Hintergrund
Sicherheit
großgeschrieben
Über die Aufgaben einer Sicherheitsfachkraft an Theatern
Neben Opernchor und Bühnentanz existieren zirka weitere 50 Berufsgruppen an deutschen Theatern und Opernhäusern. Diese Häuser werden von Sicherheitsfachkräften (SIFA) beziehungsweise -ingenieuren beraten, damit Gefährdungen der unterschiedlichen Abteilungen und Mitarbeiter/-innen gemindert oder verhindert werden. Was zeichnet dieses anspruchsvolle und abwechslungsreiche Berufsbild bei den Bayerischen Staatstheatern in München aus? Klaus Haarer berichtet über seine Aufgaben als Sicherheitsingenieur an den vier Bayerischen Staatstheatern in München.
vierteiliges, zum Teil maschinell bewegtes Bühnenbild der Inszenierung „Il Trittico“ an der Bayerischen Staatsoper (Foto: Wilfried Hösl).
Der Arbeitgeber ist gemäß §3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben. Mit dieser knappen Formulierung wird der Stellenwert des Arbeitsschutzes im Betrieb und somit selbstverständlich auch im Theater und Opernhaus gesetzlich festgelegt.
Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit (SIFA) müssen in jedem Betrieb bestellt werden. Sie unterstützen den Betrieb zu Fragen von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz und sind damit wichtige Partner des Arbeitgebers, sowie der verschiedenen verantwortlichen Führungskräfte. Sie arbeiten eng mit dem Betriebsarzt und den einzelnen ehrenamtlichen Sicherheitsbeauftragten (SiBe) sowie der Personalvertretung zusammen. Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG).
Aufgabenportfolio der SIFA
Montage des multifunktionalen und maschinell angetriebenen Bühnenbilds der seinerzeitigen Inszenierung „Die Räuber“ von Ulrich Rasche am Residenztheater (Foto: Haarer)
Die SIFA wirkt bei der Erstellung von Gefährdungsanalysen für alle Arbeitsplätze und Spielstätten in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Abteilungsleitern mit und liefert inszenierungsbezogene Gefährdungsbeurteilungen in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen technischen Vorständen. Sie arbeitet außerdem im Arbeitssicherheitsausschuss (ASA) mit, ebenso bei Mitarbeiterschulungen, die sie zum Teil auch selber durchführt. Sie erarbeitet Unterweisungen für alle Mitarbeiter der technischen, nichttechnischen und künstlerischen Abteilungen und unterstützt Abteilungsleiter bei der Durchführung dieser Unterweisungen.
Zu den Aufgaben gehört auch die Durchführung von Sonderunterweisungen und Evakuierungsübungen, die regelmäßige Überarbeitung von Arbeitsschutzinstruktionen und Havarieplänen, zudem die Überwachung der Umsetzung und Einhaltung der Brandschutzordnung.
Position der SIFA im Theater
Typische Gefährdungssituation für den Chor. Foto: Haarer
Die SIFA ist weder weisungsgebunden noch weisungsbefugt und deshalb völlig frei in ihrer Beratungstätigkeit. Je nach einschlägiger Berufserfahrung am Theater und Opernhaus und persönlichem Engagement beziehungsweise Auftreten, Einfühlungsvermögen und sozialer Kompetenz wird die Befähigung der Person, die diese Beratungstätigkeit ausübt, allgemein anerkannt; ihre Bedenken sowie entsprechend formulierte Empfehlungen werden durchaus ernst genommen. Die Durchsetzung dieser Empfehlungen zum Beispiel im Hinblick auf inszenierungsbedingt verfolgte künstlerische Ideen und Konzepte erfolgt letztendlich in entsprechenden schriftlichen Ergebnisnotizen und Empfehlungen, die an die jeweiligen Abteilungsleiter oder Direktoren beziehungsweise an die Geschäftsführende Direktion adressiert werden.
