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Editorial

Der Preis der Kunst

Immer wieder wird an dieser Stelle auf die besondere gesellschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur hingewiesen. Naturgemäß kann sich diese nur dann entfalten, wenn ein angemessener Zugang gewährt wird. Hierfür wiederum eines der wichtigsten Kriterien ist der Preis. Der nun aber entwickelt sich in den verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich: Am extremsten ist sicher die Bildende Kunst, wo selbst nach landläufigem Verständnis sehr reiche Menschen es sich regelmäßig nicht leisten können, 2- bis 3-stellige Millionensummen etwa für Originale der „klassischen Moderne“ aufzubringen. Am anderen Ende steht die Literatur. Hier sorgt die Kombination aus Marktdruck und Preisbindung für eine konstant moderat-nivellierte „Zugangsschwelle“.

Tobias Könemann. Foto: Johannes List

Tobias Könemann. Foto: Johannes List

Dazwischen finden sich unter anderem die Bereiche Theater und Musik. Hier gibt es ein weites Preisspektrum, von dem hier nur der öffentlich (mit)finanzierte Bereich und da wiederum – eben unter dem Aspekt des angemessenen Zugangs – insbesondere die preisliche Spitzengruppe betrachtet werden soll. Immer öfter kosten hier Karten bei größeren Veranstaltungen dreistellige Summen. Will man dieses Vergnügen – wie weithin üblich – zu zweit genießen, summieren sich die Kosten schon eines einmaligen Theaterbesuchs leicht auf einen zweistelligen Prozentsatz eines durchschnittlichen Netto-Familieneinkommens. Und sieht man sich die Entwicklungen in der Statistik an, findet man tatsächlich nicht wenige Preissteigerungen, die über Jahre hinweg ein Vielfaches sowohl der Inflationsrate als auch der Kaufkraftentwicklung ausmachen. Es droht Prohibition durch die Hintertür.

Doch wie damit umgehen? Im GroKo-Vertrag findet sich ganz aktuell gar die Überlegung, den kostenfreien Eintritt in den vom Bund geförderten Kultureinrichtungen auszubauen. Ist das ein Modell auch für Theater? Ich glaube: Nein, und zwar insbesondere aus zwei Gründen. Zum einen ist da die weit verbreitete Einstellung „Was nichts kostet, ist nichts wert.“ Zum anderen hat (mehr oder weniger) kostenloser Kunstgenuss auch historisch ein „Gschmäckle“: Vom Herrschaftsinstrument „panem et circenses“ römischer Imperatoren über die Reichskulturkammer bis hin zu aktuellen Regimen pervertieren totalitäre Machthaber die soziale Kraft des Theaters, um durch kostenlose oder billige Unterhaltung die Massen ruhigzuhalten, zu verdummen oder gar zu manipulieren. Im besten Falle verkommt das Theater zum – im direkten Sinne des Wortes – Zeitvertreib. Dafür ist es zu schade.

Nein, völlig unabhängig von vermeintlich nicht schließbaren Finanzierungslücken soll Kunst, soll auch Theater etwas kosten – es soll eine bewusste Entscheidung sein, sich eine Aufführung anzusehen. Und natürlich gewährt eine gewisse Eigenfinanzierungsquote auch partiell, zumindest aber symbolisch, inhaltliche Freiheit.

Aber die Kosten des Theaterbesuchs müssen – ungeachtet aller Vergünstigungen für sozial Schwache – auch und gerade für den Normalbürger verträglich sein, und zwar so, dass der Theater- oder Konzertbesuch nicht zum singulären Luxus-Ereignis degeneriert, sondern in einer gewissen Regelmäßigkeit möglich sein muss. Die ersten 40 Jahre hat das in der bundesrepublikanischen Theater- und Konzertlandschaft ganz gut funktioniert. Seither aber bildet sich schleichend ein Ungleichgewicht heraus, das – bei Überschreiten einer „kritischen Masse“ – eine Kettenreaktion auslösen könnte: Preissteigerung – Zuschauerschwund – Legitimationskrise – Mittelkürzung – Weitere Preissteigerung – Zusammenbruch. Zugegeben: ein sehr extremes Szenario, aber gerade das Extrem macht deutlich, warum es frühzeitig gegenzusteuern gilt. Und von diesem Punkt sind wir zumindest nicht weit entfernt.

Theater muss erschwinglich bleiben – einschließlich aufwändiger Großproduktionen. Und das gilt völlig unabhängig sowohl von der Notwendigkeit angemessener Bezahlung der Künstlerinnen und Künstler einerseits als auch dem Erfordernis einer auskömmlichen öffentlichen Finanzierung andererseits.

Tobias Könemann

 

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