Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


 

Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
Mehr als eine Gewerkschaft
Tobias Könemann, zukünftiger Geschäftsführer der VdO, im Gespräch
Behütet, beschützt – verlassen?
Das Symposium „TanzTransition“ in Berlin
Theaterchor und zeitgenössische Oper
Gedanken des Komponisten hespos
Wo man singt, da gibt es Neues
Erste Dresdner Chorwerkstatt für Neue Musik

Portrait
In den Kulissen lauert das Leben
Ein Opernprojekt an der Staatsoper Unter den Linden
Zuerst kommt immer die Gänsehaut
Ein Gespräch mit dem Künstler-Manager Stefan Schmerbeck

Berichte
Musik als energetisches Quantum
Hindemiths „Cardillac“ in Braunschweig
Die Arroganz der Mächtigen
Nach 30 Jahren ein neuer „Palestrina“ in München

VdO-Nachrichten
Nachrichten
Tarifsteigerungen 2009 – Versorgungskammer – Tarifpolitik – Wir gratulieren
Alles, was Recht ist
Pendlerpauschale – wie geht es weiter?


Steiniger Weg
Autobiografie des Tänzers Carlos Acosta

Service
Schlagzeilen
Namen und Fakten
Stellenmarkt
Spielpläne 2008/2009
Festspielvorschau

 

Portrait

Zuerst kommt immer die Gänsehaut

Ein Gespräch mit dem Künstler-Manager Stefan Schmerbeck

Der Konzertgänger und Opernbesucher weiß wenig von ihm. Er wirkt hinter den Kulissen. Dabei bewegt er sich an einer entscheidenden Schnittstelle des Musikbetriebs: Der Manager des Künstlers, der im täglichen Betrieb nicht nur Mädchen für alles ist, sondern auch ein besonderes künstlerisches, organisatorisches und kommunikatives Geschick braucht, um seinen Job gut zu machen. Mit einem Vertreter dieses Berufsstandes, Stefan Schmerbeck, sprach Barbara Haack für „Oper&Tanz“.

O&T: Stefan Schmerbeck, Sie firmieren als Artist-Manager. Was genau bedeutet das, was sind Ihre Aufgaben?

 
Viel-Reisender in Sachen Musik: Stefan Schmerbeck. Foto: Niels Starnick
 

Viel-Reisender in Sachen Musik: Stefan Schmerbeck. Foto: Niels Starnick

 

Stefan Schmerbeck: Ein Künstlermanager ist Sprachrohr des Künstlers und vertritt dessen Interessen in allen Belangen. Er ist natürlich auch Ansprechpartner für Menschen, die etwas von dem Künstler wollen. Der Künstler ist ja oftmals ein Mensch, der in seiner Kunst lebt und gerade deshalb so überzeugend ist. Mit den täglichen Dingen des Geschäftes will er sich nicht belasten. Deshalb ist diese Mittlerposition sehr spannend: Es geht darum, die Wünsche des Künstlers mit denen der Menschen, die mit dem Künstler zusammenarbeiten möchten, in Einklang zu bringen. Aber auch darum, aktiv Projekte zu entwickeln und die Menschen zusammenzuführen.

O&T: Das bedeutet: Ein Künstlermanager braucht eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Kompetenzen?

Schmerbeck: Ich denke, die Basis ist auf jeden Fall das Know-How über Musik. Dazu kommt natürlich die Kommunikation als wesentliche Kompetenz. Eine sehr wichtige Rolle spielt das Vertrauen. Wenn ein Künstler kein Vertrauen zu seinem Manager hat, dann wird das Ganze nicht funktionieren.

O&T: Wie ist Ihre Biographie? Wie sind Sie zu dem geworden, was Sie heute sind?

Schmerbeck: Ich bin per Zufall dahin gekommen. Zu meiner Zeit jedenfalls gab es da keinen konkreten Ausbildungsweg. Den Einstieg in die Branche habe ich über die BMG Classics gemacht, bei der ich zehn Jahre Klassische Musik auf Tonträgern produziert und vermarktet habe. 1999 – kurz vor dem ganz großen Crash der Schallplattenbranche – bin ich ausgestiegen. Zwei der Künstler, für die ich als Produzent tätig war, fragten mich daraufhin, ob ich einfach die Seiten wechseln und sie als Manager vertreten wolle. Das war für mich eine große Ehre. Also habe ich mich darauf eingelassen.