„Sichere“ Inszenierungen
Grundreinigung des Ballettbodens. Foto: Haarer
Im Idealfall lernt die SIFA die Inszenierungen bereits während der Modellabgabe und Bauprobe, also in der jeweiligen Entstehungsphase kennen und kann bereits dort auf entsprechende „unsichere“ Situationen hinweisen. Zu Beginn der Probenphase besucht er oder sie das Konzeptionsgespräch und einige Proben sowie mindestens eine Endprobe auf der Bühne.
Die Bayerischen Staatstheater in München zeichnen sich durch eine hohe Sicherheitskultur bei Inszenierungen aus: Bereits seit vielen Jahren werden grundsätzlich inszenierungsbedingte Gefährdungsbeurteilungen im Hinblick auf die besonderen Unfallgefahren der Bühne erstellt. Die Technischen Leitungen und Bühnenvorstände haben häufig ähnliche berufliche Hintergründe wie die SIFA, somit wird auch durch eine gemeinsame Sprache nicht „aneinander vorbei geredet“ und es kommt zu keinen unlösbaren Konflikten. Die letztendliche Verantwortung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Inszenierungen liegt durch entsprechende Aufgabenübertragungen seitens der Leitungen der Häuser dann bei den Technischen Direktionen.
Rechtliche Grundlagen
Rechtliche Grundlagen für die Tätigkeit der SIFA sind in erster Linie das Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitsgesetz, des Weiteren das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit, sowie das Mutterschutzgesetz und die branchenspezifischen Publikationen der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung).
Beispiel für einen unzulänglichen Ballettboden. Foto: Haarer
Verantwortlich ist die SIFA für etwa 50 unterschiedliche administrative, handwerkliche, handwerklich-künstlerische und künstlerisch-darstellerische Berufe bei etwa 2.500 Beschäftigten der Bayerischen Staatstheater in München. Dazu kommen externe Beteiligte wie Fremdfirmen, Aushelfer, Bauämter, Planungsbüros und Dienstleister. Gäste (Gastsänger/-innen und -tänzer/-innen) gelten für die SIFA bei den Bayerischen Staatstheatern als reguläre Beschäftigte und genießen folglich die gleiche Behandlung wie die Festangestellten Mitarbeiter.
Gefährdungen im Chor-
und Tanzbereich
Die meisten Unfälle sind glücklicherweise minder schwere Stolper-, oder Sturzunfälle bei Chorsänger/-innen und Tänzer/-innen in Trainings-, Proben- oder Vorstellungssituationen, aber auch Wegeunfälle in oder zu beziehungsweise von den jeweiligen Häusern. Bei Tänzern kam es in den letzten zwei Jahren zu einer geringfügigen Häufung von Sturz- oder Umknick-Unfällen in den Ballettsälen unter anderem aufgrund der Beschaffenheit der dortigen Tanzböden.
Bei den Bühnentechnikern passieren Unfälle darüber hinaus überwiegend dadurch, dass sie von Kulissenelementen und Werkzeugen getroffen oder verletzt werden, vor allem beim Auf-, Um- oder Abbau beziehungsweise beim Transport von Dekorationen und Bühnenbildteilen.
Physische und psychische
Gefährdungen
Physische Gefährdungen können – unter anderem in Verwaltung und Administration – auch bei ungünstiger Ergonomie von Arbeitsplätzen auftreten, bei Chor und Orchester bei hohem Geräuschpegel oder durch den Einsatz von Gefahrstoffen. Dies kann die Kollektive betreffen, aber auch die Bereiche Kostüm, Maske, Maler und Theaterplastiker. Psychische Gefährdungen entstehen zum Beispiel durch permanent hohen Zeitdruck, unzulängliches Führungsverhalten, Wechselschichtbetrieb, mangelnde Vorhersehbarkeit freier Tage und ungelöste Konflikte innerhalb größerer Kollektive und Abteilungen.
