|
Rezensionen
Eine Wagner-Blütenlese
Verbote in der Kunst. Positionen zur Freiheit der Künste von Wagner bis heute. Hrsg. von Katharina Wagner, Holger von Berg, Marie Luise Maintz. Bärenreiter Verlag. 189 S.
Stephan Mösch/Sven Friedrich:„Es gibt nichts Ewiges“. Wieland Wagner: Ästhetik, Zeitgeschichte, Wirkung. Königshausen und Neumann. 283 S.
Mischa Meier: Das Kunstwerk der Zukunft und die Antike. Konzeption, Kontexte, Wirkungen. Königshausen und Neumann, 383 S.
In Sachen Wagnerliteratur ist auch im 108. Jahr der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth kein Ende in Sicht, zumal Wagner und sein Werk bis heute Anlass sind, über Grenzen künstlerischer Freiheit, Provokation und Politik zu debattieren. Im Zentrum einer sehr beachtenswerten Fortsetzung und Dokumentation der letzten „Diskurs“-Veranstaltung der Bayreuther Festspiele steht die Frage des Denkverbots bei Wagner – und nicht nur bei ihm. Sie führt direkt zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten um „Verbote in der Kunst“. Hans Rudolf Vaget weist am Beispiel Otto Strobels und seiner im Dritten Reich gegründeten „Richard-Wagner-Forschungsstätte“, deren positivistische Leistungen er ausdrücklich hervorhebt, auf ein Frageverbot hin, das sich als Denkverbot „durch die Hintertüre“ eingeschlichen habe: Was Hitler mit Wagner zu tun habe. Sein Fazit:„Hitlers Wagner lässt sich nicht ausklammern; er ist auch unser Wagner, Bürde und Herausforderung zugleich.“ Darüber darf füglich gestritten werden.

Verbote in der Kunst. Positionen zur Freiheit der Künste von Wagner bis heute. Hrsg. von Katharina Wagner, Holger von Berg, Marie Luise Maintz. Bärenreiter Verlag. 189 S.
Über den Wagnerhorizont hinausschauend betrachtet der FDP-Politiker Gerhart Baum den Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als stete Herausforderung. Der habe sich – unserem Grundgesetz zufolge – dafür einzusetzen, dass die Kunst frei ist. Auch die unbequeme. Er fordert Protest gegen „noch seichtere Unterhaltung“ in Hörfunk und TV und plädiert für Mut und Risiko. Die Theaterwissenschaftlerin Thea Dorn schließt sich ihm an und wird noch deutlicher: Sie sieht keinerlei „Aussagekraft der vielbeschworenen Quote“ beim Rundfunk. Man könne zwar Quoten messen für irgendwelche Zwecke, doch von denen seien „keine Rückschlüsse zu ziehen darauf, was gesendet werden soll und was nicht“. Sie beklagt: „Die heutige Haltung ist, egal ob im Konzertsaal oder bei Lesern: ‚Versteh ich nicht. Ist kompliziert. Bäh, weg damit!‘ Das reicht tief in unser Bildungssystem hinein.“ Außerordentlich gebildet, ja brillant ist der Beitrag von Detlef Brandenburg. „Nie sollst Du mich befragen“, in dem er Wagners Frageverbot als „politische Zumutung“ entschlüsselt, als „Außerkraftsetzung einer ständischen Legitimation von Herrschaft“. Lohengrin ist für ihn „eine ästhetische Revolution auf zwei Beinen“. Aber nicht nur im Falle des Lohengrin, sondern auch im Falle der Losung „Hier gilt´s der Kunst“, die Wieland und Wolfgang Wagner im Neu-Bayreuth ausgaben, betont Brandenburg, dass die Absage an die Politik eben gerade vehement politisch ist, im Lohengrin wie im Bayreuth von 1951. „Hier gilt´s der Kunst“ ist für Brandenburg geradezu ein „vehement politisches Dekret“. Es ist „die rhetorische Inkarnation der Verdrängungs-Ideologie des werdenden Wirtschafts-Wunderlandes Bundesrepublik Deutschland“.
Die Widersprüche des Richard-Wagner-Enkels Wieland, der als bedeutender Reformer der Wagnerbühne gilt, werden in dem Band „Es gibt nichts Ewiges“ sehr differenziert dargestellt, diejenigen seiner Biografie, seines gesellschaftlichen Umfelds, seines Bühnenstils und seiner Wirkung. Wieland war dynastisch Auserwählter Hitlers und ästhetischer Bürgerschreck der Adenauer-Ära. In den acht Kapiteln, die auf dem Bayreuther Symposion anlässlich seines 100. Geburtstags 2017 basieren, wird der Weg vom Wagner Kult (der Nazis) zum kultischen Theater Neu-Bayreuths beschrieben, wird Wielands „Zwiespalt zwischen Innovation und Kontinuitäten“, aber auch die Metamorphosen seines Stils und „die disparate Rolle Bayreuths für die Politik der jungen Bundesrepublik“ unter Berücksichtigung neu erschlossener Quellen dargestellt. Ein hervorragendes Buch!

Mischa Meier: Das Kunstwerk der Zukunft und die Antike. Konzeption, Kontexte, Wirkungen. Königshausen und Neumann, 383 S.
Wer sich für Wieland Wagners Vater Siegfried interessiert, dem sei die Publikation des Königshausen & Neumann Verlages „Das Kunstwerk der Zukunft und die Antike“ empfohlen. Es macht klar, dass Wagners politisches Denken und seine utopische Kunst ohne den Rückgriff auf die griechische Antike nicht zu verstehen ist. Es darf da-ran erinnert werden, dass Wagner in seinem Aufsatz „Zukunftsmusik“ bekannte, dass er seine Idee des Festspiels „im Theater des alten Athen“ gefunden habe. An anderer Stelle schreibt er: „Wir können bei einigem Nachdenken in unserer Kunst keinen Schritt tun, ohne auf den Zusammenhang derselben mit der Kunst der Griechen zu treffen.“ Alles, was es zu diesem Thema zu sagen gibt, ist in Mischa Meiers glänzender Studie in wissenschaftlicher Gründlichkeit abgehandelt.
Dieter David Scholz
|