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Und was jetzt?

Die Stiftung Tanz – Transition Zentrum Deutschland feiert fünfjähriges Jubiläum

Wenn eine Institution ihren fünften Geburtstag feiert, ist das noch kein Anlass für Jubelstürme. Wenn aber in diesen fünf Jahren viel entwickelt und erreicht wurde, wenn es gelungen ist, auf Themen und Fragen aufmerksam zu machen, die zuvor kaum Beachtung fanden, und Menschen in ihrer Lebensgestaltung zu unterstützen, dann lohnt sich auch nach fünf Jahren schon ein Rückblick. Die Stiftung Tanz – Transition Zentrum Deutschland kümmert sich seit dem Jahr 2010 um Fragen rund um den Übergang, der für Profi-Tänzerinnen und Tänzer zwangsläufig ansteht, wenn sie ihre Tanzkarriere beenden.

Wer sich für den Tänzerberuf entscheidet, muss früh anfangen. Weder das Streben nach einer gesicherten Berufslaufbahn noch nach finanziellem Reichtum dürfte bei diesen Menschen Motor für ihre Berufswahl sein. In der Regel ist es die Leidenschaft für das Tanzen, gepaart mit einer besonderen Begabung und der Bereitschaft, diszipliniert zu arbeiten und auf vieles zu verzichten, die Menschen dazu veranlasst, diese Karriere zu wählen. Wer denkt dann schon mit 16 oder 17 Jahren an das „Ende“? Wer hat im Kopf, dass dieses Karriere-Ende bei Tänzern sehr viel früher ansteht als bei fast allen anderen Menschen? Wenn es dann kommt, stehen viele vor der Frage: Was jetzt?

Sabrina Sadowska. Foto: Gunnar Luesch

Sabrina Sadowska. Foto: Gunnar Luesch

In dieser Situation Hilfestellung zu leisten hat sich die Stiftung Tanz – Transition Zentrum Deutschland zur Aufgabe gemacht. „Inka Atassi und ich haben vor fünf Jahren die Stiftung gegründet, weil wir immer wieder feststellten, dass Tänzer nicht unbedingt eine neue Orientierung haben, wenn sie ihre Karriere beenden. Viele verzweifeln auch an dem bürokratischen Dschungel, mit dem sie davor nie etwas zu tun hatten“, erklärt Sabrina Sadowska, die Vorstandsvorsitzende der Stiftung. Ziel war es, in Berlin eine Geschäftsstelle zu etablieren, an die sich Tänzer in jedem Stadium – Ausbildung, aktive Berufszeit oder Karriereende – wenden können, um über ihre Zukunft, ihre Pläne und Ideen zu reden. Um herauszufinden: Was kann ich? Welche Möglichkeiten habe ich? Was bringe ich mit? Im August 2010 wurde die Geschäftsstelle in Betrieb genommen. Mit Heike Scharpff konnte eine Psychologin eingestellt werden, die auch Erfahrungen aus dem Regiebereich mitbringt. Sie berät die Tänzer, bietet Coachings an und begleitet sie bis ans Ende der Transition. Sie hilft dabei, bürokratische Hürden zu überwinden, zum Beispiel bei Problemen mit dem Arbeitsamt. Die Stiftung hilft auch, wenn Tänzer in anderen Städten als Berlin ein Coaching brauchen und übernimmt dann 90 Prozent der Kosten. Außerdem konnten bisher etwas mehr als 90.000 Euro für Stipendien verteilt werden – für ein Studium oder eine Weiterbildung. Voraussetzung: Die Tänzer müssen nachweisen, dass sie bedürftig sind.

Heike Scharpff besucht außerdem regelmäßig die Compagnien. Von den über 40 Tanzcompagnien in Deutschland betreut sie jährlich 8 bis 9, hält Vorträge und bietet anschließend Einzelberatungen an. Das können feste Compagnien ebenso sein wie Tanzhäuser der Freien Szene. Besonders dort, wo der Wechsel des Ballettdirektors ansteht, sind solche Angebote gefragt. „Oft werden wir angefragt, manchmal bieten wir auch unsere Beratung an“, erklärt Sabrina Sadowska.

Lotsenfunktion

Vier Mal im Jahr führt die Stiftung ein- oder zweitägige Workshops durch, verteilt in der Republik. Hier haben Tänzer die Chance, gemeinsam über Transition zu reflektieren und sich zu informieren. In Berlin gibt es einen jour fix: Tänzer, die in Transition sind, besprechen dort ihre aktuelle Situation und tauschen Erfahrungen aus. „Und wir sind so etwas wie ein Lotse“, sagt Sadowska. „Wir verbinden alle Institutionen, die mit Transition zu tun haben, stellen Verbindungen her, treten an die entsprechenden Stellen heran, um für Tänzer Klärungen zu erwirken.“ Gute Kontakte gibt es zum Beispiel zur Arbeitsagentur, zur Tanzmedizin in der Charité, zur Unfallkasse, zur KSK, zur VddB und zu den Berufsgewerkschaften, aber auch in die Politik hinein, sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene. Immer geht es darum, gute Rahmenbedingungen auszuhandeln und Informationen über anstehende Änderungen zu erhalten, um dann auch wieder die Tänzer beraten zu können. Diese nehmen das Angebot der Stiftung gut an. Inzwischen konnten mehr als 600 Tänzerinnen und Tänzer begleitet werden.

