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Kulturpolitik
Helden wie wir!
Was passiert mit den Überschüssen in Mecklenburg-Vorpommern?
Ein Kommentar von Sylke Urbanek
Mecklenburg-Vorpommern ist finanziell gut aufgestellt. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Mit einem Plus von 326 Millionen Euro wurde der Haushalt 2017 abgeschlossen. Das ist großartig, beispielhaft und WIR haben mit dazu beigetragen. Wir, das sind die Mitarbeiter der vier Theaterstandorte in Mecklenburg/Vorpommern. Die Frage ist nur, wohin mit den positiven Gefühlen, die sich in unserer Brust breit machen. Gibt es etwas Schöneres als die Gewissheit, einen Teil mit dazu beigetragen zu haben, dass statt der 46 Millionen Euro Minus, die im Haushaltsplan für 2017 kalkuliert waren, jetzt 326 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet wurden? UND WIR WAREN DABEI !!!! Wir sind die Helden, von denen man sagen wird: Sie haben – teilweise sogar ohne nennenswerte Kompensation – auf Gehalt bzw. Tariflohn verzichtet, freiwillig oder unfreiwillig und haben damit die Konjunktur und das Bundesland gestärkt.
Wir haben mit dazu beigetragen, dass 37,5 Millionen Euro in die Pensionskasse der Beamten eingezahlt werden. Dabei tut sich allerdings die berechtigte Frage auf, warum in Deutschland Menschen mit einem gutbezahlten und weitgehend kündigungsfreien Job, wie das bei Beamten nun mal der Fall ist, ihren Beitrag nicht selber in die Rentenkasse zahlen können. So wie jeder andere Arbeitnehmer auch. Aber das sind Nebensächlichkeiten, die interessieren den Otto Normalverbraucher sowieso nicht – offensichtlich stellt die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern das nicht in Frage.
Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Schuldenabbau – auch daran sind wir beteiligt. Meine Heldenbrust schwillt immer mehr an. Wie stolz werden die Kollegen sein, die Kollegen in Rostock, in Schwerin, in Greifswald/Stralsund und Neubrandenburg/Neustrelitz, die mit Lohnverzicht über Jahre hinweg teilweise ihre eigenen Arbeitsplätze finanzieren, weil die Landesregierung sich seit 24 Jahren nicht in der Lage sieht, ihre Zuschüsse für die Theater zu dynamisieren. Weil es ja eben an Geld gefehlt hat – wir Beschäftigen verstehen das. Wer Kunst und Kultur kompensieren möchte, der muss dafür bezahlen, und wer selber die Kunst und Kultur ausführen möchte, der muss AUCH dafür bezahlen. Oder etwa nicht?
Aber jetzt wird ganz bestimmt alles anders! Jetzt wird sicher auch das Lohnniveau in Mecklenburg-Vorpommern steigen, welches derzeit bei 73,5 Prozent des Bundesdurchschnitts liegt. Zum Vergleich – das Bundesland Hessen kann sich mit 112,8 Prozent, gefolgt von Baden-Württemberg mit 110,0 Prozent auf die Schultern klopfen (Quelle www.gehalt.de). Fraglich bleibt allerdings, ob es dort so viele Helden gibt wie in Mecklenburg-Vorpommern – wohl eher nicht. Das ist schade, da gibt es ja gar nichts, worauf man stolz sein kann.
Aber Stolz hin und her – „jedermann weiß, dass mit der Kultur auch die Macht verbunden ist“ (Leopold von Ranke). Die Macht der Politik und der Wille der Politiker, endlich Geld in die Hand zu nehmen und unsere Theaterstandorte in Mecklenburg-Vorpommern finanziell zu unterfüttern, so dass sich zwei wesentliche Bereiche in unserem schönen Bundesland wieder die Hand reichen können: der Tourismus und die Kultur! Das eine funktioniert nur mit dem anderen. Der Tourismus ist nicht vor Wetterkapriolen geschützt, die uns immer öfter einholen und die Besucher in klimasichere Gegenden fernab unseres Bundeslandes reisen lassen, weil ihnen hier vielleicht keine Alternativen bei durchwachsenem Wetter mehr geboten werden. Wie zum Beispiel ein Musentempel mit engagiertem Ensemble, welches wiederum heldenhaft sämtlichen Ausschweifungen des Wetters standhält, um den Urlaubsgästen die Zeit zu überbrücken, bis die Sonne sich wieder besinnt und die Temperaturen sommerlich werden. Auch das gehört zum Heldentum – unter den teilweise abstrusesten Bedingungen zu arbeiten.
Jetzt ist die Zeit aber gekommen, dass auch Politiker endlich ihre Heldenbrust entdecken und die auf Eis gelegte Fusion zweier schon lange fusionierter Theaterstandorte auch auf Eis lassen, bis es schmilzt und die Fusion ins Wasser fällt. Anschließend könnten die Theater wie Phönix aus der Asche – oder in unserem Fall aus dem Wasser steigen, von dem wir in Mecklenburg ja gottseidank genügend haben, die Politik könnte ein bisschen von dem Überschuss in die Hand nehmen und verteilen, um die Theater in ihrer Autonomie zu stärken. Das wäre nur ein Mindestmaß an Gerechtigkeit – finanziert haben WIR den Überschuss schließlich mit. Heldenhaft!
Sylke Urbanek |