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Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Theater und Urheberrecht
Auf seiner Jahreshauptversammlung hat der Deutsche Bühnenverein u. a. eine Resolution zur aktuellen Debatte um das Urheberrecht verabschiedet. Wie für einen Verband von Kultur-Institutionen nicht verwunderlich, beginnt diese Resolution mit einem klaren grundsätzlichen Bekenntnis zu einem umfassenden Schutz künstlerischen Schaffens. Anschließend wird jedoch ein fünf Punkte umfassender Forderungskatalog vorgestellt, der – bei allem Verständnis dafür, dass die Theater sich auch in den modernen Medien angemessen präsentieren und ihre Produktionen auch über längere Zeiträume der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen und sollen – die Grundstrukturen des geltenden Tarif- und Urheberrechts über Gebühr strapaziert:
So wird gefordert, Ausschnitte aus Aufzeichnungen der Produktionen nicht nur zu theatereigenen Werbezwecken (dies ist beispielsweise gemäß § 8 Abs. 2 NV Bühne für dessen Geltungsbereich ebenso gewährleistet wie gemäß Abs. 3 die ebenfalls geforderte Übertragung von Aufführungen durch Bildschirme und Lautsprecher), sondern auch durch Dritte – etwa einzelne Mitwirkende oder Urheber und Verlage der aufgeführten Werke – kostenfrei nutzen lassen zu können. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass Rechte anderer Beteiligter unangemessen beeinträchtigt werden. In der Gestattung drittrechtefreier Nutzungen sind die Theater aber ohnehin frei.
Wo tanzen sie zukünftig? Nur noch in Düsseldorf, auch in Köln – oder doch wieder in Duisburg? Die hochgelobte Düsseldorfer Ballettcompagnie. Foto: Gert Weigelt
Auch die Forderung, vollständige Aufführungen kostenlos in „nichtkommerziellen“ Mediatheken, auch außerhalb der Websites der Theater, öffentlich zugänglich machen zu können, schießt weit über das Ziel hinaus – und ist insoweit ein Eigentor, als damit die Möglichkeit kommerzieller, für alle Beteilig-ten gewinnbringender Auswertung massiv beeinträchtigt werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch die Feststellung des DBV, die Nutzungen seien gegenüber den beteiligten Personen durch die Vergütung im Rahmen der Primärleistung der Aufführung angemessen abgegolten, nicht sonderlich hilfreich, wenn man etwa bedenkt, dass die Mindestgage für Solisten gerade einmal 1.600 Euro im Monat beträgt.
Völlig an der rechtlichen und wirtschaftlichen Systematik vorbei geht schließlich die Forderung nach einer gesetzlichen Zwangslizenz zur kommerziellen Nutzung von Aufführungen durch die Theater oder – von diesen autorisiert – durch Dritte, etwa als CD oder DVD. Das Urheberrecht ist in seinen wirtschaftlichen Wertungen Teil des Privatrechts, das durch den Grundsatz der Vertragsfreiheit bestimmt wird. Nur ganz überragende Belange des Gemeinwohls, die anders nicht zu wahren wären, können Eingriffe in diese Grundstruktur legitimieren. Diese sind aber in der Forderung der Theater nach Vermarktung ebenso wenig zu finden wie zum Beispiel in einem etwa vergleichbaren Ansinnen der Rundfunkanstalten, ihre Eigen- und Auftragsproduktionen qua Gesetz als CD oder DVD kommerziell zu vermarkten. Hier funktionieren – jedenfalls im Prinzip – seit Jahrzehnten eingespielte Marktmechanismen, die durch einen derartigen gesetzlichen Eingriff insbesondere zu Lasten der Urheber und ausübenden Künstler aus ihrem empfindlichen Gleichgewicht gerissen würden.
Jedenfalls im Bereich des NV Bühne sind kos-tenfreie theatereigene Nutzungen von Werken und Darbietungen bereits heute großzügig gestattet. Von den übertragenen Rechten ist nur das zur rundfunkmäßigen – und damit gewerblichen – Nutzung vergütungspflichtig. Diese Vergütung wird jedoch von den Rundfunkanstalten (, die z. B. für Sportrechte immer gerne mit leichter Hand dreistellige Millionensummen bereitstellen,) in völliger Missachtung ihrer kulturpolitischen Verantwortung gegenüber den Theatern und in Folge dessen von den Theatern gegenüber ihren Mitwirkenden immer mehr unter das dem Urheberrecht als Grundprinzip zugrundeliegende angemessene Niveau gedrückt. Äußerungen hierzu fehlen in der Resolution ebenso wie etwa die längst überfällige Forderung, Regisseuren für ihre Inszenierungen analog den Choreographen in § 2 UrhG ein Urheberrecht – und nicht nur das eigentlich auf ausübende Künstler zugeschnittene Leistungsschutzrecht – einzuräumen.
Das Urheberrecht ist heute wichtiger denn je. Umso problematischer ist es, durch Forderungen nach einseitigen Privilegien das ohnehin gefährdete Funktionsgefüge weiter zu destabilisieren. Dem Gesetz können keine Sonderregelungen für einzelne Nutzungsbedürfnisse abverlangt werden. Diese müssen vielmehr durch vertragliche und tarifvertragliche Regelungen sowie eine Einbeziehung von Verwertungsgesellschaften für Rechte, deren Einzelbeschaffung adminis-trativ zu aufwendig wäre, befriedigt werden.
Opernehe Düsseldorf-Duisburg gerettet?
Der vom Kulturdezernenten Karl Janssen geforderte Ausstieg Duisburgs aus der Deutschen Oper am Rhein, dem einzigen von der 0,5-Millionen-Einwohner-Stadt mitgetragenen Theater (s. O&T 3/2012, Editorial), hat erfreulicherweise im Rat keine Mehrheit gefunden. Es soll jedoch der Vertrag mit Düsseldorf neu verhandelt und dabei möglicherweise auf eine Beteiligung Duisburgs an dem renommierten Ballett verzichtet werden. Hierzu wird der Rat voraussichtlich auf seiner Sitzung am 25.06.2012 auf eine Verlängerung der eigentlich am 31.07.2012 auslaufenden Kündigungsfrist um 3 Monate hinwirken. Dies wäre für die Duisburger Bürger bedauerlich, für die Duisburger Politik beschämend, aber nicht das Ende dieses international anerkannten Tanzensembles. Verschiedene Möglichkeiten stehen zur Wahl, von einem Einstieg des Landes bis hin zu einer Neuorientierung in Richtung Köln, das seit Jahren über kein eigenes Tanztheater mehr verfügt. Ob dort allerdings in Anbetracht der völlig verfahrenen Situation der Oper die notwendige Handlungsfähigkeit besteht, kann bezweifelt werden. Zeit ist somit gefordert, und es ist zu hoffen, dass Düsseldorf sich auf eine Verlängerung der Kündigungsfrist einlässt, um konstruktive und langfristig tragfähige Alternativen ohne Zeitdruck entwickeln zu können. |