Kurfürst und Kommune
Theaterkultur hat lange Tradition in Koblenz
Private Theaterbetriebe sind in den letzten Jahren in Mode gekommen
– man denke nur an die Vielzahl von Musicaltempeln, die wie
Pilze aus dem Boden schießen und allesamt von privaten Investoren
finanziert sind – die Idee ist jedoch nicht neu.
Das Theater der Stadt Koblenz zeugt davon, dass bereits im 18.
Jahrhundert die Staatskassen leer waren und so private Geldquellen
aufgetan werden mussten. Kurfürst Clemens Wenzeslaus hatte
sich mit dem Bau seines Schlosses finanziell übernommen (sic!)
und so war kein Geld für kulturelle Aktivitäten mehr übrig.
Ein reicher Kaufmann namens Franz Joseph Schmitz trat auf den Plan
und ließ im Jahre 1787 auf eigene Kosten ein frühklassizistisches
Theater errichten und eröffnen. Erst im Jahre 1867 – nachdem
der private Eigentümer es nicht mehr halten konnte und es zur
Versteigerung kam – wurde der Theaterbetrieb durch die Stadt
Koblenz übernommen.
Seit der Errichtung des Theaters sind mehr als zweihundert Jahre
vergangen, die Stadt Koblenz wurde von einer kurfürstlichen
Stadt zuerst zur Hauptstadt der preussischen Rheinprovinz, dann
zur Bundeswehr-Garnisonsstadt und schließlich nach der Verringerung
der Truppenzahl nach dem Ende des Kalten Krieges zu einem lebendigen
Mittelzentrum zwischen Rhein und Mosel. Die Zweiflüssestadt
(in Koblenz mündet die Mosel in den Rhein) hat zur Zeit zirka
110.000 Einwohner, ihr kulturelles Einzugsgebiet ist jedoch ungleich
größer. Es reicht bis in die Landstriche Eifel, Hunsrück,
Westerwald und Taunus hinein und umfasst bis zu 1 Million Einwohner.
Die Gesamtausgaben für den Bereich Kultur betragen im Jahr
2000 zirka 31 Millionen Mark, davon werden 17 Millionen aus der
Staatskasse finanziert. Das Stadttheater benötigt die größte
Summe. Der jährliche Bedarf beträgt 20 Millionen Mark,
10,2 Millionen Mark davon trägt die Stadt, 2,6 Millionen Mark
werden durch Kartenverkäufe erwirtschaftet, die restlichen
7 Millionen Mark vom Land Rheinland-Pfalz übernommen.
Das Dreispartenhaus verfügt
über mehrere Bühnen (Großes Haus, Kammerspiele,
Probebühne) und über eine Bühnentechnik, die modernsten
Ansprüchen genügt. Das Theater wurde im Jahr 1985 für
20 Millionen Mark nach Originalplänen generalsaniert, so erhielt
es seine ursprüngliche Gestalt zurück. Das Publikum dankte
die Investition mit stetig steigenden Besucherzahlen. Freilich trägt
auch der Spielplan des großen Hauses dazu bei, der sich zum
großen Teil aus dem gängigen Bühnenrepertoire bedient.
Experimentelles bieten die beiden kleineren Bühnen, Kammerspiele
und Probebühne, die modernes Sprechtheater, Tanztheater oder
auch Neue Musik ins Programm aufnehmen. Initiativen wie Einführungsmatineen,
Talkrunden und Diskussionen wie „GehenStehenReden“ der
Probebühne, Publikumsgespräche und Theaterführungen
tragen ihr Übriges zur Zuschauerbindung bei. Außerdem
gibt es enge Verbindungen zu den Koblenzer Schulen in Form von Theatergesprächen
in den Schulen, einem Lehrer-Stammtisch, kostenlosen Theaterkarten
für Schülerzeitungen und vieles mehr.
Seit 1999 leitet Intendantin Annegret Ritzel das Haus, zu deren
aktuellen Inszenierungen neben dem „Sommernachtstraum“
am Koblenzer Theater beispielsweise auch „Norma“ an der
Berliner Staatsoper Unter den Linden (Musikalische Leitung: Michael
Gielen) oder „Così fan Tutte“ an der Oper Frankfurt
zählen.
