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Auf Distanz zum Regietheater
Der neue Intendant der Kölner Oper Uwe Eric Laufenberg · Von
Christian Tepe
Die Erwartungen an „den Neuen“ sind hoch: Misslungene
Uraufführungen, die Bestellung unerfahrener Regisseure und
eine konzeptionslose Spielplangestaltung hatten der Kölner
Oper bei vielen Beobachtern den Ruf eingebracht, „eines der
profillosesten deutschen Opernhäuser“ zu sein. Uwe Eric
Laufenberg, zuletzt Intendant des Hans Otto Theaters in Potsdam,
soll es jetzt richten. Neben der ästhetisch-programmatischen
Erneuerung gilt es für den Schauspieler und Regisseur Laufenberg
aber zugleich, eine immense organisatorische Herausforderung zu
meistern: Von 2010 bis 2013 steht die Renovierung des Stammhauses
am Offenbachplatz an. Christian Tepe sprach für „Oper&Tanz“ mit
dem umtriebigen und kämpferischen Theatermacher Laufenberg über
seine Kölner Pläne.
Oper&Tanz: Die moderne Architektur des Riphahn-Gebäudes
kündet von dem Anspruch der Kölner Oper, ein Domizil
für zeitgenössisches Musiktheater zu sein. Auf der beeindruckend
langen Liste der Uraufführungen finden sich viele große
Namen wie die von Fortner, Zimmermann, Kagel, Trojahn, Matthus,
Müller-Wieland oder Benes. Wie werden die Opern des 21. Jahrhunderts
beschaffen sein, die Sie in Köln zur Diskussion stellen?
Uwe Eric Laufenberg: Mein Vorgänger hat sich zusammen mit
Generalmusikdirektor Markus Stenz damit hervorgetan, jedes Jahr
eine Uraufführung zu präsentieren. Wenn man diese neuen
Opern noch einmal Revue passieren lässt, sind da sehr unterschiedliche
Produkte herausgekommen. Insofern ist mein Bestreben nicht unbedingt,
nach Uraufführungen zu schielen, sondern gute neue Stücke
nachzuspielen, damit sie überhaupt die Möglichkeit kriegen,
ins Repertoire zu kommen. Jeder möchte gerne Uraufführungen
machen, weil er dann die Presseöffentlichkeit hat. Aber ein
Stück auf den Spielplan zu setzen, von dem man überzeugt
ist, mit ihm das Publikum zu faszinieren und zu fesseln – genau
das tut man dann eben nicht. Deshalb werden wir in der ersten Spielzeit
Peter Eötvös, der in Köln noch nicht gespielt worden
ist, obwohl er in dieser Stadt jahrzehntelang gewirkt hat, mit „Love
and Other Demons“ vorstellen. Im zweiten Jahr werden wir
eine Uraufführung machen, allerdings von Karlheinz Stockhausen,
einem Komponisten, der gerade gestorben ist, der im Kölner
Raum ebenfalls eine wichtige Rolle spielt und dessen Opern aus
seinem berühmten „Licht“-Zyklus hier bisher nicht
verwirklicht worden sind. Darüber hinaus bringen für
uns die drei Jahre während der Renovierung des Riphahn-Gebäudes
den Versuch mit sich, an anderen Spielstätten als in einem
Opernhaus kreativ zu arbeiten, das heißt, das Musiktheater
Räumen und Prozessen auszusetzen, die eine neue Spannung in
bekannte Werke geben. Genauso wird es sich anbieten, die Guckkastenbühne
zu öffnen und auszuprobieren, was heutiges Musiktheater wirklich
sein könnte.
Schwerpunkt Sängerauswahl
O&T: In die Annalen der Kölner Oper ist das Wiedereröffnungsjahr
1957 auch durch ein Gastspiel von Maria Callas als Bellini-Interpretin
eingegangen. Nun haben Sie angekündigt, der singende Mensch
solle wieder im Mittelpunkt der Oper stehen. Was bedeutet das für
Ihre Besetzungsentscheidungen?
Laufenberg: Natürlich ist meine Besetzungsstrategie, das Bestmögliche
zu bekommen. Das Bestmögliche heißt aber nicht immer,
die teuersten oder berühmtesten Solisten der Welt zu engagieren.
