Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


Tanztheater im Fokus

Neue Ballettbücher · Von Malve Gradinger

Pina Bausch
Ursula Kaufmann: „Pina Bausch und das Tanztheater Wuppertal“. 320 Seiten, 200 Fotografien, Edition Panorama, 78 Euro

Pina Bauschs Tanztheater, in den 70er-Jahren unerhörte Revolte – formal gegen ein in Konventionen erstarrtes Ballett, inhaltlich gegen Mann-Frau-Rollenklischees –, ist längst und zu Recht zu einem klassischen Genre geworden. Was der jetzt erschienene prächtige Bildband „Pina Bausch und das Tanztheater Wuppertal“ von Ursula Kaufmann bezeugt. Kein einziges Bausch-Stück hat auch nur den Anflug von Vergangenheitspatina. Nicht einmal die frühen Tanzopern „Iphigenie auf Tauris“ (1974) und „Orpheus und Eurydike“ (1975).

Kaufmanns so umfangreiche Dokumentation wird ergänzt durch einen hochsensiblen, erhellenden Text der Journalistin und Autorin Gudrun Norbisrath, die, wie Kaufmann, die Arbeit und Entfaltung dieser einmaligen Pina Bausch und ihrer persönlichkeitsstarken Tänzer über Jahrzehnte verfolgte. Die Fotografin, das wird hier merkbar, hat einen Tiefenblick entwickelt für die immer wunderbar unfestgelegte, verrätselte Bildtheatralik der Bausch: ein süffisant verlockendes Sirenenlächeln über einer kokett gehobenen Schulter. Eine provozierend nur mit Luftballons bekleidete Blondine. Ein Herr, der seiner Tanzpartnerin mit seinen Zeigefingern hinterrücks Hörner aufsetzt. Eine zornige Dame, die einen Stuhl gegen ihren Begleiter schwingt. Da ist es, das Tanztheater der Bausch – ein liebevoll ironischer Spiegel der zwischenmenschlichen Tragik und Komik.
Aber da ist in Kaufmanns poetischen, geradezu gemäldehaften Fotografien der Tanz-Tanz der Bausch – ihre so ganz besondere, aus dem Alltag heraus entwickelte gestische Sprache: die kleinen skurrilen, eng um den Körper herumstreichenden Arme und Hände; die noch im flatternden Kleid und fliegenden Haar weit ausschwingende freie tänzerische Bewegung. Und nicht zuletzt holt die Fotografin auch Bauschs immer zwingend (be)deutende, meist betörend schöne Räume ins Bild: die Liegewiesen, die Nelkenfelder, die Rosenhügel und sandigen Strände. Erinnert so daran, wie wichtig die Natur dieser Tanz- und Theaterkünstlerin war.

Rund 200 Momentaufnahmen aus 40 Stücken – von „Frühlingsopfer“ (1975) bis zu „Der Fensterputzer“ (1997), von „Kontakthof“ (1978), „Keuschheitslegende“ (1979) und „Bandoneon“ (1980) bis zu „Bamboo Blues“ (2007) – sind in diesem großformatigen Band versammelt. Und wer ihn aufschlägt, taumelt wie Alice im Wunderland staunend hinein in diese grandiosen Tanzbilder – welche die Kunst der 2009 verstorbenen Pina Bausch zum unmittelbar sinnlichen Nacherleben wieder wachrufen.

Ballett heute
Bettina Stöß und Klaus Kieser: „Ballett heute“, 127 Seiten, 19 Fotostrecken, Reclam, 39,95 Euro

Das klassische Ballett: ein Märchen in prächtiger Ausstattung und auf Spitze getanzt; das wird, gottseidank, auch heute noch gepflegt. Aber seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich diese Kunstgattung, gesellschaftlichen Entwicklungen entsprechend, in Form und Inhalt verändert. Wie sehr und wie vielfältig, ist dem heutigen Kultur-Konsumenten – der schaut und genießt – gar nicht so bewusst. Mit dem Bildband „Ballett heute“ möchten die Fotografin Bettina Stöß und der Tanzpublizist Klaus Kieser die aktuelle stilistische Palette ins Blickfeld rücken.

Natürlich gehören in einen Ballett-heute-Überblick die klassischen Märchenballette des 19. Jahrhunderts „Dornröschen“ und „Schwanensee“, hier dokumentiert mit Produktionen des Bayerischen und des Berliner Staatsballetts. Gleich danach ein Muss: die exquisiten neoklassischen Handlungsballette des 20. Jahrhunderts, John Crankos „Onegin“ und John Neumeiers „Kameliendame“. Als Beispiele dienen Aufführungen des Staatsballetts Berlin und des Königlich Dänischen Balletts. Gleich wichtig und gleichwertig die rein Musik umsetzenden Ballette von George Balanchine, von dem neoklassischen Hans van Manen, dem neoklassisch-modernen Jiri Kylián und Pina Bauschs vor ihrer Tanztheaterzeit kreiertes frei und wild bewegtes „Frühlingsopfer“.
An neunzehn Fotostrecken von Stöß, jeweils von Kieser vorab eingeführt, lässt sich eine Entwicklung ablesen: Ballett wurde neoklassisch. Wurde nochmals sportlich verschrägt durch William Forsythe. Integrierte schließlich moderne, zeitgenössische und sogar pointiert bildnerische Elemente – wie man es erlebt bei der nachgewachsenen Choreografengarde Martin Schläpfer, Stephan Thoss, Christian Spuck und Marco Goecke.

Aus dieser fotografischen Auswahl wird ersichtlich, dass Ballett, in all seinen stilistischen Auffächerungen, nicht nur von großen Ensembles getanzt wird. Die Fotos vom hessischen, saarländischen und Nürnberger Staatstheater zeigen, dass sich deren kleinere Ensembles an diese Stilvielfalt heranwagen. Und mit Qualität. Die klaren Momentaufnahmen von Bettina Stöß sind der Beweis.

Malve Gradinger

 

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner