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Rezensionen
Bayreuther Festspiele
Oswald Georg Bauer: Die Geschichte der Bayreuther Festspiele in 2 Bänden. Deutscher Kunstverlag, Berlin 2016, 1292 Seiten, Abb., 28 Euro ISBN: 978-3-422-07343-2
Oswald Georg Bauer: Die Geschichte der Bayreuther Festspiele in 2 Bänden. Deutscher Kunstverlag, Berlin 2016, 1292 Seiten, Abb., 28 Euro ISBN: 978-3-422-07343-2
Man braucht Ausdauer und Muskelmasse, um Oswald Georg Bauers zweibändige „Geschichte der Bayreuther Festspiele“ immer wieder zu Rate zu ziehen – und wird dafür reich belohnt. Jahr um Jahr gräbt sich Bauer durch die Festival-Geschichte, angefangen von der ersten brieflich bekundeten Festspiel-Idee bis zum kommerzialisierten Festival zur Jahrtausendwende. Dass die Zeit danach auffallend knapp resümiert wird, begründet Bauer damit, dass ihm als Theaterwissenschaftler zu diesen Jahren die nötige Distanz fehle. Sehr ehrlich!
Die Geschichte der Festspiele wird hier zu einer eigenen Kulturgeschichte, vom (Vor-)Kaiserreich über zwei Weltkriege bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, eine Historie, die das Private des Wagner-Clans mit dem Politischen und dem Künstlerischen umsichtig verbindet. Die Fülle an Detailbeobachtungen ergibt nicht nur eine beeindruckende Gesamtschau, sondern hilft auch, manches Heutige zu relativieren. Wenn anno 2016 Andris Nelsons abreist, um nicht zurückzukehren, so hatte sich schon Hans Richter, Uraufführungsdirigent des „Rings“, während der Probenphasen vom Grünen Hügel verflüchtigt, ohne Abschied. Eine revolutionäre Entscheidung, denn Mitarbeiter wurden ehedem wie Eigentum behandelt, ergeben und treu. Und heute?
Bauer dokumentiert, wie sich in den ersten Festspiel-Jahren erst einmal organisatorisch vieles zurechtruckeln musste, bevor mehr und mehr an einer bestimmten Ästhetik gearbeitet werden konnte. Deren notwendige Modernisierung wurde allerdings von Cosima lange in Schach gehalten. Bauer hat nicht nur die schriftlichen Quellen aufgespürt, sortiert und ausgewertet, sondern auch Berge von Bildmaterial, so dass hier Text und Bild ein dokumentarisches Hand in Hand bilden. Bauer versteht sich nicht als Deuter, als Werter oder Richter. Dieser Ansatz gilt uneingeschränkt für den ersten Band und weitgehend für Teil zwei, der mit „Neu-Bayreuth“ beginnt. Doch erwächst hier aus dem peniblen Chronisten zunehmend der Zeitzeuge und Beobachter. Vielleicht aber ist es das große Verdienst, dass der Autor, der von 1974 bis 2008 in unterschiedlichen Funktionen für die Festspiele tätig war, diese Position nicht missbraucht, auch wenn er nun verstärkt subjektiv urteilt. Gerade beim summarischen Blick auf die Zeit nach 2000 spricht aus Bauer der Mahner, jemand, der Gedanken und Debatten anregen möchte, weil er genau weiß: Für dokumentarische Zwecke ist die zeitliche Distanz eben noch nicht groß genug.
Christoph Vratz
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