Publikumsliebling »Rosenkavalier«
Strauss in Altenburg und Weimar
Von Tatjana Böhme-Mehner
Die schwarze Totengondel zieht langsam vorbei. Schaurig schön zieht sie die Gedanken in eine finstere Welt. Das Leben im Totenschrein: Schwarz, düster und dennoch edel ist jene Gruft, in der die Feldmarschallin nächtigt. Kein Wunder, dass der junge Geliebte, von dem sie träumt, ein Todesengel ist. Prunkvoll und assoziativ ist die Ausstattung (Bühne: Vinzenz Gertler; Kostüme: Gabriele Jaenecke), die in der Produktion von Theater & Philharmonie Thüringen ein breites Publikum begeistern muss. Das Strauss-Jahr zieht auch in Altenburg seine Kreise. Und mit einem überaus geschlossenen Gesamteindruck waren die Macher über jeden Vorab geäußerten Zweifel angesichts der Größe der Aufgabe erhaben.
Es gibt viele Gründe, warum Richard Strauss – nachdem er mit „Elektra“ und „Salome“ die Grenzen der Gattung Oper aufs Äußerste ausgereizt hatte – mit dem „Rosenkavalier“ so ein nettes und eingängiges Werk schrieb. Noch mehr Gründe gibt es wohl dafür, warum das Werk vermutlich die beim Publikum beliebteste Oper des Komponisten ist. Die einen mögen mit den anderen in Verbindung stehen. Die in jeder Hinsicht versöhnliche Grundhaltung ist wohl die zentrale Schnittmenge. Und weil das so ist, ist wohl – egal wie präsentiert – „Der Rosenkavalier“ ein Garant für volle Häuser. Insofern dürfte es auch relativ folgenlos in Sachen Besucherzustrom bleiben, wenn in Thüringen neben Meiningen und Altenburg nun auch Weimar die Ausnahmeoper im Repertoire hat.
Rosenkavalier in Altenburg: Ahiko Tsujii als Sophie, Amina Elmadfa als Octavian, Damen und Herren des Opernchores. Foto: Stephan Walzl
Die Premiere am DNT, knapp vier Wochen nach jener in Altenburg, ist vor allem ein Triumpf der Musik. Chefdirigent Stefan Solyom gestaltet am Pult der Staatskapelle Weimar einen kraftvollen und deftigen Strauss. Wunderbare Streicherpassagen und ein himmlisches Konzertmeister-Solo am Ende des ersten Aktes sprechen für sich.
Eine Mammutaufgabe ist das Werk für jedes Ensemble, egal welcher Größe und Leistungsklasse. In Weimar wird die Anstrengung vor allem im ersten Akt spürbar, danach hat sich ein außerordentliches Solistenensemble offenbar freigesungen. Keine musikalischen Ausfälle auch in den mittleren und kleineren Partien. Wie auch in Altenburg legt der Opernchor in Weimar eine solide Leistung vor.
Vera Nemirova hat die Geschichte weitgehend vom Blatt inszeniert und mit ein paar vordergründigen Provokationen gebrochen. Am konsequentesten ist die Weimarer Inszenierung in der Entwicklung von Distanz, der Vermeidung von Zuschauersympathien für die Handelnden. Ausstatter Tom Musch entwirft im weiteren Sinne eine Welt um die Entstehungszeit des Werkes herum, weder detailgenau noch konsequent, dabei allerdings opulent. Das Bühnenrund spielt mit dem Gedanken von Ein- und Durchblicken, von Voyeurismus und Verstecken.
Maximilian von Mayenburg entwickelt in Altenburg seine Konzeption stringent aus der Partitur und aus der Ideen- und Geisteswelt jenes Fin de Siècle heraus, in der Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal ihr Musiktheater schrieben, und schafft dennoch eine absolut neue und zeitgemäße Sicht auf die scheinbar so leichte Geschichte. Das Wechselspiel zwischen Werden und Vergehen ist das große Thema – es ist die eigene Endlichkeit und die Angst davor, an der die Helden ausnahmslos scheitern. Die Gleichzeitigkeit von Todesfurcht und Todessehnsucht treibt sie voran und lässt sie auf der Stelle treten.
Mit recht kleiner Strauss-Besetzung im gemütlichen Altenburger Theatersaal bricht GMD Laurent Wagner quasi gezwungenermaßen, aber dennoch überzeugend eine Lanze für einen schlanken und filigranen Orchesterklang, nuancen- und facettenreich und zumeist recht ausgewogen. Und für ein überwiegend sehr junges Ensemble mag die Not eine Tugend sein. Anne Preuß als Marschallin überrascht mit einer außerordentlich reifen Gestaltung dieser Partie – satt und schön und dennoch schlank geführt, bleibt bei dieser Stimme nichts zu wünschen. Als höhensichere Sophie begeistert Akiho Tsujii ihr Publikum. Dass sie als Erscheinung – genau wie neben ihr Amira Elmadfa als Octavian – quasi eine Idealbesetzung für diese Partie ist, muss das Premierenpublikum zum Rasen bringen. Bei der jungen Mezzosopranistin in der Mammut-Titelpartie verzeiht man sogar die eine oder andere angestrengte Passage in der Tiefe. Mit brillanter Tiefe punktet hingegen Tobias Pfülb als Ochs.
„Der Rosenkavalier“ siegt hier wie dort gemessen an den jeweiligen Ansprüchen.
Tatjana Böhme-Mehner |