Köln hat sich einmal dadurch ausgezeichnet, dass einerseits
Sänger von Weltformat hier gerne gesungen haben und dass andererseits
viele junge und begabte Sänger wie Lucia Popp oder Margaret
Price aus Köln heraus Weltstars geworden sind. Diese Mischung
soll es wieder werden. Man soll Lust haben, auch wegen der Sänger
in die Kölner Oper zu gehen.
O&T: Schon bei der ersten Premiere
Ihrer Intendanz, Wagners „Meistersinger“,
werden Sie am Regiepult sitzen. Erfahrungen mit der Opernarbeit
haben Sie seit 1992 gesammelt, wobei man Ihnen eine kritische Distanz
zum Regietheater nachsagt.
Laufenberg: Regietheater hat mich ehrlich gesagt
nie interessiert – weder
im Schauspiel noch in der Oper. Ich habe im Schauspiel immer gedacht:
Das Wichtigste sind die Schauspieler. Natürlich hat so jemand
wie Frank Castorf den Schauspieler einmal vom Text befreit. Das
fand ich eine durchaus wichtige Bewegung. Letztlich ist es aber
doch so, dass wir gucken müssen, wie wir den Text mit dem
Schauspieler zusammenführen – denn es gibt einfach zu
viele gute Texte! Genauso ist es in der Oper. Da ist zum Glück
noch keiner so richtig auf die Idee gekommen, die Sänger von
der Musik zu befreien! Es geht auch in der Oper darum, die Leute,
die unmittelbar agieren – also neben den Solisten auch den
Dirigenten und die Kollektive, besonders den Chor – dahin
zu bringen, den Atem des Stückes am Abend passieren zu lassen.
Wenn das Regietheater dazu helfen kann, ist es herzlich willkommen.
Aber man soll sich auch nicht wichtiger machen als das eigentliche
Produkt. Der Papst ist nicht wichtiger als der liebe Gott. Was
ich überhaupt nicht leiden kann, ist, wenn da eine Regieanweisung
steht, dann unbedingt das Gegenteil davon zu tun. So hat mir einmal
ein befreundeter Regisseur, als ich gerade „Fidelio“ inszenierte,
geraten: „Prima, damit kannst du alles machen. Es darf nur
nicht im Gefängnis spielen!“ Zukunft der Tanzcompagnie...
O&T: Das Ziel Ihrer Intendanz
haben Sie sehr selbstsicher mit dem Motto umschrieben, Köln müsse wieder Weltstadt werden.
Zu einer Metropole wie Köln gehört ganz gewiss auch ein
Tanzensemble. Die Bühnen Köln haben in der nächsten
Saison keines mehr. Inwieweit fällt das in Ihren Verantwortungsbereich?
Laufenberg: In meinem Vertrag steht, dass die
Stadt Köln wieder
eine Tanzcompagnie aufstellen will und dass ich in der Oper dafür
zu sorgen habe, der Truppe Aufführungen mit Orchester zu ermöglichen.
Wobei ich vorweg sagen muss: Es wird neben mir und Frau Beier im
Schauspiel einen eigenen Ballettintendanten geben. Das soll eine
selbständige Sparte sein, die mir nicht unterstellt ist. Für
2009 hat es den Versuch gegeben, mit Bonn zusammen – finanziert
durch das Land NRW sowie durch die Städte Köln und Bonn – ein
Tanzensemble zu gründen. Kölns Kulturdezernent Georg
Quander hat da nicht gekleckert, sondern geklotzt und vorgegeben: „Das
muss eine große Tanzcompagnie sein mit über 50 Tänzern.
Es soll großes Ballett gemacht werden, sonst lohnt es sich
gar nicht.“ Mit Christian Spuck hatte Herr Quander eine absolute
Koryphäe. Köln wollte unbedingt, das Land auch, Bonn
ist ausgeschert. Jetzt ist das nächste Ziel, 2013 wirklich
wieder eine Tanzcompagnie in Köln zu haben, notfalls auch
alleine. Nun ist gerade Wirtschaftskrise und alle jammern über
die Steuerrückgänge; wie es also 2013 wirklich aussehen
wird, weiß ich nicht. Aber ich glaube, die Stadt Köln
wäre gut beraten, wenn sie gerade in den Kulturausgaben – wo
sie in den letzten zehn Jahren Versäumnisse gehabt hat – nach
vorne geht.
