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Editorial

Schützenswertes Kulturerbe oder aussterbende Gattung?

Ende 2014 wurden erstmals 27 Traditionen und Wissensformen in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen, darunter die Deutsche Theater- und Orchesterlandschaft. Am 16. März 2015 wurden die betroffenen Vereine und Initiativen in der Berliner Landesvertretung Schleswig-Holsteins ausgezeichnet.
Anlässlich der Verleihung der Urkunden betonte die Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters die Bedeutung des Verzeichnisses: Dieses sorge „für Wertschätzung, indem es uns bewusst macht, dass unser Reichtum nicht allein in unserem Wohlstand begründet liegt, sondern auch in der Vielfalt unserer Kultur“.

   

Gerrit Wedel

 

Deutschland ist seit 2013 Vertragsstaat des UNESCO-Übereinkommens zum immateriellen Kulturerbe. Die Konvention sieht vor, dass jedes Beitrittsland zunächst ein nationales Verzeichnis erstellt. Zum immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Wichtig ist, dass die Tradition oder der Brauch bereits über Generationen betrieben werden und in ihrer Ausübung auch in Zukunft gesichert sind. Über die Deutsche UNESCO-Kommission läuft das Bewerbungsverfahren, die einzelnen Bundesländer wirken hierbei über die Kultusministerkonferenz mit, ein unabhängiges Expertenkomitee bewertet die Bewerbungen und gibt Empfehlungen ab.

Man sollte meinen, dass gerade die jüngst erfolgte Wertschätzung der Theater- und Orchesterlandschaft auch einen politischen Widerhall in der jeweiligen Kulturpolitik fände, die gewählten Vertretungen der Bürger also verantwortungsvoll mit diesem Erbe umgingen.Die Realität sieht aber ganz anders aus, spätestens wenn es um die Finanzierung dieses erhaltungswürdigen Erbes geht. So handelte zunächst Sachsen-Anhalt den Empfehlungen des extra einberufenen Kulturkonvents zur Erhöhung der Kulturmittel diametral entgegen und strich diese um mehrere Millionen empfindlich zusammen und bescherte damit den Standorten Dessau und Halle grundsätzliche Existenzprobleme.

Mit dem denkbar schlechtesten Beispiel geht aber nach wie vor Mecklenburg-Vorpommern voran, an erster Stelle vertreten durch den Kulturminister Brodkorb, der an seiner völlig verfehlten Kulturreform festhält und dadurch zu einer unverantwortlichen Spartenamputation in Rostock und einer unsinnigen Zwangsfusion der Standorte Greifswald, Stralsund und Putbus mit Neustrelitz und Neubrandenburg zu nötigen versucht. Kulturabbau par Excellence!

Immerhin bangt nun schon die Bundes-SPD, vertreten durch Wolfgang Thierse als Vorsitzendem des Kulturforums der SPD, in einem Brandbrief an den Minister (abgedruckt auf der Rückseite diese Heftes) um die sozialdemokratische Glaubwürdigkeit und das Ansehen der Sozialdemokratie, denn wie die SPD auf Bundesebene programmatisch ausführt, sei unter anderem die Kultur als öffentliches Gut Pflichtaufgabe, die Sanierung von Haushalten dürfe nicht zu Lasten der Kultur gehen, Kultur sei Investition in die Zukunft und besonders die ostdeutsche Theaterlandschaft sei ein einzigartiges schützenswertes Juwel.

Das lässt hoffen, möglicherweise bekommen die Parteien langsam mit, dass die Politik nicht an den Bürgern, die sich massiv um der Sache willen einsetzen, vorbei gemacht werden kann.

So ist es denn auch nicht erstaunlich, dass gerade in der Stichwahl zum Oberbürgermeisteramt in Neubrandenburg der freie Kandidat Silvio Witt, der sich im Übrigen eindeutig zum Erhalt des eigenständigen Theaterstandortes NBB/NStr positioniert hat, mit überwältigender Mehrheit von knapp 70 Prozent der Stimmen (!) ins Amt gewählt worden ist. Vielleicht gibt das den tradierten Parteien doch endlich mal zu denken...

„Das immaterielle Kulturerbe muss in den Köpfen und Herzen fortbestehen, um erhalten zu bleiben“, sagte Grütters. „Die jetzt ausgezeichneten Traditionen stehen für die Kreativität der Menschen in den Regionen und sind Ausdruck ihres sozialen Zusammenhalts.“ Vielleicht schaffen wir es ja in Deutschland allen (Brod)-“Körben“ zum Trotz doch noch, die Theater- und Orchesterlandschaft als Teil des lebendigen kulturellen Erbes so lange zu erhalten, bis sie auch für „die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ nominiert werden kann, und nicht soweit zusammengespart ist, dass sie nur noch auf die Liste der vom Aussterben bedrohten Gattungen gehört.

Gerrit Wedel

 

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