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Kulturpolitik

Zwanzig Prozent zu viel...

miz-Studie zur Erwerbstätigkeit und wirtschaftlichen Lage von Berufsmusizierenden

Das Deutsche Musikinformationszentrum hat beim Institut für Demoskopie Allensbach eine Studie zu „Erwerbstätigkeit, wirtschaftlicher Lage und Ausbildungswegen von Berufsmusizierenden“ in Auftrag gegeben. Im April wurden die umfangreichen Ergebnisse vorgestellt: Finanziell liegt das Musiker*innen-Mittel in Deutschland ziemlich genau im bundesdeutschen Gesamt-Durchschnitt. Soweit klingt die Statistik ganz schön – darin verstecken sich aber viele unschöne Wahrheiten und immer wieder viel zu große 20 Prozent.

Nur drei von zehn Berufsmusizierenden erwirtschaften ihr gesamtes Einkommen allein mit dem aktiven Musizieren. Der Rest geht zusätzlich musikpädagogischen und nicht-musikalischen Tätigkeiten nach. So trägt das Musikmachen, Spielen, Singen selbst mit nur guten 60 Prozent zum Durchschnittseinkommen der Musiker*innen bei.

 

Die „zu großen 20 Prozent“ entsprechen einerseits der Menge der Befragten, die mit einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 1.500 Euro gefährlich nah an, wenn nicht unter der Armutsgrenze liegen. Auch bringen weibliche Hauptverdienerinnen ein Fünftel weniger Geld mit nach Hause als männliche Hauptverdiener – der Unterschied ist also auch hier exakt 20 Prozent zu groß. Rocksängerin Ina Bredehorn berichtet in einer Diskussionsrunde aus der Populärmusik-Szene, dass das (vorhandene) Geld von Auftritten jederzeit fair und geschlechtsunabhängig verteilt werde. Ihrer Beobachtung nach gehen die gut bezahlten Auftritte, Positionen und Verträge allerdings öfter an männliche Kollegen. Betrachtet man nicht nur die Hauptverdienenden einer Familie, steigt der Einkommensunterschied auf 25 Prozent an und liegt damit sogar 7 Prozent über dem vom statistischen Bundesamt errechneten berufsübergreifenden Gen-der Pay Gap. Grund dafür könnten vor allem die zahlreichen individuell ausgehandelten Gagen und Verträge der freien Musikszene sein.

Ina Bredehorn selbst sagt, dass sie nur ein zufriedenstellendes Einkommen habe, weil sie sowohl künstlerisch, als auch unternehmerisch tätig sei. Sie hat zum Beispiel ihr eigenes Label gegründet, kümmert sich um ihr Merchandise oder weiß Verträge auszuhandeln. Entsprechend weiß sie von Kolleg*innen, die, obwohl sie ähnlich gut oder sogar erfolgreicher Konzerthallen füllen, am Ende des Monats weniger damit verdienen. Ein Punkt, der auch Ella Rohwer vom Verband für selbstständige Musiker*innen PRO MUSIK ein Anliegen ist: Verbände und Ausbildungsinstitute hätten die Aufgabe, „die freien Musiker*innen zu befähigen, über Zahlen und Wirtschaftlichkeit zu sprechen. (...) Wir müssen (...) für das einstehen, was wir tun, weil uns sonst die anderen überfahren.“ Ver.di-Vertreterin Lisa Mangold verweist auf notwendige Honorarstandards für öffentlich geförderte Kulturprojekte, die derzeit mit den Ländern ausgehandelt würden. Christian Höppner, Präsident des Deutschen Musikrats, lobt in diesem Zusammenhang das Land NRW, das die Verpflichtung dazu bereits gesetzlich festgeschrieben habe, wobei sich auf die tatsächlichen Standards noch immer nicht geeinigt werden konnte.

Alle waren sich einig, dass der ebenfalls rund 20 Prozent niedrigere Lohn der Selbstständigen gegenüber den gleichwertig qualifizierten Angestellten der Logik des deutschen Verdienstsystems widerspreche. Eigentlich müssten die Selbstständigen sogar mehr verdienen, um adäquat ihre Absicherung finanzieren zu können.

Tenor der Diskussionsrunde: Um die verschiedenen Gehaltsunterschiede auszugleichen bedürfe es einer solidarischen und allgemeinen Organisation der freien Szene. Eine Gambistin aus dem Plenum gibt zu bedenken, dass ihr Hauptveranstalter keinen finanziellen Spielraum habe: Entweder sie nehme die niedrigen Gagen – oder keine. Mangold rät ihr im Gegenzug, zumindest auf die nötigen Mindeststandards hinzuweisen. Es bedarf eines langen und gezielten Atems, um die Dinge im Rollen zu halten.

Mathis Ubben

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