O&T: Wie findet man als Manager „seine“ Künstler?

Schmerbeck: Man findet sich über Vertrauen und über das Wissen von der Kompetenz des anderen. Die beiden Künstler, für die ich anfing zu arbeiten, sind schon viel länger im Geschäft als ich. Sie wussten, was sie taten.

O&T: Das waren Montserrat Caballé und Lucia Aliberti?

Schmerbeck: Genau. Montserrat Caballé ist jetzt 75 Jahre alt. Sie hat in ihrem Leben nicht nur alles gesungen, sondern mit Sicherheit auch die verschiedensten Facetten von Agenten, Managern und Intendanten kennengelernt. Sie weiß sehr genau worauf es ankommt. Genauso sieht es bei Lucia Aliberti aus.

O&T: Sicher steht für Sie auch die Frage im Raum, welche Künstler zusätzlich interessant sein könnten. Würden Sie sich auch jungen, unbekannten Künstlern widmen, oder sind Ihr Kerngeschäft eher die etablierten Künstler und internationalen Stars?

 
Lucia Aliberti singt Verdi. Foto: Archiv
 

Lucia Aliberti singt Verdi. Foto: Archiv

 

Schmerbeck: Es hat sich in den letzten Jahren eher zufällig ergeben, dass ich mit zwei weiteren renommierten Künstlern in Kontakt kam: Für Juan Diego Flórez arbeite ich im deutschsprachigen Raum, mit Anja Silja entwickle ich ihr erstes Liederabend-Projekt. Beides fand ich unglaublich interessant. Nicht nur, weil beide große Künstler- Persönlichkeiten sind, sondern weil ich das, was diese Leute künstlerisch tun, sehr mag. Da kommt beides zusammen. Junge Talente zu entdecken und zu fördern: Das habe ich bisher nicht gemacht. Aber es wird sicherlich noch kommen. Ich werde vermutlich irgendwo sitzen, eine Stimme hören, Gänsehaut kriegen und mir denken: „Hoppla!“. Bei mir kommt immer die Gänsehaut zuerst und dann alles andere.

O&T: Was tun Sie ganz konkret? Wie sieht Ihr Arbeitsfeld aus?

Schmerbeck: Ich identifiziere zusammen mit dem Künstler die Projekte, die anstehen, die er gerne machen möchte, und wir besprechen gemeinsam die Umsetzung. Meine Vergangenheit verleugne ich dabei in keiner Weise: Ich bin leidenschaftlicher CD-Produzent. Also kann der Anfang eines Projektes durchaus in einer CD bestehen. Interessant sind dann die Fragen: Ist es sinnvoll, für ein Projekt eine CD zu produzieren? Wer könnten die künstlerischen Partner sein? Welches Label kommt in Frage? Was ist nötig, um die CD zu produzieren, sie auf den Markt zu bringen und dann bei Veranstaltern anzubieten?

O&T: Als Liveprogramm also? Von der CD zum Konzert?

Schmerbeck: Ja. Das ist natürlich meine zentrale Aufgabe. Ein Künstler möchte ja in erster Linie live auftreten. Ich informiere potentielle Veranstalter über die Projekte und bespreche mit ihnen die Möglichkeit einer Zusammenarbeit. Dabei muss man natürlich immer die Richtigen identifizieren: „Für wen ist was interessant und wer kann was in welcher Zeit realisieren“. Mit Anja Silja zum Beispiel habe ich ihren Liederabend auf CD aufgenommen, die 2009 herauskommt. Das ist ein Liederabend mit russischen Liedern von Rachmaninoff und Mussorgsky, den sie auch live präsentieren wird. So dass idealerweise, wenn die CD herauskommt, auch schon einige Konzerttermine stehen. Für Anja Silja bedeutet dies neues Terrain. Viele Leute werden überrascht sein, wie toll sie diese Lieder interpretiert. Das ist gerade eines meiner aktuellen und spannenden Projekte. Das zweite ist die neue Verdi-CD von Lucia Aliberti, die gerade auf den Markt gekommen ist und dann wird diese Entdeckungsreise zum frühen und unbekannten Verdi auch live zu erleben sein.

