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Hintergrund

Immer ein Geben und Nehmen

Wolfram Protze, Chorvorstand des Leipziger Opernchors
im Gespräch mit Barbara Haack

Die Oper Leipzig feiert das Jubiläum ihres Opernchores in mehrfacher Weise: Jubiläumskonzert, große Chor-Opern, eine Ausstellung und eine Buchpublikation belegen die Bedeutung dieses runden Geburtstags und vor allem des Jubilars. Mit dem Chorvorstand Wolfram Protze sprach Barbara Haack für „Oper & Tanz“ über den Leipziger Opernchor.

Oper & Tanz: 200 Jahre Leipziger Opernchor: Wie feiern Sie – und wie ist es dazu gekommen, dass Sie feiern?

Wolfram Protze: Im Jahr 2009 wurde eine Publikation zur Geschichte der Leipziger Oper veröffentlicht, in der die Institution Opernchor nicht vorkam. Ich war damals sehr enttäuscht und habe das an die Opernleitung auch weitergegeben. Eine erste Gelegenheit zur „Wiedergutmachung“ gab es dann zur 50-Jahr-Feier des Leipziger Opernhauses 2010. In einem Buch mit dem Titel „Oper Leipzig – Schlaglichter auf 5 Jahrzehnte Musiktheater“ gab es zwei Artikel über den Opernchor. 2012 habe ich den Verantwortlichen Redakteur des Gewandhaus-Magazins, Claudius Böhm, davon überzeugt, im Wagner- und Verdi-Jahr 2013 etwas über den Opernchor zu schreiben. Immerhin sind wir der Opernchor des Gewandhausorchesters Leipzig, welches die drei Säulen Gewandhauskonzerte, Oper Leipzig und Thomaskirche/Thomanerchor bespielt.

Wolfram Protze. Foto: Kirsten Nijhof

Wolfram Protze. Foto: Kirsten Nijhof

In der Frühjahrsausgabe des Gewandhausmagazins 2013 gab es also einen gut recherchierten Artikel, aus dem sich ergab, dass im Jahr 1817 mit der Gründung des Stadttheaters der Theaterchor gegründet wurde. Das war der Ausgangspunkt für die Idee, vom 17. bis 19. März 2017 ein Opernchorfestwochenende mit Konzert sowie zwei Chor-Opern, „Freischütz“ und „Turandot“, zu realisieren. Außerdem entstand der Plan, ein Buch über die Historie von Opernchören im deutschsprachigen Raum anhand des Beispiels Opernchor Leipzig zu publizieren*. Ich bin meinen Kollegen im Opernchorvorstand, Karola Graszt und Klaus Bernewitz, der Opernleitung, der Dramaturgie und Öffentlichkeitsarbeit für die Unterstützung bei Planung und Finanzierung des Festwochenendes mit einer Ausstellung in der Garderobenhalle des Opernhauses und der Jubiäums-Festschrift sehr dankbar.

O&T: Sie selbst sind erst nach der Wende zum Opernchor gestoßen. Was wissen Sie darüber, wie sich der Chor, die Arbeit des Chores mit der Wende verändert hat?

Protze: Ich wurde im Herbst 1990 engagiert. Meine erste Gage wurde bereits in DM ausgezahlt. Verändert hat sich natürlich vor allem das Tarifrecht, das in den neuen Bundesländern nach und nach eingeführt wurde. Die Umsetzung ging relativ schnell. Die Arbeitsbedingungen aus der DDR-Zeit kenne ich nur aus Erzählungen der Kolleginnen und Kollegen. Sie haben sich seither außerordentlich verbessert. Es gibt geregelte Arbeitszeiten, fest geregelte freie Tage und natürlich mehr Gage. Das hat den Berufsstand sehr aufgewertet.

O&T: Haben die Veränderungen im Gegenzug auch eine gewisse Unsicherheit erzeugt?