Der Chor des Theaters besteht aus 24 Mitgliedern, jede Stimmlage
ist 6-fach besetzt. Unter der Leitung des Chordirektors Bernhard
Steiner, der vom Stadttheater Gießen, an dem er von 1994 bis
1998 tätig war, zum Koblenzer Theater wechselte, hat der Chor
in dieser Spielzeit sieben Produktionen (u.a. Ein Sommernachtstraum,
Don Giovanni und Tosca) chorisch zu gestalten. Daneben gibt es musikalisch-literarische
Matineen, Liederabende und weitere über die übliche Chorarbeit
hinausgehende Aktivitäten der Chorsänger und -sängerinnen
am Theater. Bei großen Produktionen erhält der Chor Unterstützung
durch einen 40- bis 50-köpfigen Extrachor, im letzten Jahr
bei der Produktion „Nabucco“, die im Rahmen der Koblenzer
Festungsspiele auf der Festung Ehrenbreitstein stattfand; dort war
außerdem der Chor „Transylvania“ aus Cluj (Rumänien)
zu Gast. Bei dieser Produktion bestand der Chor aus insgesamt 214
Sängern und Sängerinnen.
Je sieben Tänzerinnen und Tänzer bilden das Tanzensemble
des Theaters. Der gebürtige Engländer Anthony Taylor leitet
das Ensemble seit 1982. Neben zwei „klassischen“ Tanztheaterproduktionen
der aktuellen Spielzeit – „Romeo und Julia“ und „L’Après-midi
d’un faune/Le Sacre du Printemps“ – gestaltet das
Ensemble die Uraufführung des Tanzstücks „Aus Erden
und Wind“ von Mila Tomsich, der Ballettassistentin des Theaters
der Stadt Koblenz.
Die musikalische Gestaltung
am Stadttheater Koblenz übernimmt jeweils das Staatsorchester
Rheinische Philharmonie unter der Leitung des GMD Shao-Chia Lü.
Seit 1998 leitet der Musiker das Staatsorchester nach Engagements
in London und Brüssel und an der Komischen Oper Berlin, dessen
musikalische Leitung er innehatte, bevor er in die Zweiflüssestadt
Koblenz wechselte.
Die Rheinische Philharmonie ist nicht nur das Orchester der Stadt
Koblenz, sondern versteht sich als musikalisches Aushängeschild
des ganzen Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Es gibt Gastspiele auch
in vielen kleineren Orten des Landes – Kulturversorgung in
der Fläche ist das Schlagwort, das der Entwicklung der immer
größeren Zentrierung der Kulturschaffenden in großen
Städten durch die Schließung vieler kleinerer Orchester
entgegenwirken will. Das Orchester musiziert beim Kultursommer Rheinland-Pfalz,
gibt Konzerte für das Musik-Institut Koblenz und veranstaltet
Chorkonzerte und Kinderkonzerte. Die Orchesterfassung des Kinderstücks
„Es lebte ein Kind auf den Bäumen“ von Konstantin
Wecker wird beispielsweise im November 2000 uraufgeführt.
Die Rheinische Philharmonie führt die lange Orchestertradition
der Stadt Koblenz weiter, die bereits vor 350 Jahren ihren Anfang
nahm. Kurfürst Karl Kaspar von der Leyen (Regierungszeit: 1652–76)
richtete im Jahr 1654 eine „Hofkapelle“ ein. Dieses Orchester
existierte bis zur Eröffnung des Koblenzer Theaters und übernahm
dann neben der Gestaltung von Hofkonzerten im Schloss des Kurfürsten
Clemens Wenzeslaus und Wohltätigkeitskonzerten, die der Fürst
verordnete, auch die musikalische Umrahmung des musikalischen Theaterbetriebs.
Im Jahr 2004 wird die Stadt Koblenz das Jubiläum „350
Jahre Orchestertradition in Koblenz“ mit großen Konzertreihen
feiern.
So wichtig Stadttheater und Staatsorchester als Säulen des
kulturellen Lebens in Koblenz auch sind – wie wohl in fast
allen anderen Städten dieser Größe auch –,
so gewinnen Festivals und Musikreihen außerhalb dieser etablierten
Kulturebene immer mehr an Bedeutung und sind in Koblenz auch das
Podium gerade für Neue Musik.