Welche beruflichen Möglichkeiten bieten sich den Tänzern? Das Spektrum hat sich enorm erweitert. Früher blieben sie häufig im Theater: als Masken- oder Kostümbildner, im Sekretariat oder in der Technik. „Aber in den Theatern gibt es ja auch immer weniger Jobs“, weiß Sabrina Sadowska… Sehr beliebt sind inzwischen medizinische Berufe: Pilates- und Yoga-Trainer, Gyrotonic, Physiotherapie, Heilpraktiker, Ostheopathie, Logopädie oder Altenpflege. Einige Tänzer wenden sich dem Lehrerberuf zu, ob als Tanzpädagogen, Grundschul- oder Waldorflehrer. Mehr und mehr Tänzer haben heute das Abitur, so dass viele sich auch für ein Studium entscheiden. Oder sie gehen in die IT-Branche und lassen sich zum Programmierer umschulen. „Das sind einzigartige Karrieren und Persönlichkeiten, und dafür suchen wir auch individuelle Lösungen“, erklärt die Stiftungsvorsitzende. Ähnliches gilt für die Frage, zu welchem Zeitpunkt Tänzer anfangen, über die „Karriere danach“ nachzudenken. Es gibt durchaus solche, die zum Beispiel Phasen, in denen sie weniger proben müssen, oder sogar krankheitsbedingte Zwangs-Pausen dazu nutzen, sich fortzubilden oder auch ein Fernstudium zu beginnen. Solche Aktivitäten unterstützt die Stiftung intensiv. Andere sind während ihrer aktiven Zeit so konzentriert auf den Tanz, dass sie erst zum Abschluss der Laufbahn anfangen, die Zukunft zu planen.

Von den Häusern selbst werden die Ziele der Stiftung sehr unterstützt, berichtet Sadowska, die im Hauptberuf Ballettbetriebsdirektorin und erste Ballettmeisterin an den Städtischen Theatern Chemnitz ist. „Es ist ja für uns Direktoren auch nicht leicht, einem Tänzer zu sagen: Tut uns leid, du kannst nicht mehr mithalten. Wir sind doch dazu angehalten, sie zu unterstützen.“

Geburtstagsaktionen für die Stiftung

Finanziell hat sich die Stiftung gut entwickelt: Mit einem Startkapital von 50.000 Euro für den Stiftungsstock ging es los. Dazu kamen 43.000 Euro Fördermittel im Zuge von Tanzplan Deutschland. Inzwischen beträgt das Stiftungsvermögen 1,2 Millionen. Die Fundraising-Aktivitäten der Stiftung wurden von vielen Compagnien durch Benefiz-Aktionen unterstützt. Sadowska: „Wir haben immer gesagt: Wir brauchen am Anfang Starthilfe vom Bund und von den Ländern. Das war auch eine der Empfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“. Nachdem der Tanzplan Deutschland ausgelaufen war, gab es zwei Jahre lang Förderung durch den Kulturstaatsminister. Inzwischen beteiligen sich acht Bundesländer mit insgesamt 75.000 Euro jährlich an der Förderung. Drei weitere Bundesländer veranstalten regelmäßig Einzelaktionen. Auf diese Weise können Projektkosten und Gehälter bezahlt werden, das Fund-
raising sorgt dafür, dass Stipendien vergeben werden können. Das fünfjährige Bestehen soll im Übrigen mit monatlichen Geburtstagsaktionen der Compagnien gefeiert werden. Es beginnt mit der Tanzwerkstatt von John Neumeier (der auch Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung ist) im Januar, es folgen Benefiz-Aktionen des Friedrichstadtpalastes und des Stuttgarter Balletts.

Das Schöne sei, dass das Thema auf der kulturpolitischen Ebene angekommen sei, erklärt Sabrina Sadowska. „Das war vor ein paar Jahren nicht so.“ Und sie fügt hinzu: „Das größte Gut, das Deutschland im Bereich der Kulturförderung hat, ist doch die Ausbildung. Wir haben sehr viele sehr gute Ausbildungsstätten. Da hat sich in den letzten Jahren viel entwickelt – bis dahin, dass der Tanzberuf inzwischen ein akademischer Beruf ist. Das ist eine Investition in den Menschen, und es wäre schade, wenn diese Investition hinterher in 1-Euro-Jobs verfällt. Dafür braucht es eine Brücke, und so versteht sich die Stiftung: als Brücke, die man bauen muss, damit die Tänzer sicher auf die andere Seite kommen.“

Barbara Haack

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