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Kulturpolitik

Die Macht der Berater

Drei Fragen an…
Gestellt von Andreas Kolb

„Kulturberatung“ lautete das Schwerpunktthema der „neuen musikzeitung (nmz)“ in der Ausgabe 12/17–01/18. Unter anderem wurden drei Kurzinterviews geführt, die wir an dieser Stelle mit freundlicher Genehmigung nachdrucken. Die „drei Fragen“ gingen an Peter Gartiser, Geschäftsführer der Metrum Strategie- und Managementberatung, die unter anderem in die Theaterreform in Mecklenburg-Vorpommern involviert war, an den stellvertretenden Geschäftsführer der VdO, Gerrit Wedel, sowie an Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung (DOV). Die Fragen stellte Andreas Kolb, Chefredakteur der nmz.

Peter Gartiser

Andreas Kolb: Sind Kulturberater nicht häufig verkappte Insolvenzverwalter/Sparkommissare?

Peter Gartiser: Die Kostensenkungsprogramme haben längst alle Orchester und Theater zum Teil schmerzhaft über sich ergehen lassen, da ist nicht mehr viel zu holen. Als „Insolvenzverwalter oder Sparkommissar“ spielen wir deshalb keine Rolle, schon gar nicht als „verkappte“. Und eine Insolvenzverwaltung setzt das Erklären der Zahlungsunfähigkeit vo-raus – da sind eher die Wirtschaftsprüfer gefordert.

Metrum will mit seiner Beratung Institutionen in die Lage versetzen, mehr Kunst machen zu können. Sich so zu organisieren, dass sie über mehr Eigeneinnahmen und Programm-Mittel verfügen. Nicht wenigen Institutionen sind durch zu hohe (fixe) Personal- und Betriebskosten die Hände gebunden, um anspruchsvolle Programme zu realisieren. Diese Programme sind die Kernleistung einer Kulturinstitution – das, was beim Publikum sichtbar (oder hörbar) wird.

Kolb: Was spricht für externe Kulturberater? Was spricht dagegen?

Gartiser: Externe Kulturberater können objektivieren und eine oft verfahrene Situation durch Daten- und Faktenerhebung auf eine neutrale Ausgangsbasis stellen. Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten diese Ausgangsbasis akzeptieren und zulassen, dass sie Grundlage von neuen Überlegungen wird. Externe Kulturberater können sich in den künstlerischen und wirtschaftlichen Betrieb hineindenken und Konflikte moderieren. Sie sollen neue Ansätze und Konzepte entwickeln und die Beteiligten dabei mitnehmen.

Gegen Kulturberater spricht, wenn sie sich instrumentalisieren lassen: als Werkzeug des Trägers oder eines egomanischen Intendanten. Gegen sie spricht auch, wenn sie Evaluierungen oberflächlich und fachlich ungeeignet durchführen und ihrer Verantwortung, letztendlich die Kultur zu stärken, nicht gerecht werden.

Kolb: Ist die Macht der Kulturberater nicht zu groß geworden? Muss nicht die Kulturpolitik wieder stärker eigene Kompetenzen entwickeln?

Gartiser: Die Macht der Kulturberater ist gering, weil sie keine Entscheidungen treffen. Sie sind Entscheidungs-Vorbereiter und schöpfen ihren Einfluss aus der Qualität ihrer Arbeit und Argumentation. Da in den Beratungs-Prozess gewöhnlich alle Interessengruppen – Träger, Intendanz, Gremien, Mitarbeiter und Personalrat – eingebunden sind, werden die Beratungsergebnisse entsprechend kritisch von allen Vertretern beäugt. Dabei kann man es nicht immer allen recht machen, aber ein kluger Kulturberater weiß, dass seine Projektergebnisse der Institution insgesamt dienen müssen. Diese Haltung ist die einzige Macht, die er hat, und sie rechtfertigt auch seinen Einsatz.

