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Kulturpolitik

Blaupause mit Sinn für die Realität

Der Kulturkonvent Sachsen-Anhalt hat seine Empfehlungen vorgelegt

„Jetzt muss die Politik Farbe bekennen.“ So lautet das Fazit in Olaf Zimmermanns Vorwort zu den „Empfehlungen des Kulturkonvents Sachsen-Anhalt“, die Ende Februar dem sachsen-anhaltinischen Landtag übergeben wurden. „Der Konvent hat eine Blaupause vorgelegt, die der Bedeutung der Kultur gerecht wird und trotzdem die Augen vor der Realität nicht verschlossen“, schreibt Zimmermann, der im Hauptberuf Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats ist und die Moderation des Konvents im Jahr 2011 ehrenamtlich übernommen hat. 36 Vertreter unterschiedlicher Organisationen und Verbände haben 163 Empfehlungen vorgelegt. Der Landtag hatte beschlossen, den Konvent einzusetzen und die Besetzung gleich mitbestimmt. So waren Vertreter zahlreicher Kulturverbände (allerdings keiner Künstlergewerkschaften) ebenso dabei wie Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien, des Landes-tourismusverbands, der IHK, verschiedener Ministerien (ohne Stimmrecht), der Kirchen und – dazu kommen wir noch – der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt. Einer umfangreichen Bestandsaufnahme zu diversen Themen und Sparten folgt jeweils eine Übersicht der „Herausforderungen“, die schließlich in die konkreten Empfehlungen münden.

Kein Kulturabbau-Instrument

Über allem schwebt das „Damoklesschwert ‚demografischer Wandel‘“, so Zimmermann. Und dass gleich, nachdem der Konvent seine Arbeit aufgenommen hatte, massive Kürzungen im Kulturbereich für das Jahr 2013 beschlossen wurden, sei eine „Bürde“ gewesen. Wenig hilfreich seien auch die Landeskürzungen im Etat des Anhaltischen Theaters Dessau gewesen, die den Beginn der Konventsberatungen begleiteten. Schließlich, das betont der Moderator, sei der Konvent nicht, wie möglicherweise manch einer sich erhofft haben mag, angetreten, um Kulturabbau vorzuschlagen. „Für einen solchen Abbau, wenn er denn je intendiert war, ist ein Kulturkonvent ein denkbar falsches Instrument. Wer eine solche Streichliste haben wollte, hätte besser eine der zahlreichen kommerziellen Beratungsfirmen beauftragt, die kommen, Vorschläge machen und danach wieder verschwinden.“

So hat der Konvent seine Aufgabe ganz offenbar nicht verstanden. Zu den ersten Empfehlungen (gleichzeitig zu denen, die in der Öffentlichkeit für die größte Aufmerksamkeit gesorgt haben), gehören diejenigen zum Thema „Kulturfinanzierung“. Hier ist der Konvent ganz klar: das Land und die Kommunen sollen sich zu ihrer besonderen Verantwortung für die einzigartige und reiche Kulturlandschaft des Landes bekennen und diese „auskömmlich und verlässlich“ finanzieren. Konkret bedeutet das: „Der Kulturkonvent empfiehlt dem Land, den Kulturetat ab 2014 eckwerterhöhend mit mindestens 100 Millionen Euro und einem Dynamisierungsfaktor in Höhe des Inflationsausgleichs auszustatten.“ Bisher gibt das Land 85 Millionen Euro für die Kultur aus.

„Kleinteilig“ seien die Empfehlungen teilweise, kündigt Zimmermann an. In der Tat hat der Konvent fleißig gearbeitet. Erwähnenswert ist die Empfehlung zu den „Kulturregionen“. Die Kommunen sollen sich zu solchen Regionen zusammenschließen, „um kulturelle Aufgaben (…) und/oder Kultureinrichtungen gemeinsam und solidarisch zu gestalten, zu finanzieren und zu führen.“ Schon im Vorwort wird die Hoffnung laut, dass die Akteure (die sich zuvor kaum oder gar nicht kannten), in Zukunft enger zusammenarbeiten werden.

