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Berichte

Schwarz-Weiße Un-Romantik

»Tristan und Isolde« an der Oper Frankfurt

Der von Tilman Michael stilistisch auf „Handfest“ einstudierte Männerchor der Oper Frankfurt stemmte die schwarze Inselplattform hoch über alle Köpfe und trug Isolde darauf dem Geheimrat König Marke entgegen – so endete der erste Aufzug in Katharina Thomas Regie: in einem antiromantisch weißen Bühnengeviert, einem Analyse-Raum für Wagners einst unaufführbares, heute immer noch singuläres Werk.

Erkennbar war eine Generallinie des Bühnenteams „Thoma, Johannes Leiacker (Bühne), Olaf Winter (Licht)“: eine „Glotzt-nicht-so-romantisch-Analyse!“ Ein schwarzes Inselgeviert war inmitten des Vorspiels mit Isolde aus dem Himmel des orchestralen Rausches herabgeschwebt: Heimat und Rückzugsort der von der Mutter geschulten Wunderheilerin, die sich auch immer wieder in den schwarzen Kahn begibt, in dem der todeswunde Tristan einst anlandete. Dieses Schwarz-Weiß-Tag-Nacht-Sig-nal, dieses schwarze Viereck stand im zweiten Aufzug als Halt bietender Rückzugsort senkrecht im Raum. Im finalen Bild lag diese Traum-Insel-Wand dann in Anklang an Caspar David Friedrichs „Eismeer“ zersplittert am Boden – jetzt wieder mit einem schwarzen Kahn, in den sich Tristan erneut flüchtete. Gute Ansätze, doch der weltensprengende Realitätsverlust einer utopisch grenzenlosen Liebe stellte sich nicht ein. Der Grund: Brangäne mit Aluminium-Rollkoffer, seltsame Designer-Flaschen für Isoldes Wundermittel, Liebes-Todes-Trank als kleines Vielfach-Gebechere zwischen Isolde und Tristan, reichlich Alkohol-Abusus gemäß Flaschenbatterie im zweiten Aufzug, Jagdgewehre hier, dann aber Holzruder als Kurwenals Waffen im dritten Aufzug und dann doch ein tödlicher Gewehrschuss für ihn; am Ende ihres Liebestodes eine gleichsam emanzipiert dasitzende Isolde… Insgesamt etlicher Regie-Quark in befremdlichen Kostümen (Irina Bartels).

Rachel Nicholls als Isolde. Foto: Barbara Aumüller

Rachel Nicholls als Isolde. Foto: Barbara Aumüller

Der Schlussjubel war dennoch einhellig und steigerte sich noch einmal, als GMD Sebastian Weigle in beide Seitenbühnen winkte und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit viel „Arbeitswerkzeug“ auf die Bühne kam. Sie alle zusammen hatten eine bis in die Nebenstimmen reizvoll durchhörbare, also fein ausbalancierte Interpretation der singulären Partitur gestaltet. Doch der ganz große, alles durchglutende Feueratem stellte sich nicht ein. Aber: Aus den kleinen Nebenrollen ragte der berechnende Melot von Ensemblemitglied Ian MacNeil vokal und darstellerisch heraus; der häufige Gastbariton Christoph Pohl sang einen glaubwürdig herzhaften Kurwenal; das höchst unvorteilhaft kostümierte Ensemblemitglied Claudia Mahnke ließ Brangänes Wachrufe so traumverloren und betörend klangschön tönen, dass einem „Weltennacht-Zauber“ in den Sinn kam – Gänsehaut. Erstes Ensemble-Wunder: Vincent Wolfsteiners Tristan – textgenau, hochexpressiv, dunkles Fundament und Höhenstrahlkraft, ermüdungsfrei bis in den Bühnentod bravourös – stupend (er wird in die freie Karriere gehen, aber Frankfurt verbunden bleiben). Zweites Ensemble-Wunder: Andreas Bauer Kanabas‘ König Marke – textgenau, anrührende Melancholie fein schattierend, ein zu Herzen gehendes Timbre, auf Anhieb in eine Vorgänger-Reihe mit Talvela, Moll, Salminen und Pape zu stellen – erschütternd. Da hatte es die Gast-Isolde Rachel Nicholls schwer: schlank und hochagil, aber nicht gut artikulierend – und in der obersten Terz nur noch kalter, knallharter Stimm-Stahl. Zu Recht flaute der Jubel bei ihr ab. Doch Frankfurt hat wieder einen „Tristan“ im Repertoire – und der bleibt ein inkommensurables Werk.

Wolf-Dieter Peter

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