert in familiärer Atmosphäre mit den Maskenbildnerinnen. Chef-Maskenbildnerin Ute Schweitzer und ihre Kolleginnen seien manchmal die Psychologinnen für ihn und das Ensemble, manchmal aber auch einfach Gesprächspartner, die immer über den neuesten Tratsch Bescheid wissen.
Ute Schweitzer kann mit ihren gut 30 Jahren Berufserfahrung gut einschätzen, ob die Sängerinnen und Sänger eher Ablenkung oder Ruhe brauchen vor ihren Auftritten. „Die Darsteller sind ja sehr empfindsame Menschen, und wir sind die letzten, mit denen sie zu tun haben, bevor sie auf die Bühne gehen. Natürlich muss man sich dann auch ein bisschen auf die Leute einstellen, wenn man mit ihnen arbeitet. Die einen reden ohne Ende und versuchen so, mit ihrer Nervosität umzugehen, mit denen redet man ganz viel. Manche brauchen aber auch viel Ruhe, dann redet man eher gar nicht und fragt nur ab und zu mal, ob alles passt. Darauf muss man sich ein bisschen einstellen, das lernt man mit der Zeit.“

Figurinen (Kostüm-Entwürfe) für „Una cosa rara“
Die gute Menschenkenntnis hilft den Maskenbildnerinnen natürlich auch bei ihrer eigentlichen Arbeit. Viele der von Projekt zu Projekt meist wechselnden Kostümbildner verlassen sich deshalb auch auf Ute Schweitzer und ihr Team, wenn es darum geht, welche Ideen mit den Darstellern gut realisierbar sind. Manche beharren aber auch auf ihren ursprünglichen Entwürfen. „Man versucht eben, sich an den jeweiligen Charakter und die Vorgaben des Kostümbildners anzunähern. Weil wir die Darsteller teilweise schon sehr lange kennen, wissen wir manchmal schon im Voraus, dass es irgendwo ein Problem geben könnte oder etwas nicht funktioniert. Es gibt Ausstatter, die dafür empfänglich sind und sagen: ,Ja, in Ordnung, wenn ihr diese Erfahrung gemacht habt, dann überlegen wir uns was anderes‘, und manche müssen es dann doch erst mit eigenen Augen sehen. Es ist meistens doch so, dass wir Recht haben, was manchmal auch sehr traurig ist, weil da viel Arbeit drin steckt.“
Während einige Kostümbildner sehr konkrete Vorlagen in Form von „Figurinen“ an die Maske liefern, lassen andere den Maskenbildnerinnen viel Freiraum. Meistens aber habe der Kostümbildner zwar bestimmte Vorstellungen, bitte dann aber um Vorschläge für Detailfragen bei Frisuren und Make-up. „Wir statten gerade die Lucia aus, das ist unsere nächste Premiere. Dieser Kostümbildner hat uns nur gesagt, dass er keine blonden Töne mit drin haben möchte und hat uns die Zeitspanne vorgegeben.“ Mit dieser Art der Zusammenarbeit fühlt sich die Chef-Maskenbildnerin am wohlsten. So kann sie mit ihren Kolleginnen relativ frei an den Perücken arbeiten.

Justyna Czeslawa Kazmierczak bei der Arbeit an einer Perücke. Foto: Luisa Mergel
Gegenseitige Inspiration, also dass beispielsweise ein Kostümbildner auf Vorschläge oder Änderungen in der Maske auch im Kostüm-Design reagiert, seien aber sehr selten. „Tatsächlich arbeiten die Abteilungen erst einmal getrennt. Das Einzige, worüber man sich abstimmt, sind Dinge, bei denen man vielleicht in den Bereich des anderen eingreifen würde.“ Zum Beispiel bei Körperschminke, die auf die Kostüme abfärben könnte, oder umgekehrt bei Kostümen, die beim Umziehen heikel für Perücken oder Make-up sein könnten, sprechen sich die beiden Gewerke ab.
ntereinander inspirieren sich die Kolleginnen in der Maske aber sehr wohl. „Man kann oft sehr viel weiter kommen, wenn man sich ein wenig mit anderen austauscht. Man wird ja oft so ein bisschen betriebsblind. Wenn dann von außen nochmal eine neue Inspiration rein kommt, ist das hilfreich. Wir hatten das bei dem Schulprojekt von Justyna. Daran hat sie ganz lange allein gearbeitet und dann habe ich sie mal angestoßen, dass da noch ein bisschen mehr geht. Daraufhin ist sie in eine ganz neue Richtung gegangen, obwohl sie weiterhin selbstständig daran gearbeitet hat.“