O&T: Tourneemanagement bedeutet auch organisatorische Details wie „Wann fliegt sie wohin? Wo wohnt sie? Wo steht das Wasser in der Garderobe?“ Das alles gehört auch zu Ihrem Job?

Schmerbeck: Absolut. Die Tagesplanung der Konzerte mit Reisen, Hotels, Transfers, Proben, etc., das läuft alles über meinen Tisch. Ich bin dann auch vor Ort, und sehe zu, dass wir eine reibungslose Organisation sowie ein entspanntes und schönes Konzert hinkriegen.

O&T: Sicher schließt diese Aufgabe einen engen persönlichen und menschlichen Kontakt zum Künstler ein. Gibt es manchmal auch Schwierigkeiten?

Schmerbeck: Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Das Angenehme bei großen Stars, mit denen ich das Glück habe zu arbeiten, ist, dass sie alles schon gesehen und erlebt haben. Das heißt, sie haben eine gewisse „Grundentspanntheit“, sie regen sich im Grunde kaum noch über etwas auf. Und wir kennen uns mittlerweile schon so lange, dass wir wissen: Wenn ein Problem auftritt, ist es von niemandem vorsätzlich gewollt. So etwas passiert, und dann wird dafür eine praktikable Lösung gefunden.
Wie ich es bereits sagte: das Vertrauen ist äußerst wichtig. Wenn der Künstler weiß, dass er mir vertrauen kann, dann weiß er auch, dass ich alles tun werde, damit er seine Kunst machen kann. Und dazu gehört es eben, dass das Klavier eine bestimmte Stimmung hat, dass das Wasser keine Kohlensäure hat oder dass ein gewisser Tee bereit steht. Man ist allerdings immer wieder überrascht, was passieren kann. Wir gastieren in aller Herren Länder. Wenn man an einen Ort beziehungsweise in ein Land fährt, mit einem Opernhaus oder einem Veranstalter arbeitet, den man nicht kennt, dann muss man davon ausgehen dass es das ein oder andere Missverständnis geben wird. Das ist völlig normal.

O&T: Das heißt, dass Sie ein Weltreisender sind. Sind Sie in allen Teilen der Welt aktiv?

Schmerbeck: Ja natürlich. Ich bin allerdings vor allem in Europa tätig. Sobald es in außereuropäische Länder geht, arbeite ich mit Partnern zusammen. Aber natürlich fahren wir nach Asien und Amerika, überall hin…

O&T: Ihr Geschäft ist der Kontakt mit Veranstaltern. Wie schwierig ist es, jemanden wie Montserrat Caballé oder Lucia Aliberti zu vermarkten? Das ist vermutlich eine ganz andere Vermarktungsstrategie als wenn man einen jungen Künstler anbietet. Rennen Sie offene Türen ein, oder ist es gar nicht so einfach zu sagen „Ich möchte jetzt mit der Caballé nach Rom oder Paris“?

Schmerbeck: Es geht eigentlich immer um das persönliche Gespräch. Ich informiere Intendanten beziehungsweise künstlerische Leiter darüber, was die Künstler aktuell machen. Dann kann ich im Gespräch genau heraushören, was ihn interessiert, was er gerade für eine Saison plant, und ihm ein entsprechendes Angebot machen. Genauso hat der Intendant natürlich eigene Ideen. Es ist immer ein Prozess. Diesen Kontakt und diese Gespräche, die suche ich natürlich regelmäßig.

O&T: Wie weit im Voraus werden solche Tourneen geplant?

Schmerbeck: Die Opernhäuser planen am längsten voraus. Opernengagements kann man bis zu fünf Jahre im Voraus festlegen. Bei den Konzerten wird zum Beispiel im Moment die Saison 2010/2011 geplant. Ich arbeite gerade an der Tournee von Juan Diego Flórez für November 2010 im deutschsprachigen Raum, also fast zwei Jahre im Voraus. Für Konzerte ist das in der Regel das Maximum.