Orchester und Theater

Wie sieht es mit den Theatern aus? Die Bestandsaufnahme ist hier umfangreich, die Orchester und Theaterhäuser werden mit ihren Sparten, ihren besonderen Aktivitäten – auch im Bereich der kulturellen Bildung – und mit Hilfe von Zahlenmaterial (Gesamtetat, Anteil des Landes an der Finanzierung, Zuschauerzahl und andere) vorgestellt. Derzeit, so lautet ein Ergebnis, sei gewährleistet, dass auch die Einwohner in ländlich strukturierten Räumen in relativer Nähe ein qualitätsvolles Theater- und Musikangebot nutzen könnten. Beim Stichwort „Finanzierung der Theater und Orchester“ sieht es nicht so rosig aus. Zahlreiche Häuser arbeiten mit Haustarifverträgen, die häufig verkürzte Arbeitszeiten und zusätzliche freie Tage zur Folge haben und die das Gehalt bis zu 25 Prozent schmälern können. „Die ‚indirekte‘ Finanzierung der Theater und Orchester durch Haustarifverträge ist kein zukunftsweisendes Modell, da es nicht nur unsozial ist, sondern auch künstlerische Qualitäten beeinflusst“, lautet die Erkenntnis der Konventsmitglieder.

Die Empfehlungen für die Theaterlandschaft: Der Haushaltsansatz des Landes für die Theater- und Orchesterförderung soll – falls der Erhöhung des Kulturetats (s.o.) zugestimmt wird – für den Zeitraum von 2014 bis 2025 auf 39.453.500 Euro festgeschrieben werden. Das wäre die derzeitige Summe zuzüglich der Hälfte des festgestellten Fehlbetrags von 6,5 Millionen Euro: aus Sicht der Kulturakteure eine moderate – durchaus nachvollziehbare – Forderung. 2019 sollte der Landesmittelanteil „den dann bestehenden Strukturen“ angepasst und überprüft werden. Gleichzeitig empfiehlt der Konvent den Theatern und Orchestern, „stärker mit den regionalen und landesweiten Kulturakteuren, insbesondere mit der freien Theaterszene zusammenzuarbeiten.“

Eine „Blaupause, die der Bedeutung der Kultur gerecht wird und trotzdem die Augen vor der Realität nicht verschließt“, hatte Zimmermann im Vorwort versprochen. Die Empfehlungen erfüllen genau diesen Anspruch – und harren nun der Bewertung und Realisierung (?) durch das Land.

Sondervotum aus der Wirtschaft

Zuletzt sei noch auf das Sondervotum der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände hingewiesen. Auf insgesamt drei Seiten legen diese ihre eigene Stellungnahme vor. Eine besondere Kompetenz in Sachen Kulturvermittlung und Kulturschaffen sprechen sich die Vertreter explizit ab. Sie schauen aus Sicht der Unternehmer auf die Empfehlungen – und Unternehmer seien „marktgetrieben“. „Fast jeder Euro, der von der öffentlichen Hand in diesem Monat für Kunst und Kultur ausgegeben wird, musste zwangsläufig in den letzten Monaten von irgendeinem Unternehmen in Sachsen-Anhalt umgesetzt werden“, heißt es da. Der „Kultur als Wirtschaftsfaktor“ messen die Unternehmer in Sachsen-Anhalt nur einen geringen Wert zu, und auch „Kultur als Standortfaktor“ hat aus ihrer Sicht keine große Bedeutung. „Wenn der Standortparameter ‚kulturelles und künstlerisches Angebot‘ das zentrale Kriterium für wirtschaftliche Entwicklung wäre, dann müsste Berlin erfolgreicher sein als der Großraum Stuttgart, der Hochschwarzwald könnte mit Halle (Saale) nicht mithalten“, wird lapidar festgestellt. Es sei für jeden der vom Staat (ko-)finanzierten Aufgabenträger angemessen, das erforderliche Abschmelzen des Landeshaushaltes anteilig mit zu tragen. „Vor diesem Hintergrund können wir die Forderung nach Aufstockung und Festschreibung der Ausgaben für Kunst und Kultur auf 100 Millionen Euro und deren Dynamisierung nicht nachvollziehen“, erklären die Unternehmer und sprechen sich damit dezidiert gegen eine der Hauptempfehlungen ihrer Konventskollegen aus. Mag dies aus rein rechnerischer Sicht nachvollziehbar sein, so wirft es doch ein Licht auf die Tatsache, dass der besondere „Wert“ von Kunst und Kultur längst nicht mehr gesellschaftlicher Konsens ist. Anscheinend konnten auch 14 Monate Kultur-Nähe diese Herren aus der Wirtschaft nicht umstimmen.

Barbara Haack


 

 

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