Protze: Natürlich gab es in den ersten Jahren eine gewisse Verunsicherung, die die ganze Gesellschaft durchzogen hat. Aber diese Situation ist bei uns recht gut vorübergezogen. Reduzierungen im Opernchor ergaben sich unter anderem durch Chormitglieder, die in Rente gegangen sind. Es gab keine betriebsbedingten Kündigungen an der Oper Leipzig im Bereich Opernchor. Allerdings sind zirka 30 Stellen bis heute nicht neu besetzt worden.

O&T: Wie ist die Atmosphäre im Chor? Gerade wenn Menschen viel und eng zusammenarbeiten, auch körperlich, ist das vielleicht gar nicht immer einfach…

Protze: Die Atmosphäre ist bei uns gut. Das wird auch oft bestätigt von Gästen, die von anderen Häusern zu uns kommen, oder auch von freischaffenden Künstlern, die die Verhältnisse an verschiedenen Opernhäusern kennen. Die kommen immer sehr gerne nach Leipzig.
Natürlich gibt es bei so vielen Künstlerpersönlichkeiten verschiedene Charaktere und Meinungen, aber auf der Opernbühne oder im Konzert sind wir eine Einheit. Das wird auch vom Publikum bestätigt.

O&T: Ein paar Zahlen und Fakten: Wie groß ist der Chor, wie ist er in den Stimmen besetzt? Wie viele Nationalitäten sind vertreten?

Opernchor der Oper Leipzig. Foto: Andreas Pohlmann

Opernchor der Oper Leipzig. Foto: Andreas Pohlmann

Protze: In der laufenden Spielzeit hat der Opernchor Leipzig 68,5 Stellen. Gesungen wird aus aktuell 73 Kehlen. Davon sind 36 Damen, 20 Soprane, 16 Altisten sowie 37 Herren, davon 19 Tenöre und 18 Bässe. Die Sängerinnen und Sänger kommen aus Deutschland, Südkorea, Polen, Ungarn, Japan, Norwegen, Schweden, Bulgarien, Chile, Litauen, Russland, Spanien und den USA. Unser Chordirektor ist Italiener, sein Stellvertreter ist Israeli. Wir sind 15 Nationalitäten im Chor, das ist wirklich toll. Als ich 1990 in den Opernchor kam, waren es größtenteils deutsche Sänger, gelegentlich jemand aus Osteuropa. Dieser Zustrom ist in den letzten zehn Jahren sehr stark angestiegen, natürlich auch, weil wir in Deutschland noch viele Opernhäuser haben. Das erzeugt natürlich auch eine größere Konkurrenz bei Vorsingen. Aber im Opernchor selbst wirkt diese Internationalität bereichernd.

O&T: Welche Projekte haben den Chor in der letzten Zeit besonders herausgefordert, was hat Ihnen als Chor besonders viel Spaß gemacht?

Protze: Die schönsten Erlebnisse sind wohl immer die großen Erfolge. Und natürlich die großen Chor-Opern. In der jüngsten Vergangenheit waren das „Nabucco“, „Faust“ und „Turandot“. Zurzeit proben wir den „Freischütz“, und im Mai kommt dann noch einmal eine große Choroper von Gounod, „Der Rebell des Königs“. Gerade bei „Turandot“ haben wir als Chor sehr viel Applaus bekommen – obwohl die Solisten auch fantastisch sind. Besonders gefordert in den letzten sechs bis sieben Jahren waren wir bei Nonos „Al Gran Sole“ in der Inszenierung von Konwitschny. Dann „The Rake‘s Progress“ von Strawinsky, das war physisch wie psychisch eine Herausforderung.

Im musikalischen Bereich war es in der letzten Spielzeit das Ballettprojekt Mendelssohns „Lobgesang“ mit dem Leipziger Ballett in Kombination mit Poulencs „Figure Humaine“. Das war für mich persönlich von der musikalischen Seite, von der stimmlichen Anforderung eine der größten Herausforderungen der letzten Jahre. Etwas Besonderes war es für uns, 2013 zum 200. Geburtstag von Richard Wagner in Bayreuth aufzutreten, wo wir alle Frühwerke Wagners aufgeführt haben. Wichtig sind außerdem die Konzerte im Gewandhaus und die Gastspiel-/Konzertreisen mit dem Gewandhausorchester.