Ute Schweitzer schminkt Mario Klein (Bass) für „Una cosa rara“. Foto: Luisa Mergel
Justyna Czeslawa Kazmierczak ist eine von zwei Auszubildenden in der Maske am Regensburger Theater. In Polen hatte sie bereits Kosmetologie studiert. Der Studiengang ähnelt der deutschen Kosmetiker-Ausbildung, vermittelt aber detaillierteres Hintergrundwissen beispielsweise zum Aufbau der Haut. „Als Kosmetikerin oder Kosmetologin macht man eben anderes Make-up als hier im Theater, zum Beispiel Hochzeits- oder Abend-Make-up. Hier muss man ein bisschen mutiger sein mit den Farben, mit Tiefen und Höhen. Das finde ich viel spannender. Es ist ein Make-up, das die Person verwandelt, die auf dem Stuhl sitzt. Da kann man seine Ideen ausleben, es ist viel Kreativität gefordert und es wird nie langweilig.“ Seit 15 Jahren gibt es nun in Deutschland die anerkannte Ausbildung zum „Maskenbildner“ mit theoretischer Ausbildung in der Berufsschule. Zu den Lehrinhalten zählen zum Beispiel Stilkunde, gerade im Hinblick auf Frisuren und Theatergeschichte. Als großer Vorteil bei der Bewerbung an den Theatern gilt eine abgeschlossene Friseur-Ausbildung, denn ein großer Teil der Maskenbildner-Arbeit dreht sich um Perücken und Eigenhaarfrisuren. Deshalb hat sich auch Kazmierczak, als sie nach Deutschland kam, zunächst zur Friseurin ausbilden lassen, bevor sie sich bundesweit für die Maskenbildner-Ausbildung bewarb.
Die Arbeit im Theaterbetrieb ist mit vielen Entbehrungen verbunden, gerade wenn man wie Kazmierczak so weit weg von zuhause ist. „Ich wusste, was auf mich zukommt, und es hat mir hier sofort gefallen, obwohl ich in Kauf nehmen muss, dass die Familie weit weg ist und man nicht so gut etwas mit Freunden unternehmen kann, weil man am Wochenende sehr lange arbeitet und Vorstellung hat, während andere Party machen. Aber es ist schön hier. Das Theater Regensburg ist sehr familiär und man fühlt sich hier wohl, die Kollegen sind sehr nett. Und das kompensiert das irgendwie schon.“
Als Ute Schweitzer in den Beruf einstieg, gab es die staatliche Ausbildung noch nicht. Sie absolvierte wie Kazmierczak eine Friseur-Lehre und wurde dann im Rahmen eines Volontariats am Theater in Wiesbaden ausgebildet. Nach zwei Jahren in Dortmund arbeitete sie lange Zeit in Heidelberg. Seit acht Jahren ist sie nun Chef-Maskenbildnerin in Regensburg. Sie sieht vor allem die veränderten Sehgewohnheiten des Publikums und die neue multimediale Präsenz der Theater als Herausforderung. „Wir müssen ja, wenn wir für die Bühne schminken, immer auch auf eine Fernwirkung achten. Das heißt, wir arbeiten teilweise mit sehr starken Hell-Dunkel-Effekten und versuchen, mit der Schminke sehr viel Plastizität reinzubringen. Das hält dann aber wiederum keiner Fotografie und keinem Video stand. Wenn man diese Video-Clips der Theater anguckt, die jetzt alle haben, denkt man sich, ,Ach guck mal, da steht ein Haar weg und da ist ja viel zu viel Lidschatten‘, denn man sieht natürlich alles, was es braucht an Intensität und manchmal auch Grobheit bei Frisuren und Make-up. Ich glaube, das ist jetzt die Herausforderung, da eine Balance zu finden, um beides zu bedienen.“
Luisa Mergel
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