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Berichte

Stimmgewaltige Leidenschaft

Hans Neuenfels‘ „Manon Lescaut“ an der Bayerischen Staatsoper

Stolz kann sie sein, die Bayerische Staatsoper, wurde sie doch jüngst in der alljährlich stattfindenden Kritikerumfrage zum „Opernhaus des Jahres“ 2014 gewählt. Und da traf es sich gut, dass die zweite Premiere der Saison 2014/2015 etwas ganz Besonderes zu werden versprach. In der Inszenierung des intellektuellen Regie-Altmeisters Hans Neuenfels sollten das Sänger-Traumpaar Anna Netrebko und Jonas Kaufmann mit Puccinis „Manon Lescaut“ musikalische Gipfel erklimmen.

Kristine Opolais, Jonas Kaufmann und der Chor der Bayerischen Staatsoper. Foto: Wilfried Hösl

Kristine Opolais, Jonas Kaufmann und der Chor der Bayerischen Staatsoper. Foto: Wilfried Hösl

Zwei Wochen vor der Premiere sagte Anna Netrebko wegen „unterschiedlicher Auffassung“ ab, und all die Glamour-Promis sahen sich um ihre Celebrity-Veranstaltung betrogen. Die Musikfreunde unter den Opernbesuchern horchten jedoch auf, als mit der lettischen Sopranistin Kristine Opolais eine Sängerin in der Rolle der Manon präsentiert werden konnte, die nicht nur als Einspringerin – jüngst an der Met in Puccinis Butterfly –, sondern auch in München in der Rolle als Rusalka große Erfolge erzielen konnte.

„Manon Lescaut“ war Giacomo Puccinis erster großer Bühnenerfolg, auf den „La Bohème“, „Tosca“ und „Madama Butterfly“ folgten, es ist jedoch auch ein Werk mit einer eigenartig sprunghaften Dramaturgie. Bis zur Fertigstellung der Partitur waren insgesamt sieben Textautoren – unter anderem Puccini selbst und sein Verleger Giulio Ricordi – beteiligt. Die vier Bilder der Oper sind durch große Orts- und Zeitwechsel geprägt und verweigern sich so einem erzählerischen Zugang.

Diesen sucht Neuenfels erst gar nicht, sondern versteht das Werk als eine beispielhafte Moritat im Stile Hogarths, als Vorläufer von Strawinskys „The Rake‘s Progress“. Mit seinen Ausstattern (Bühne Stefan Mayer und Kostüme Andrea Schmidt-Futterer) entführt er die Zuschauer in eine schwarze Guckkastenbühne mit spärlichen Requisiten, und die Kostüme kleiden die Protagonisten im Stile des 18. Jahrhunderts, während der Chor an die Bayreuther Lohengrin-Ratten erinnert.

Ein Déjà-vu an die Anfänge der Nachkriegsregie mit ihrer kargen Ausstattung und präzisen Personenführung stellt sich allenthalben ein. Das kommt vor allem den Sängern zugute, die das Exemplarische ihrer Rollen mehr und mehr ausspielen können. Diesen Gestus verdeutlicht Neuenfels, wenn er mit eigenen Zwischentexten die innersten Gedanken von Manon und Des Grieux ausspricht und so die Rollen entpersonalisiert und aktualisiert.

Mit Jonas Kaufmann (Des Grieux) und Kristine Opolais (Manon) stehen zwei moderne Sängerpersönlichkeiten auf der Bühne, die dem psychologischen Ansatz der Regie auf ideale Weise entgegenkommen. Diese Manon ist mehr burschikos als sinnlich. Und dies zeigt sich vor allem im letzten Bild, wenn Kaufmann und Opolais auf der leeren schwarzen Bühne in schwarzen Anzügen das Ende in der Wüste als existentialistisches Bühnenspiel deuten. Da wird nichts romantisiert oder schön gezeichnet; die Darsteller gewinnen ihre Kraft nur aus sich selbst und ihrer stimmgewaltigen Leidenschaft.

Bis dahin hat sich der Sopran von Kristina Opolais enorm freigesungen und kann mit dem strahlenden Tenor eines Jonas Kaufmann Zeit und Raum vergessen lassen. Mit der Rolle des Des Grieux ist Kaufmann an einem Zenit angelangt, der das Publikum frenetisch erschauern lässt. Neben Markus Eiche (Lescaut) und Roland Bracht (Geronte) ist der Chor der Bayerischen Staatsoper wieder einmal der Garant für musikalische Höchstleistung, dem es auch gelingt, das oftmals zu laut aufspielende Orchester unter seinem allzu hitzigen Dirigenten Alain Altinoglu in seine Schranken zu weisen.

Christian Kröber

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