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Kulturpolitik

Klimawandel beim Singen mit Kindern

Erste „Bündnisse für Bildung“ gehen an den Start · Von Barbara Haack

„Kultur macht stark“. Das ist das Motto, welches das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) noch unter der Ägide von Annette Schavan seinem Förderprogramm für die Kulturelle Bildung vorangestellt hat. „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ lautet der Gesamttitel. Damit will das Ministerium gegen „Bildungsarmut“ vorgehen. Gefördert werden sollen daher vor allem benachteiligte Kinder und Jugendliche aus sozialen, finanziellen oder kulturellen Risikolagen. Zu diesem Zweck sollen sich ab dem Jahr 2013 deutschlandweit Bildungsbündnisse etablieren: Mindestens drei lokale Bündnispartner sind aufgerufen, sich zusammenzutun, um Programme kultureller Bildung für die Zielgruppe der benachteiligten Kinder und Jugendlichen aufzulegen. Ausgelegt ist das Programm auf fünf Jahre.

Das erste „Caruso“-Siegel ging im Rahmen der chor.com 2011 an den Katholischen Kindergarten St. Meinolfus in Dortmund. Foto: Alexander Zuckrow/DCV

Das erste „Caruso“-Siegel ging im Rahmen der chor.com 2011 an den Katholischen Kindergarten St. Meinolfus in Dortmund. Foto: Alexander Zuckrow/DCV

Ein erster Paukenschlag fiel im September 2012, als die Bundesbildungsministerin in einer Pressekonferenz die 35 Verbände und Initiativen bekannt gab, deren Bewerbung für das Programm „Kultur macht stark“ berücksichtigt worden waren und die nun insgesamt 230 Millionen Euro an lokale Bildungsbündnisse zu verteilen hatten. Dass in „Oper & Tanz“ erst im März 2013 erstmals über das Vorhaben berichtet wird, ist nicht auf die Nachlässigkeit der Redaktion zurückzuführen. Vielmehr ergaben Anfragen bei einigen der Zuwendungsempfänger, dass das eigentliche Antragsverfahren längst noch nicht abgeschlossen war. Über den Projektträger, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, liefen und laufen noch immer offenbar umfangreiche Verhandlungen über die Ausgestaltung der einzelnen Programme und Angebote. Einige der 35 genannten Ins-titutionen, darunter die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, der Verband deutscher Musikschulen oder der Deutsche Chorverband, haben inzwischen den Bewilligungsbescheid erhalten und können mit ihren Bündnisideen loslegen. Andere befinden sich offenbar noch in der Warteschleife und können bisher keine konkrete Auskunft über ihre Projekte geben.

Immerhin: Der Deutsche Chorverband (DCV) ist nun so weit: Die SINGEN.Bündnisse – so lautet der Titel des DCV-Programms – gehen an den Start. Sehr bewusst hat man hier die Zielgruppe auf Kinder zwischen 3 und 12 Jahren beschränkt, so Veronika Petzold, DCV-Geschäftsführerin und Projektverantwortliche für die SINGEN.Bündnisse. Angeknüpft wird damit an die „Carusos“, ein Gütesiegel, das vom Verband an solche Kindertageseinrichtungen vergeben wird, die das kindgerechte Singen intensiv und qualitätsvoll befördern. Um das Singen mit Kindern geht es also auch bei den SINGEN.Bündnissen. Für die Mittel, die der DCV über das Programm „Kultur macht stark“ verteilen kann (insgesamt 10 Millionen Euro), können sich lokale „Bildungsbündnisse“ bewerben. Antragsteller muss ein örtlicher Chor- oder Kulturverein sein, Bündnispartner sind in der Regel Kindertagesstätten, Schulen sowie weitere Kulturträger vor Ort.

Wie wird der Begriff der „Bildungsbenachteiligung“ definiert? Zunächst orientiert er sich am nationalen Bildungsbericht von 2012 (der übrigens erstmals einen Schwerpunkt „Kulturelle Bildung“ beinhaltete). Hier gelten als benachteiligte Kinder in Risikolagen solche, in deren Familien entweder ein oder zwei Elternteile arbeitslos sind oder das Familieneinkommen gering ist, oder Kinder aus einem so genannten „bildungsfernen“ Elternhaus. Darüber hinaus können Kinder auch bildungsbenachteiligt sein, wenn ihre Eltern als Besserverdienende aufgrund ihrer Berufstätigkeit nicht einmal die Zeit finden, ihre Kinder zur Musikschule oder zur Chorprobe zu fahren, so Petzold. Außerdem gibt es laut der Projektbeschreibung der SINGEN.Bündnisse auch eine Bildungsbenachteiligung struktureller Natur, zum Beispiel in ländlichen Regionen mit einem geringen kulturellen Angebot.

„Wir haben im Ausgangskonzept deutlich gemacht, dass wir Singen für die sozialste Form künstlerischer Betätigung überhaupt halten, weil es sehr niederschwellig zu beginnen ist“, so Petzold. „Man kann ein Kind sofort an das Singen heranbringen und es dann in der Gemeinschaft individuell fördern. Singen als Gemeinschaftsaktivität kann jedes Kind integrieren. Es ist die Aufgabe der Pädagogen, diese Kinder adäquat zu beteiligen, ohne sie in ihrer Bildungsnotsituation zu diskreditieren – und gleichzeitig eine Chance, spezielle Fähigkeiten der Kinder individuell zu erkennen und zu stärken.“

Gefördert werden können drei unterschiedliche Formate, die jeweils durch eine Präsentation am Schluss, ein Konzert, eine Aufführung oder ähnliches abgerundet werden sollen. Der Unterschied der Formate betrifft die Projektdauer: Kurzprojekte („S“) dauern maximal eine Woche, mittelfristige Projekte („M“) bis zu vier Wochen und langfristige („L“) bis zu 20 Wochen. Dass der Aspekt der Nachhaltigkeit damit nicht im Vordergrund steht, weiß die DCV-Geschäftsführerin: „Wir betrachten das Programm als eine Impulssetzung, die den Fokus darauf richten soll, wie wichtig kindgerechtes Singen ist, wie wichtig das Singen als Einstieg in eine künstlerische Tätigkeit für Kinder sein kann. Aber grundsätzlich können wir mit diesem Förderprogramm keine langfristige Förderung ermöglichen. Der DCV bekommt insgesamt 10 Millionen Euro. Auf fünf Jahre verteilt, sind das 2 Millionen im Jahr. Wir haben allein 27.000 Mitgliedschöre. Wenn ich nur wenige Maßnahmen langfristig fördere, besteht die Gefahr, dass zu wenige Antragsteller zum Zug kommen. Das wäre dann das Schlaraffenland für eine Handvoll Antragsteller, aber die anderen würden leer ausgehen. Wir wollen aber den Klimawandel zum Singen mit Kindern erzeugen, und mit vielen Impulsmaßnahmen das Bewusstsein der Menschen für das Thema stärken.“

Nach drei Jahren sollen die Bildungsbündnisse aller 35 Organisationen evaluiert werden. Dann wird es sich zeigen, ob und in welchem Maß das Ziel des Projekts erreicht wurde: benachteiligten Kindern den Zugang zu Kultur in allen Sparten zu ermöglichen. Erst einmal geht es für die Institutionen darum, ihre Projekte an der Realität zu messen und abzuwarten, wie ihre Angebote angenommen werden. Für andere aber geht es noch immer darum, überhaupt starten zu können. Wir berichten weiter.

Barbara Haack


 

 

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