O&T: Von 2010 bis 2013 steht die Sanierung
des Riphahn-Gebäudes
an. Dann wird ein großer Teil des Spielbetriebes in ein Übergangsquartier
an der Peripherie der Stadt ausgelagert. Wie wollen Sie das Publikum
in die Schanzenstraße nach Köln-Mülheim locken?
Laufenberg: Alle Kölner, die Karneval feiern, wissen, wo das
liegt, denn da sind immer die Stunksitzungen. Und alle Leute, die
Pop lieben, gehen da auch hin, denn dort sind die großen
Popkonzerte. Wir haben da einen Ort, der im Grunde genommen „in“ ist.
Der traditionelle konservative Opernhausbesucher etwas älteren
Semesters weiß es vielleicht noch nicht, was für ein
toller Ort das ist. Aber den da jetzt auch noch hinzukriegen, sehe
ich als eine Chance – und Leute für die Oper zu interessieren,
die wohl das Quartier an der Schanzenstraße gut kennen, aber
sonst nicht in die Oper gehen, das ist die zweite Chance. ... und
der Kinderoper
O&T: Beinahe europaweit beneidet
man Köln um sein Kinderopernzelt
im oberen Foyer des Opernhauses. Verliert das Institut mit dem
Zelt nicht ein Alleinstellungsmerkmal, wenn nach der Renovierung
ein separates Opernhaus für Kinder eröffnet werden soll?
Laufenberg: Der Riphahn-Bau wird in seinem denkmalgeschützten
Bereich mit der Kinder-oper zugleich auch sehr belastet. Für
einen normalen Opernbesucher, der abends in die Oper geht, ist
dieses Zelt eine echte Sperre. Insofern hat man nach einer architektonischen
Lösung gesucht, die Kinderoper an einer prominenten Stelle
innerhalb des Opernhauses neu zu beherbergen. Dabei haben wir einen
Ort gefunden, an dem die Kinderoper einen eigenen Eingang bekommt
und der neben einer vielseitigen Funktionsbühne Platz für
200 Leute bieten wird. Dieses Zelt hat einfach viel zu wenig Zuschauerkapazität.
Das Zelt ist übrigens schon Geschichte, das Foyer ist wieder
frei. Die Kinderoper zieht bereits im September in eine Übergangsspielstätte.
Eine für mich wesentliche Erneuerung ist auch, dass die Kinder
dann endlich die Musiker sehen, die bisher aus dem Beleuchtungsraum
spielten. Geplanter Neubau
O&T: Viele Kenner der Kunst-
und Kulturwelt befürchten,
dass im Nachgang der Wirtschaftsmalaise eine neue, ungleich schärfere
Krise der Kulturfinanzierung drohe. Eine Prognose, die sich in
Köln schnell bewahrheitet hat: Oberbürgermeister Schramma
hat Anfang Juli die Planung für die Sanierung des Opernhauses
und den Neubau des Schauspielhauses gestoppt, nachdem bekannt geworden
war, dass statt 230 nun 364 Millionen Euro benötigt werden.
Was folgt daraus für Ihre eigenen Dispositionen?
Laufenberg: Ich weiß gar nicht, was Herr Schramma gestoppt
hat, denn es ist ja gar nichts im Gange. Es geht im Moment nur
um eine Planung der Finanzdurchrechnung und die ist nicht gestoppt,
sondern intensiviert worden. O&T: Allerdings hat Baudezernent Bernd Streitberger bereits
den Zeitplan für die Wiedereröffnung 2013 in Frage gestellt.
Laufenberg: Köln gehört ja immer zu den Städten,
wo ganz viel und laut geredet wird. Dadurch wird auch manchmal
ganz laut etwas zerredet. Auf der anderen Seite sind die Verträge
für die Ersatzspielstätten abgeschlossen, die sind nun
verpflichtend. Wenn man die 365 Millionen Euro für das Projekt
in der Gestalt, in der es doch alle toll fänden, nicht dafür
aufwenden will, muss man sich überlegen: Wie viel wollen wir
aufbringen und was machen wir davon? Ich persönlich habe in
den nächsten Tagen und Wochen einen engen Terminkalender,
um mit den unterschiedlichsten Vertretern aus Politik und Verwaltung
sowie mit Theaterleuten und Architekten Wege zu finden, wie wir
das Beste dieses Projekts retten.
O&T: Dabei wünscht Ihnen „Oper&Tanz“ viel
Erfolg. Herzlichen Dank für das Gespräch. Christian Tepe |