O&T: Die Künstler wollen ihre Kunst machen, das haben Sie bereits gesagt. Sie wollen aber auch Geld verdienen…

Schmerbeck: Selbstverständlich wollen sie Geld verdienen.

O&T: Womit verdienen sie ihr Geld? Mit den CDs oder mit den Auftritten in Konzerten, mit den Engagements in den Opern?

Schmerbeck: Ein klassischer Künstler verdient in der Regel sein Geld mit seinen Auftritten. Im Grunde ist die CD die Visitenkarte des Künstlers. Die muss er alle zwei bis drei Jahre erneuern, nämlich mit einem aktuellen Projekt. Demnächst werden wir das sicherlich einfach auf die Internetseite des Künstlers stellen.

Der Künstler verdient sein Geld also mit Auftritten und hat dann auch eine gewisse Vorstellung, wie viel er verdienen möchte. Damit muss ich mich natürlich auseinandersetzen und mir eine Strategie überlegen: Ist die Gage fix, oder verlange ich an einem Ort mehr, am anderen weniger? Wenn man ein Projekt oder ein Konzert mit maximal 300 Besuchern gestaltet, dann ist das natürlich etwas anderes als ein Projekt mit 2.000, bei Open-Airs sogar 5.000 Zuhörern.

Ich denke aber, keinem Künstler geht es nur ums Geld. Meine Erfahrung sagt mir, dass ein Künstler erstmal seine Kunst machen will. Erst kommt die Kunst, dann kommt das Geld, und wenn das alles auch noch zusammenpasst, dann ist es gut.

O&T: In welche Richtung entwickelt sich Ihrer Ansicht nach der Konzertbetrieb: hin zum Starevent oder eher zu neuen, unbekannten Konzertformen?

Schmerbeck: Ich würde sagen: beides. Es wird verstärkt Events geben. Man merkt ja zurzeit, dass Klassik „in“ ist. Auch wer von Klassik keine Ahnung hat, weiß inzwischen, was Klassik ist und verbindet damit irgendein Event, mit dem er zufällig in Berührung gekommen ist, bei dem er ganz überrascht war, dass es ihm nicht weh getan hat. Diesen Event-Charakter wird es verstärkt geben. Auf der anderen Seite glaube ich, dass auch die wunderbaren Opernhäuser und Konzertsäle sich weiterentwickeln werden, gerade im Bewusstsein, sich jüngerem Publikum zu öffnen. Und die Fans werden weiter zu den vielen kleinen und feinen Festivals pilgern, bei denen man in einer überragenden Intimität wunderbare Musik genießen kann. Da wird natürlich mit kleineren Budgets gearbeitet, und die Künstler kommen vielleicht für ein Taschengeld, um dann wieder bei den so genannten Events ein bisschen mehr Geld mitzunehmen. Da sind gerade die kleineren Veranstalter aufgefordert, dem Künstler sein Konzert oder Festival schmackhaft zu machen. Die Gänsehautmomente finden eher bei den kleineren Sachen statt. Ob der Klassik-Fan bei einem Event Gänsehaut bekommt, bezweifle ich.

O&T: Wie geht es für Sie weiter? Gibt es spannende Projekte für die Zukunft?
Schmerbeck: 2009 wird sicherlich ein Jahr sein, wo ich die Augen ein bisschen aufmache und die Ohren aufsperre. Das habe ich früher schon gemacht, und ich mache es auch 2009 wieder. Es ist immer ein schönes Abenteuer, und ich freue mich drauf, weil ich das, was ich tue, sehr gerne mache. Vielleicht könnte ich auch mal einen Dirigenten vertreten. Darüber habe ich im vergangenen Jahr bereits nachgedacht, weil es zu einem interessanten Kontakt kam. Meine Grundleidenschaft, mit Sängern zu arbeiten, ist aber ungebrochen – und das wird auch so bleiben.

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner