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Kinderoper ernst genommen
Pierangelo Valtinonis „Schneekönigin“ · Von
Barbara Haack
Für eine Kinderoper waren bemerkenswert wenige Kinder im
Publikum – bei der Uraufführung der „Schneekönigin“ von
Pierangelo Valtinoni in der Komischen Oper in Berlin. Auf der Bühne
dagegen spielen die Kinder eine Hauptrolle: In der eigentlichen
Geschichte von Kay und Gerda (diese gespielt und gesungen von den „Profis“ Matthias Siddhartha
Otto und Anna Borchers), vor allem aber auch in Gestalt des Kinderchors
der Komischen Oper Berlin. In fast jeder Szene
hat der Komponist diesem eine wesentliche Rolle zugedacht, und
die jungen Sänger singen und spielen, dass es eine Freude
ist. Nicht nur stimmlich sind sie von Christoph Rosiny und Jane Richter
hervorragend vorbereitet worden. Auch die Bewegungsarbeit ist nicht
zu unterschätzen. Ob als Kinder auf dem Rummel, als seltsame
Vögel, Blumen, Künstler und Akrobaten am Hof der Prinzessin
oder Soldaten der „Schneekönigin“: Stets gehen
sie auf in ihrer Rolle und gestalten das Geschehen bunt und lebendig,
teilweise auch als Solisten. Besonders Charlotte Schetelich als
Gerdas Freundin und Sophia Duwensee als Räubertochter werden
den Anforderungen an eine solistische Darstellung mehr als gerecht
und entsprechend mit Beifall belohnt.
Dem Komponisten ist es gelungen, das Märchen von Hans Christian
Andersen musikalisch treffend zu illustrieren. Die Mischung aus
Zauber, Emotion und Witz kommt in der durchweg eingängigen
Musik gelungen zum Ausdruck. Die Grenzen zum Musical-Klang sind
teilweise fließend. Die anfängliche Unverständlichkeit
des gesungenen wie des gesprochenen Textes verliert sich im Lauf
der Handlung, die neben der anrührenden Geschichte einer Freundschaft
durchaus auch Szenen mit Witz aufweist: zum Beispiel, wenn die
durchgeknallte Blumenverkäuferin (herrlich: Elisabeth Starzinger)
alles daran setzt, Gerda von der Weiterreise abzuhalten, wenn der
harmlose, aber letztendlich feige Herr Rabe (Mirko Janiska) seine
Stelz-Bewegungen vollzieht oder wenn das motorisierte Rentier (Carsten
Sabrowski) voller Verlangen nach einer heißen Suppe giert…
Lebhaft und kindgerecht von Anisha Bondy inszeniert und von Suzann
Bolick choreografiert, kommt der Aufführung vor allem im Bereich
Ausstattung höchstes Lob zu. Das Bühnenbild (Henrik Ahr)
und besonders alle Kostüme (Miriam Draxl, Cristina Nyffeler)
sind liebevoll und aufwändig gestaltet, die Licht-Inszenierung
(Franck Evin) untermalt wirkungsvoll die emotional berührenden
oder auch die unheimlichen Szenen des Stücks. Insgesamt hat
die Komische Oper mit dieser Uraufführung bewiesen, dass das
Genre Kinderoper für sie keinesfalls eine „Oper zweiten
Ranges“ ist.
Barbara Haack
Das Kinderstudio der Komischen Oper Berlin
Seit 1956 wird in der Komischen Oper mit Kinderchören gearbeitet.
Die Grundidee lautet: Kinder erfahren eine Ausbildung über
das reine Singen hinaus. Sie werden also auch choreografiert und
erleben szenische Arbeit hautnah. Christoph Rosiny, ausgebildeter
Schulmusiker und selbst Sänger in den Extrachören der
Komischen Oper und der Deutschen Oper Berlin, leitet gemeinsam
mit seiner Kollegin Jane Richter, die hauptberuflich Chorsolistin
an der Komischen Oper ist, den Kinderchor seit über zehn Jahren.
Als Gesangspädagogin ist Jane Richter verantwortlich für
die Einzelstimmbildung der Kinderchormitglieder und bildet die
Kindersolisten für die Opernbühne aus. Um die Kinder
in die Lage zu versetzen, auf der großen Opernbühne
aufzutreten bedarf es einer kontinuierlichen Ausbildung, die mit
dem Eintritt in die erste Schulklasse beginnt. Im Auswahlverfahren
prüfen Rosiny und Richter, ob die Kinder, die sich bewerben,
musikalisch sind, ob sie eine geeignete Stimme haben, aber auch,
ob sie sich beim und zum Singen auch bewegen können. Einmal
in den Kinderchor aufgenommen, haben die Kinder zweimal wöchentlich
Proben. Dabei wird von Beginn an auch mit Bewegung gearbeitet:
wichtige „Zutat“ für das Ziel, in großen
Opern wie zum Beispiel „La Bohème“ oder „Rosenkavalier“ aufzutreten – aber
eben auch in Kinderopern wie zuletzt der „Schneekönigin“.
Dazu kommen zirka zwei Konzerte im Jahr, die immer auch choreografische
Elemente haben. Bis zum Alter von 14 Jahren dürfen die jungen
Sängerinnen und Sänger im Kinderchor mitmachen. Danach
wird der Übergang in einen Jugendchor angeboten, der allerdings
nicht mehr für Aufführungen herangezogen wird. Viele
aber, so Christoph Rosiny, nehmen dann Gesangsunterricht oder konzentrieren
sich auf ihr Instrument. Der Boden für ein musikalisch erfülltes
Leben ist dann allemal bereitet. Träger des Kinderchors ist
die Komische Oper. Neben dem pädagogischen Programm des Hauses
wird hier also ein eigenes Ensemble geführt und entsprechend
gefördert.
Zum wichtigen Betätigungsfeld sind in den letzten Jahren die
regelmäßig im Programm erscheinenden Kinderopern geworden,
in denen die Nachwuchssänger noch stärker nach ihren
Bedürfnissen und ihrem Vermögen eingesetzt werden können
als in den Abendopern. Bei Auftragskompositionen wie der „Schneekönigin“ können
Rosiny und Richter während des Entstehungsprozesses mit dem
Komponisten reden, ihm ganz konkret die Fragen beantworten: Was
ist möglich bei einem Kinderchor? Was ist wünschenswert?
Das Ergebnis zumindest in diesem Fall: Eine höchst anspruchsvolle
Partie für die Kinder, aber eben auch eine, die zu bewältigen
ist.
Die Weiterentwicklung des Genres Kinder-oper mit
Kindern liegt Christoph Rosiny und Jane Richter über die Kinderchorarbeit
hinaus am Herzen. So veranstalteten sie bereits ein Symposion zum
Thema Kinderchor – Opern – Neue Musik, das im nächsten
Jahr seine Fortsetzung finden soll, um das kindgerechte Repertoire
zu erweitern. Ihre Arbeit mit den (hoch-)begabten Kindern jedenfalls
kann sich sehen lassen. Und der eine oder andere Kinderchorsänger
der Komischen Oper wurde zwischenzeitlich fürs Kino entdeckt!
(Unser Bild zeigt Sophia Duwensee mit dem Kinderchor. Foto: Iko
Freese/drama-berlin.de)
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