Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
ver.di-Angriff auf den NV Bühne
Nachdem in diesem Bereich einige Zeit Ruhe geherrscht hatte, hat die Vereinte Dienstleis-tungsgewerkschaft („ver.di“) schon im Rahmen der letztjährigen Tarifrunde zum TVöD erneut begonnen, die Abgrenzung der Geltungsbereiche der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gegen den NV Bühne in Frage zu stellen. Angriffspunkt sind die „technischen Beschäftigten mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit“, die seit jeher zunächst nach BTT, nunmehr nach dem ihn ablösenden NV Bühne beschäftigt werden.
Die Argumentation der ver.di, die auch in ihrer Internet-Präsenz nachzulesen ist, basiert auf einem Fächer von Halbwahrheiten. So wird behauptet, es gehe darum, die nicht-künstlerisch technisch Beschäftigten, also
z. B. Bühnenhandwerker, aus dem Geltungsbereich des NV Bühne in das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes zu überführen. Dies ist aber gar nicht erforderlich, da dieses Personal vom NV Bühne überhaupt nicht erfasst wird – vereinzelte missbräuchliche Anwendung erfordert keine Tarifänderung.
Weiterhin wird ins Feld geführt, dass die Mindestgage nach NV Bühne nur 1.600,- € im Monat beträgt und damit unter den Vergütungen des öffentlichen Dienstes liegt. Dies ist zwar theoretisch richtig; in der Praxis dient der NV Bühne aber gerade im künstlerisch-technischen Bereich oft dazu, höhere Gagen zu zahlen als dies nach TVöD / TV-L möglich wäre. Anders wäre künstlerisch qualifiziertes Personal oft gar nicht zu bekommen.
Ein drittes Argument sind die ungünstigen Arbeitszeiten. Diese beruhen aber nicht auf dem Tarifrecht, sondern auf der Eigenheit des Theaterbetriebes. Anders als für darstellendes Personal ist für künstlerisch-technisches Personal auch eine Regelarbeitszeit von 40 Std. / Woche tarifiert – ein Nachteil gegenüber dem öffentlichen Tarifrecht ist nicht zu erkennen.
Schließlich wird die Bestimmung des NV Bühne angegriffen, wonach Tontechniker und Personen in ähnlicher Stellung schon dann dem NV Bühne unterfallen, wenn eine überwiegend künstlerische Tätigkeit im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Auch das ist im Ansatz richtig, verkennt jedoch, dass, wenn dies nicht auch der Arbeitswirklichkeit entspricht, eine stillschweigende Vertragsänderung vorliegen kann. Diese hat dann u. U. zur Folge, dass der Arbeitnehmer verlangen kann, die wirksam vereinbarte hohe Vergütung aus dem NV-Bühne-Vertrag mit den zusätzlichen Schutzmechanismen des öffentlichen Tarifrechts zu kombinieren – eine Konstellation, die jeder Arbeitgeber aus ureigenstem Interesse zu vermeiden bestrebt sein wird.
Soweit zu erfahren ist, hat die VKA mittlerweile Zugeständnisse gemacht, denen die TdL wohl bald folgen wird. Diese Zugeständnisse sind wiederum nicht mit den Tarifparteien des NV Bühne abgestimmt worden. Hierdurch besteht konkret die große Gefahr, dass durch kollidierende Geltungsbereiche der unterschiedlichen Tarifrechte eine erhebliche Rechtsunsicherheit geschaffen wird – eine „Steilvorlage“ für die ver.di, eine weitere Zurückdrängung des Künstler-Tarifrechts zu postulieren.
Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass dieser Vorstoß nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Abschaffung des spezifischen Künstler-Tarifrechts an deutschen Bühnen sein soll – was für diese und damit letztlich auch für die an ihnen Beschäftigten – verheerende Folgen hätte. Sicher – das Tarifrecht der künstlerisch Beschäftigten an Theatern birgt erhebliches Verbesserungspotenzial, auch ohne die künstlerischen Produktionsbedingungen an den Theatern zu beeinträchtigen. Um dieses zu realisieren, bedarf es der verstärkten Solidarisierung der künstlerisch Beschäftigten in den Künstlergewerkschaften, die über die Sachkompetenz zur Weiterentwicklung allseits auskömmlicher Arbeitsbedingungen im künstlerischen Bereich verfügen. Hierauf gilt es weiter hinzuarbeiten.
Wilder Osten
Theater Rostock. Foto: Dorit Gaetjen
Wilder Osten in Rostock: In der Diskussion um die Kulturfinanzierung in Mecklenburg-Vorpommern und der damit verbundenen Absicht des Landes, die Standorte Schwerin und Rostock zu fusionieren, setzt Kulturminister Matthias Brodkorb der Stadt Rostock in Cowboy-Manier die Pistole auf die Brust und droht, Landesmittel für das Volkstheater und den geplanten Neubau zu streichen für den Fall, dass sich die Bürgerschaft gegen entsprechende Verhandlungen mit dem Land und der Stadt aussprechen sollte. Sollte Rostock signalisieren, dass „gemeinsame“ Theater- und Orchesterkonzept nicht mittragen zu wollen, wäre die Folge, dass dann auch die Zusicherungen des Landes entfielen, dies bedeute: „Keine Landesbeteiligung, keine Umstrukturierungshilfen, keine Erhöhung der Mittel ab 2020, keine Unterstützung durch das Land an einem Theaterneubau. Rostock würde mit einem solchen Beschluss für sich festlegen, dass es in Sachen Theater seinen eigenen Weg gehen will.“
Abgesehen davon, dass es juristisch mehr als fragwürdig erscheint, ob diese Drohung bzw. deren Umsetzung rechtens wäre (bisher zumindest liegt die Kulturhoheit immer noch bei den Kommunen und die Landesmittel sind gesetzlich festgelegt), ändern sich die Informationen über den Stand des VTR nahezu täglich. Der Bühnenverein hat die Gewerkschaften zwischenzeitlich aufgefordert, zu einem weiteren Gespräch auf der Grundlage des letzten Gesprächs vom 12. Dezember, in dem die Gewerkschaften ein HTV Angebot in Millionenhöhe unterbreitet hatten (s. Oper&Tanz 1/2013, S. 6) zusammenzukommen. Wir werden weiter berichten.
Mehrwertsteuerbefreiung gescheitert
Die von der Bundesregierung zunächst geplante Mehrwertsteuerbefreiung für selbstständig tätige Regisseure und Choreografen ist geplatzt. Ursprünglich war vorgesehen, die entsprechende Regelung in das Jahressteuergesetz 2013 aufzunehmen. Die Verabschiedung dieses Gesetzes war jedoch Mitte Januar im Vermittlungsverfahren zwischen Bundesrat und Bundestag gescheitert. Im „Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz“, das die Koalition im Februar in den Bundestag einbrachte, tauchte die Umsatzsteuerbefreiung für selbständige Choreografen und Regisseure nicht mehr auf. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten versucht, durch einen Änderungsantrag bei den Ausschussberatungen die Umsatzsteuerbefreiung noch einzubringen, scheiterten aber an der Regierungskoalition. Zuvor hatten sich Agnes Krumwiede und Siegmund Ehrmann, Kulturpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen bzw. der SPD in einer Pressemitteilung zu Wort gemeldet: „Für ihre selbstständige Arbeit im Auftrag öffentlich-rechtlicher Theater und Opernhäuser müssen sie [die Choreografen und Regisseure] die volle Umsatzsteuer zahlen, was Sinn und Zweck der Umsatzsteuerbefreiung dieser Kultureinrichtungen widerspricht und die ohnehin knappen Kulturhaushalte von Ländern und Kommunen zusätzlich belastet“. Das sei „eine Blamage für den Kulturstaatsminister und für die betroffenen Künstlerinnen und Künstler eine denkbar schlechte Nachricht“.
|