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Aktuelle Ausgabe

Editorial von Tobias Könnemann
Alte Zöpfe – Heilige Kühe

Kulturpolitik

Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester: Hagen

Wuppertal ist etwas Besonderes
Ein Gespräch mit dem zukünftigen Intendanten der Wuppertaler Bühnen, Berthold Schneider

Immer noch eine Frage der Wertigkeit
Chorsängerausbildung an Musikhochschulen

Nur eine Annäherung
„Pina Bausch und das Tanztheater“ in Bonn

Zwischen Ariana und Lulu
Nikolaus Harnoncourt und die Oper

Gedämpfte Feststimmung
Das Theater Stralsund feiert seinen 100. Geburtstag

Frisch gekachelt
Der Theater-Website-Check: Oper Köln

Berichte

Identitätsstiftendes Potenzial
Das Kurt-Weill-Fest in Dessau

Grosser Wurf in Dresden
»Mathis der Maler« an der Staatsoper Dresden

Musik ermöglichen
Irene Constantin im Gespräch mit Jochen Biganzoli

Gelungene Kooperation
„Orpheus und Eurydike“ am Theater Erfurt mit dem Tanztheater Erfurt

Ein humanes »Dennoch!«
Beeindruckender szenischer »Messias« an der Oper Frankfurt

Kraftsprühende Wiederentdeckung
Hans Sommers »Rübezahl« am Theater Altenburg-Gera

Die Arche als Integrationssymbol
Das Chor-Projekt „NOAH“ der Bayerischen Staatsoper

Der Chor als Star
»Zar und Zimmermann« in Neubrandenburg/Neustrelitz

VdO-Nachrichten

Wir stellen vor: Köpfe der VdO
Andrea Schuschke

VdO-Nachrichten
Bericht von den Tarifverhandlungen +++ Bundesdelegierten-versammlung April 2016 +++ Jahreshaupt-versammlung des Deutschen Bühnenvereins +++ Bühnenkonferenz: 30-jähriges Bestehen +++ Wir gratulieren

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Spielpläne 2015/2016

Editorial

Alte Zöpfe – Heilige Kühe

Seit jeher nimmt das Theater – zu Recht – als „moralische Anstalt“ eine gesellschaftliche Vordenkerrolle für sich in Anspruch. Im Schutzraum der künstlerischen Freiheit, verbunden mit einer fiktiven Realität, können menschliche/individuelle und gesellschaftliche Konstellationen, Konflikte, Emotionen und Werte „spielerisch“ und kreativ beleuchtet werden, dabei aber so in der Schwebe bleiben, dass, was es in der „wirklichen“ Realität nicht gibt, ein Zurück und ein Anders jederzeit offenbleibt.

Tobias Könnemann. Foto: Johannes List

Tobias Könnemann. Foto: Johannes List

Soweit der Anspruch nach außen. Aber wie sieht es eigentlich nach innen – im realen Leben der moralischen Anstalt, insbesondere in der Gestaltung und täglichen Realität der Arbeitsverhältnisse aus? Ist man dort ebenso fortschrittlich, inspiriert und experimentierfreudig? Herrscht wechselseitiger Respekt, persönliche Freiheit und sozialer Schutz? Daran kann man nicht nur angesichts des patriarchalischen Selbstverständnisses und der Selbstgerechtigkeit narzisstischer Intendanten, der sich in Aggressionen entladenden Hilflosigkeit von Regisseuren und der vielfach zu beobachtenden Unfähigkeit zielführender interner Kommunikation auf allen Ebenen zweifeln, sondern insbesondere auch angesichts des Grabenkampf-Gebarens des Deutschen Bühnenvereins in den seit Jahren sich hinschleppenden Manteltarifverhandlungen. Festgefahren in einer Mentalität des bazarmäßigen Nehmens und Gebens, des tiefen Misstrauens gegenüber allen Überlegungen der „Gegenseite“ wird einer dynamischen Fortentwicklung des Tarifrechts selbst da getrotzt, wo die Gewerkschaften – wenn man denn unbedingt in solchen Kategorien denken will – „Angebote“ an die Arbeitgeber machen. Alte Zöpfe werden als heilige Kühe gehandelt.

Sicher ist anzuerkennen, dass die tarifliche und soziale Situation der Bühnenkünstler in Deutschland im internationalen Vergleich sehr gut ist. Aber ist das ein Grund, sie nicht besser machen zu wollen, Regelungen zu modernisieren, unklare Formulierungen, die unnötige Rechtsstreitigkeiten provozieren, zu verklaren, Regelungslücken zu schließen? Muss die künstlerische Freiheit, die ja insbesondere die des Leitungspersonals ist, wirklich so indifferent und weitgehend geschützt werden, dass Willkür sich beinahe uneingeschränkt entfalten, Inkompetenz sich hinter der vermeintlichen künstlerischen Freiheit verstecken kann? Künstler sind auch Menschen und haben einen Anspruch darauf, dass ihre berufliche Lebenswirklichkeit nicht von ihrem sozialen Umfeld abgekoppelt wird und sie so in eine Isolation gedrängt werden, die sie – in letzter Zuspitzung – daran hindert, ihrer oben beschriebenen gesellschaftlichen Funktion gerecht zu werden.

Im krassen Gegensatz dazu steht vielfach die tatsächliche Personalarbeit der Bühnen, die da, wo Einzelnen aller hierarchischer Ebenen im Interesse des Ganzen Grenzen aufgezeigt werden müssten, aus Konfliktscheu eine Atmosphäre des „laissez faire“ entstehen lässt, die für die künstlerischen Prozesse mindestens so schädlich ist wie Intendantenwillkür auf der einen und eine „Dienst-nach-Vorschrift“-Mentalität auf der anderen Seite.

Nachdem die Strukturen der Theater unter finanziellem Zwang in den letzten Jahrzehnten große Schritte in Richtung einer Modernisierung und Effizienzsteigerung getan haben, ist dies nun auch für die künstlerischen Arbeitsverhältnisse überfällig. Bei allem, was im NV Bühne als wichtigster Grundlage dieser Arbeitsverhältnisse erreicht worden ist, darf man nicht vergessen, dass er im Kern einer der ältesten noch existierenden Tarifverträge ist – eine Grundsanierung ist überfällig, wobei Konflikte über den Weg dahin normal und nützlich sind. Durch die völlige und dogmatische Verweigerungshaltung der Vertreter der Arbeitgeberseite gegenüber dieser Notwendigkeit wird letztlich nur neuen Playern wie „art but fair“ Vorschub geleistet, die öffentlichkeitswirksam großenteils berechtigte Einzelforderungen erheben, ohne über Konzepte und Instrumente zu verfolgen, wie dies in einem Gesamtsystem umsetzbar wäre. Die Gefahr dabei: weitere Frustration und Demotivierung bei den Bühnenschaffenden.

Zur „Ehrenrettung“ der Theater muss erwähnt werden, dass kein einziger künstlerischer Leiter eines Theaters der Verhandlungskommission des Bühnenvereins angehört.

Tobias Könemann

 

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