Die Kulturpolitik – oder besser: die Kulturverwaltung – führt und kontrolliert ihre Institutionen enger als in den vergangenen Dekaden, weil sie zunehmend unter den Rechtfertigungsdruck gerät, ihre Ausgaben vor der breiten Öffentlichkeit zu vertreten. Heute setzt sie schwerpunktmäßig zwei Kompetenzen ein: die Budgetkontrolle und die Besetzung von (künstlerischen) Schlüsselpositionen. Sie könnte in weitere Kompetenzfelder investieren: in innovatives Kosten-Leistungs-Controlling, modernes Führungs- und Organisations-Wissen, Prozessoptimierung betrieblicher Abläufe, Vermarktung, Public Relations, Ticketing, Pricing, Kundenbindungs-Systeme, IT und Big Data, Fundraising, Sponsoring, Recruiting und strategisches Knowhow. Die Orchester und Theater würden sich freuen, denn da liegt in Zukunft der Bedarf.

Gerrit Wedel

Kolb: Sind Kulturberater nicht häufig verkappte Insolvenzverwalter/Sparkommissare?

Gerrit Wedel: Tendenziell ja, denn die Problematik ist, dass die Kulturberater naturgegebenermaßen auch immer nur unter den Vorgaben ihrer Auftraggeber ihre Beratungen entwickeln können. Dementsprechend richtet sich deren Expertise in der Regel nicht in erster Linie nach den kulturell-inhaltlichen Erfordernissen und den hierfür erforderlichen Infrastrukturen, sondern maßgeblich nur nach den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und innerhalb derer nach der entsprechenden Machbarkeit: ein in einem derart personalintensiven Feld wie dem Theater schlicht unlösbares Ei des Kolumbus. Mit weniger kann man in der Kultur eben nicht mehr herausbekommen, wenn wirtschaftlich nach über 20 Jahren bereits alles ausgepresst ist…

Kolb: Was spricht für externe Kulturberater? Was spricht dagegen?

Wedel: Theoretisch dafür spräche die Unabhängigkeit externer Berater, praktisch fehlt es jedoch häufig an dem tatsächlichen Bezug zu dem jeweiligen Umfeld. Dies aber – insbesondere im Hinblick auf die Öffentlichkeit und das tatsächliche Publikum – ist umso wichtiger. Dies wurde vor allem in der TOG (Theater- und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz) nahezu komplett ausgeblendet, beziehungsweise es haben entsprechende Initiativen kein oder ein nur verschwindend geringes Gehör gefunden. Insbesondere aber sind die Expertenmeinungen der Beschäftigten und deren Vertreter (vor allem der Gewerkschaften) trotz aller offenliegenden Probleme mit ihren Bedenken geradezu missachtet worden. Hier fehlen externen Beratern häufig die direkte Kommunikation und ein Gefühl der individuellen Bedürfnisse.

Kolb: Ist die Macht der Kulturberater nicht zu groß geworden? Muss nicht die Kulturpolitik wieder stärker eigene Kompetenzen entwickeln?

Wedel: Die Frage ist vielmehr, ob die Kulturpolitik nicht den Kulturberatern zu viel „Macht“ eingeräumt hat. Dass die Kulturpolitik aber eigene Kompetenzen entwickeln muss, steht außer Frage, sie sind schließlich die am Ende Verantwortlichen, was meines Erachtens in diesem Kontext häufig außer Acht gerät. Die Verantwortung darf nicht weiter ver- beziehungsweise abgeschoben werden.

Gerald Mertens

Kolb: Sind Kulturberater nicht häufig verkappte Insolvenzverwalter?

Gerald Mertens: Insbesondere in den 1990er-Jahren konnte man in der Tat den Eindruck gewinnen, dass Kulturberatungsunternehmen von der öffentlichen Hand als Abwicklungshelfer gerufen wurden. Dies war vor allen Dingen in den östlichen Bundesländern der Fall, wo eine oftmals noch unerfahrene öffentliche Verwaltung auch dem einen oder anderen Scharlatan aufgesessen war. In den letzten 15 Jahren jedoch hat sich die Spreu vom Weizen getrennt. Die größeren Beratungsunternehmen im Kulturbereich arbeiten zumindest qualitativ so, dass man mit ihren Empfehlungen in der Regel etwas anfangen kann, wenn man auch nicht immer ihrer Meinung sein muss. Auch hier gilt es natürlich, im Einzelfall genau hinzuschauen und sich als öffentliche Verwaltung, als politisches Entscheidungsgremium, als Interessenverband oder als Kultur-
einrichtung nicht ein X für ein U vormachen zu lassen.