Gefährdungen durch Corona
Physische coronabedingte Gefährdungen sind in erster Linie die Ansteckungen in größeren Kollektiven und Abteilungen, die allerdings nicht zwingenderweise in den Häusern selbst ihren Ursprung haben müssen, sondern natürlich auch von außen eingebracht werden können. Psychische Gefährdungen können besonders durch die weiterhin hohen künstlerischen Ansprüche und Vorgaben bei eingeschränkten individuellen Möglichkeiten durch Einhaltung der „AHA+L“- Regeln, regelmäßiges Testmonitoring und mangelnde vorausschauende Planbarkeit von Arbeitsabläufen und Freizeit entstehen.
Allerdings sind auch vermehrte Spannungen innerhalb einzelner größerer Kollektive durch die unterschiedlichen Auffassungen zum Impfschutz und zu den individuellen Hygienekonzepten der einzelnen Häuser festzustellen.
Prävention
Prävention erfolgt unter anderem durch regelmäßiges proaktives Handeln, jederzeitige Ansprechbarkeit für die Beschäftigten und Erreichbarkeit für Personalrat, Personalleitung, Technische und Geschäftsführende Direktion und Intendanz. Darüber hinaus wird die größtmögliche physische Präsenz in den vier Häusern angestrebt. Proaktives Handeln besteht unter anderem in regelmäßiger Aufklärung und zeitnaher Beantwortung entsprechender Fragen der Beschäftigten.
Durch regelmäßige vierteljährliche ASA-Sitzungen mit vorgeschalteten Treffen der Sicherheitsbeauftragten und regelmäßige Updates der Hygiene-Corona-Ausschüsse existiert eine fest terminierte Sicherheitsstruktur. Diese wird ergänzt durch das Angebot regelmäßiger Unterweisungen und Schulungen.
Durch regelmäßigen Kontakt mit der zuständigen Aufsichtsperson der Landesunfallkasse beziehungsweise der Kommunalen Unfallversicherung Bayern, der Betriebsärztin und der externen begleitenden Beraterin für mentales Coaching wird auch das eigene Arbeitsverhalten jedes Mal gespiegelt und kritisch hinterfragt.
Sanierungen und veraltete Technik
Klaus Haarer.
Bei länger- und mittelfristig beabsichtigten oder unmittelbar anstehenden Sanierungen wird die SIFA bereits in der Planungsphase zu entsprechenden Themen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes hinzugezogen. Veraltete Technik wird im Rahmen gemeinsamer Begehungen mit LUK/KUVB und GAA oder auch dem entsprechenden Bauamt thematisiert und den entsprechenden Verantwortlichen zur Mängelbehebung schriftlich, gegebenenfalls mit Fristsetzung mitgeteilt.
Grundsätzlich sind die vier Münchner Häuser auch durch die regelmäßigen Sachverständigen- und Sachkundigenprüfungen sowie die aufgrund der Versammlungsstättenverordnung und der Richtlinie für die Überwachung des sicheren Zustands von baulichen Anlagen notwendigen Begehungen in einem guten technischen Zustand.
Klaus Haarer
- Klaus Haarer ist Dipl. Ing (FH) für Theater- & Veranstaltungstechnik und arbeitet seit 40 Jahren unter anderem als Technischer Direktor, Projektleiter Service & Wartung, Bauleiter, Bühnenplaner und Sicherheitsingenieur an unterschiedlich großen Theaterbühnen. Schon als Kind und Jugendlicher hatte er einen engen Bezug zum Theater und stellte bald fest, dass ein Arbeitsfeld hinter der Bühne ihm mehr liegen würde als eines auf der Bühne. Nach seinem Studium der Theater- und Veranstaltungstechnik in Berlin erhielt er seine erste Festanstellung als Assistent des Technischen Direktors bei den Bayreuther Festspielen. Von 1996 bis 2004 war er Technischer Direktor am Theater Regensburg. 2006 wurde er Projekt- und Bauleiter eines theatertechnischen Planungsbüros. Seit 2014 ist er Sicherheitsingenieur der Bayerischen Staatstheater in München.
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