O&T: Sie haben Peter Konwitschny schon erwähnt. Da gibt es offenbar eine besondere Zusammenarbeit. Fordert er den Chor in besonderem Maß, fördert er ihn vielleicht auch? Wie funktioniert das Arbeiten mit ihm – und auch mit anderen Regisseuren?

Protze: Konwitschny ist natürlich ein herausragender Regisseur, der mit dem Opernchor intensiv arbeitet. Die Regisseure sind in der szenischen Probenarbeit diejenigen, die vor uns stehen und die Ansagen machen. Natürlich sind wir immer künstlerische Partner. Gerade Peter Konwitschny sagt ja, dass bei ihm keine Unterschiede gemacht werden zwischen Solisten und Sängern im Opernchor. Das sind alles Künstler, und alle ziehen am gemeinsamen Strang. Die Arbeit mit einem Regisseur ist immer ein Geben und Nehmen. Und sie ist stark geprägt von der Persönlichkeit desjenigen, der da vor uns steht. Wenn jemand motiviert – und das macht Konwitschny –, dann reißt er die Menschen auch mit. Es gibt ja bei uns nicht nur charakterliche, sondern auch darstellerische Unterschiede. Es gibt Chormitglieder, die sind sehr aktiv, andere sind ein bisschen zurückhaltender. Mit dem Potenzial zu arbeiten, das da ist, das macht einen guten Regisseur aus. Das schließt Auseinandersetzungen nicht aus, wenn mal Dinge gefordert werden, die uns nicht so recht sind. Aber im Endeffekt sind wir Künstler, die die Sachen umsetzen sollten. Es gab allerdings auch schon Situationen, wo wir gesagt haben: Das können wir nicht machen.

O&T: Oder auch: Da können wir nicht mehr richtig singen?

Protze: Ja, das gibt es natürlich auch. Da ist in der Regel der Chordirektor zuständig, der die musikalische Seite zu verantworten hat.

O&T: Wie funktioniert die gewerkschaftliche Arbeit im Haus, die Zusammenarbeit zwischen VdO, Vorstand und Opernleitung?

Protze: Bei uns funktioniert das sehr gut. Das hat natürlich auch damit zu tun, wie man darangeht. Ich bin jetzt seit mehr als zehn Jahren Opernchor-Vorstand; ich musste das auch erst lernen. Die Zusammenarbeit des Opernchor-Vorstands vor allem auch mit unserer Operndirektorin Franziska Severin ist sehr gut. Sie ist unsere künstlerische und organisatorische Ansprechpartnerin in fast allen Belangen. Aber auch mit den anderen Mitgliedern der Opernleitung haben wir ein kollegiales Miteinander. Manche Verhandlungen über Honorare, zum Beispiel Fremdsprachenhonorare, Tanzleistungen, Solopartien, Konzerteinstudierungen sind anstrengend, manchmal auch nicht immer innerhalb eines Termins zu klären. Aber wir hatten fast immer ein Ergebnis, mit dem beide Seiten zufrieden waren. Natürlich haben wir es als Chorvorstand bei Verhandlungen meistens mit Betriebswirten oder Juristen zu tun. Und wir sind eben „nur“ Sänger. Da habe ich die VdO immer im Hintergrund, das hilft sehr. Ich kann dort Rat und Hilfe anfordern. Fast alle Mitglieder des Opernchors sind übrigens Mitglieder der VdO. Außerdem haben wir in unserem Opernchor die Landesvorsitzende der VdO von Sachsen, Andrea Schuschke. Das ist dann der kürzeste Weg. Diese Zusammenarbeit funktioniert auch sehr gut.

* Eine ausführliche Rezension lesen Sie in der nächsten Ausgabe von „Oper & Tanz“.

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