Wenn ein Kulturberatungsunternehmen suboptimale Ergebnisse abliefert, die den relativ hohen finanziellen Aufwand am Ende nicht rechtfertigen, spricht sich das in der Szene in der Regel sehr schnell herum. Auch das führt am Ende zu einer gewissen Marktbereinigung.

Kolb: Was spricht für externe Kulturberatung? Was dagegen?

Mertens: Für die Beauftragung einer externen Kulturberatungsfirma spricht, dass diese in der Regel bereits Erfahrungen für Strukturanalysen aus anderen Orten/Bundesländern mitbringt, die der Auftraggeber, beispielsweise eine Stadtverwaltung oder ein Ministerium, so naturgemäß nicht haben kann. Gegen die Beauftragung Externer spricht häufig der Umstand, dass die Beschäftigten innerhalb eines Kulturbetriebes in der Regel sehr wohl wissen, wo es Defizite und Verbesserungspotenziale gibt. Da Kulturbetriebe aber meistens stark von künstlerischen Führungspersonen geprägt sind, die ihr eigenes Leitungspersonal mitbringen, wird das kritische Wissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel zu selten abgefragt. Würde dies durch die im Hintergrund verantwortliche öffentliche Kulturverwaltung besser gesteuert werden, würde sich mancher Gutachtenauftrag erledigen. Ist diese Bereitschaft beziehungsweise dieses Know-how in der öffentlichen Kulturverwaltung nicht vorhanden, liegt es nahe, externe Berater anzufragen.

Noch komplexer sind die Verhältnisse, wenn es um mehrere Kulturbetriebe, zum Beispiel innerhalb eines Bundeslandes, geht, da hier dann auch oftmals widerstreitende kommunal- und landespolitische Interessen sowie ganz massiv finanzielle Interessen (innerhalb öffentlicher Haushalte) eine wesentliche Rolle spielen. Um hier als Entscheider eine halbwegs objektive Beurteilung verschiedener Handlungsszenarien zu erhalten, kann der Einsatz externer Beratungsunternehmen sinnvoll sein.

Die Frage ist aber immer, ob es einen ernsthaften Willen der öffentlichen Hand zur sachgerechten und zukunftsfähigen Gestaltung kultureller Angebote gibt oder ob das externe Beratungsunternehmen letztlich dazu „missbraucht“ werden soll, Kürzungen und Einschnitte zu legitimieren. Hier stellen sich dann auch moralische Fragen, die jedes Beratungsunternehmen vor Annahme eines Auftrages – und sei er auch noch so lukrativ – für sich beantworten muss. Einen wirklich guten Job macht die externe Kulturberatung dann, wenn es ihr gelingt, ein finanziell, organisatorisch oder künstlerisch angeschlagenes Unternehmen durch ihre Beratungsleistung auf Kurs zu bringen und zukunftsfest aufzustellen. Auch hierfür gibt es einige Beispiele.

Kolb: Ist die Macht der Kulturberater nicht zu groß geworden?

Mertens: Kulturberater haben immer nur so viel „Macht“ wie sie ihnen vom Auftraggeber verliehen wird. Ein seriös arbeitendes Kulturberatungsunternehmen wird seinem Auftraggeber immer nur Handlungsalternativen und -szenarien aufzeigen, über die dieser dann autonom entscheiden muss. Die Frage bleibt allerdings immer, wie ehrlich und ergebnisoffen hier agiert wird. Bei vielen Aufträgen in der Vergangenheit war es so, dass letztlich Kürzungen der öffentlichen Hand durch entsprechende Gutachtenaufträge kaschiert werden sollten. Wenn es aber nicht um Kürzungen, sondern um Optimierung von Betriebsabläufen und Qualitätsentwicklung eines kulturellen Angebots geht (Verbesserung des Ressourceneinsatzes, Stabilisierung des Abonnementpublikums, Profil- und Markenentwicklung sowie Marketing), dann können externe Berater und Fachleute wesentliche Hilfestellungen geben. Diese besonderen Kompetenzen kann eine öffentliche Kulturverwaltung mit ihrer aktuellen Personalausstattung nicht ständig vorhalten.

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