Dreißig Jahre nach der letzten Inszenierung setzt Intendant Nikolaus Bachler also ganz auf bayerische Unterstützung, die in diesem Metier bereits Erfahrung gezeitigt hat. Mit Christian Stückl, dem Regie führenden Intendanten des Münchner Volkstheaters (Regie) und Stefan Hageneier (Bühne und Kostüme) sind zwei Künstler in der Verantwortung, die als gebürtige Oberammergauer bereits drei Mal die alle zehn Jahre stattfindenden Passionsspiele szenisch betreut haben. Neben dem „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen (2003) hat Stückl 2004 in Köln auch Beethovens „Fidelio“ inszeniert. Nun also Pfitzners „Palestrina“; ein Werk über das Verhältnis zwischen Kunst und Gesellschaft, die Situation des Künstlers im politischen und gesellschaftspolitischen Umfeld und schließlich die Frage nach dem Woher des schöpferischen Werks. Pfitzner, der gegen Busonis „Futuristenmusik“ zu Felde gezogen ist, macht sich im „Palestrina“ noch einmal stark als Verteidiger der romantischen Inspirationsästhetik. So, wenn er Palestrina die entscheidenden Eingebungen zu seiner Messe direkt von Engeln empfangen lässt. Soweit so gut, aber was hat uns das am Beginn des 21. Jahrhunderts zu sagen? Hier bestätigt sich die These Wolfgang Rihms: Viel selbst erzeugter Schutt verstellt Pfitzners Physiognomie. Diesen ohne Wenn und Aber weggeräumt zu haben, ist die Leistung der Münchner Produktion. Christian Stückl stützt sein szenisches Konzept auf die Geschichte hinter der Geschichte. Wer genau beobachtet, merkt sehr bald, dass die vielen Prälaten und Kardinäle oder die Auseinandersetzungen um die richtige Kirchenmusik beim Tridentinischen Konzil, nur ablenken von der eigentlichen Botschaft des Komponisten, der Unmöglichkeit des Zusammenlebens von Kunst und Gesellschaft. Dies wird an einer der Schlüsselstellen im 2. Akt deutlich, wenn sich zwei Kardinäle über die Schwierigkeiten von Palestrinas Schaffensprozess unterhalten und überheblich ihren Standpunkt deutlich machen: „Es wünschen es die Großen dieser Welt – Wenn solche Mächte wollen, muß es gehn!“ Da sprechen keine Kirchenmänner, das ist die beständige Arroganz der Mächtigen, für die die Kunst oftmals nicht mehr ist, als „das kleine Menschenwerklein“. So weit ihm möglich meidet Stückl die kirchliche Konnotation und zeigt die handelnden Personen in ihren Machtabhängigkeiten. Dies gelingt auch durch grelles Hervorheben und plastisches Überzeichnen, wenn etwa Engel ganz real, aber in poppigem Grün oder die Kirchenfürsten in der langen Strechlimousine samt dunkelhäutigem Fahrer erscheinen... Palestrina“ ist eine Ensembleoper, aber auf höchstem Niveau, die eine Vielzahl hervorragender Protagonisten verlangt. Und davon gab es in München zuhauf; allen voran der englische Tenor Christopher Ventris, der seinem Palestrina Glut und Leidenschaft verlieh. Neben ihm brillierten Michael Volle (Morone), John Daszak (Novagerio), Falk Struckmann (Borromeo) und Wolfgang Koch (Graf Luna). Daneben stehen die Chöre (Leitung: Andrés Máspero und Stellario Fagone) vor allem im turbulenten zweiten, dem Konzilsakt, aber auch im dritten Akt im Mittelpunkt des Geschehens. Hier galt es nicht nur, die anspruchsvollen Partien präzise und in jeder Weise synchron zu bewältigen; vielmehr vermittelten die Sängerinnen und Sänger durch ihre mit Herzblut vorgetragenen darstellerischen Leistungen, dass sie sich bei Pfitzner – trotz der langen Abwesenheit auf der Münchner Bühne – ganz zu Hause fühlten. Christiane Karg in der Rolle des Ighino war der Liebling des Münchner Publikums, das auch Simone Youngs Dirigat mit stehenden Ovationen bedachte. Christian Kröber |
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