Die Koblenzer Festung Ehenbreitstein beispielsweise,
eine sternförmig angelegte preußische Festungsanlage
mit vier Innenhöfen, ist nicht nur Kulisse des jährlich
stattfindenden Riesenspektakels „Rhein in Flammen“, zu
dem mehr als eine Million Besucher strömen, sondern ist auch
Rahmen der Koblenzer Festungsspiele des Stadttheaters, bei denen
unter freiem Himmel große Operninszenierungen, aber auch Jazz,
Rock und Experimentelles geboten werden. Im Jahr 1996 fand im Festungsgelände
die Uraufführung der Komposition „Shoah – die Endlösung“
von Peter Michael Hamel statt. Die beklemmenden Gemäuer, gepaart
mit der geschichtlichen Thematik, erzeugten eine bedrohliche und
dennoch sehr beeindruckende Atmosphäre.
Die Internationalen Musiktage Koblenz, inzwischen ein fester Bestandteil
des Kulturlebens der Rheinstadt, fanden im Frühjahr 2000 zum
zehnten Mal statt. Junge, talentierte Musiker aus der ganzen Welt
trafen sich, um mit renommierten Musikerpersönlichkeiten Werke
zu erarbeiten und im Konzert vorzutragen.
Das Atlantische Festival Rheinland-Pfalz, das als Biennale im Jahr
2000 zum dritten Mal veranstaltet wurde, verbindet Musik und bildende
Kunst in Ausstellungen und Konzerten. Schwerpunkt des diesjährigen
Festivals war „Europa – Amerika – Europa“ und
die gegenseitige Beeinflussung der Kulturen beider Kontinente. Ein
Höhepunkt war die Ausstellung „Arnold Schönberg –
Komponist und Maler“ im Ludwig-Museum Koblenz, bei der Schönberg‘sche
Kompositionen mit seinen Gemälden kombiniert vorgestellt wurden.
Aber auch die deutsche Erstaufführung von „Dracula –
The Music and Film“ mit Musik von Philip Glass, musiziert vom
Kronos Quartet, stand auf dem diesjährigen Programm. Ein weiterer
wichtiger Aspekt des Festivals ist das Jugendtreffen Neue Musik:
Arbeitsgemeinschaften zahlreicher rheinland-pfälzischer Gymnasien
studieren Kompositionen zeitgenössischer Komponisten ein und
stellen sie der Öffentlichkeit in Konzerten vor. Angesichts
des schwindenden Musikunterrichts an allgemein bildenden Schulen
ist es eine Initiative, die ausgeweitet werden sollte, um Jugendliche
an Musik heranzuführen.
Weitere Konzertinitiativen
wie die Koblenzer Mendelssohn-Tage, die Beethoven-Konzerte der
Deinhard-Stiftung, die Konzerte des Musik-Instituts Koblenz, die
Orches- terkonzerte im Görreshaus, Koblenzer Kammerkonzerte
und die Reihe Mozart-Konzerte geben den Bürgern der Stadt und
des Landkreises vielseitige Möglichkeit, Musik live zu erleben.
Instrumentale Ausbildungsmöglichkeiten, die ja die wichtigste
Basis für kulturelle Aktivitäten auch im Erwachsenenalter
sind, bietet die Stadt Koblenz mit der Kreismusikschule Mayen-Koblenz
und der Musikschule der Stadt Koblenz. Letztere hat zur Zeit 1.500
Schüler und mehr als 50 Lehrer. Im Jahr 1999 konnte sie einen
Schülerzuwachs von zehn Prozent verzeichnen und gehört
damit zu den größten Musikschulen in Rheinland-Pfalz.
Projekte wie „Musik mit Behinderten“, Klassenmusizieren,
Musiklehre für „junge Alte“ oder der Aufbau eines
„Pop-Jazz-Klassik-Chores“ sind in den letzten Jahren zum
üblichen Fächerkanon hinzugekommen und tragen zu diesem
Erfolg bei.
Junge Instrumentalisten, die die Musik zum Beruf machen möchten,
können an der Universität Koblenz Lehramtsstudiengänge
für Musik an Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen sowie
Musikwissenschaft (Ziel: Magister) studieren. Außerdem gibt
es einen Ausbildungsgang Musikschullehrer und selbstständige
Musiklehrer. Für ein Musik- oder Gesangsstudium mit Ziel der
künstlerischen Reifeprüfung muss man auf die nahe gelegenen
Großstädte Köln oder Frankfurt ausweichen.
Petra
Pfaffenheuser
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