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Rezensionen
Begegnungen mit Peter Schreier
Matthias Herrmann (Hg.): Begegnungen mit Peter Schreier. 256 S. m. 25 Abb. Sax Verlag Markkleeberg 2020. 24,80 €. ISBN 978-3-86729-263-4
Statt ein Leben von A nach Z zu durchschreiten, hat Herausgeber Herrmann die Form des Mosaiks gewählt: Neben Herbert Blomstedts Geleitwort, vier Preisreden, drei „Aspekte“-Texten von Dirigenten und Musikwissenschaftlern und zwei Gedenkreden aus dem Abschiedsgottesdienst in Dresdens Kreuzkirche schildern 30 Sanges-Kolleg*innen, Begleiter und andere Instrumentalisten sowie Komponist Siegfried Matthus ihre Begegnungen mit dem Tenor. So erscheint Peter Schreier als „Kruzianer“ des berühmten Chores, also als Knaben-Altist und dann auch weltweiter Oratorien-Solist, Opernsänger, Liedinterpret, Dirigent und dann auch als sein eigener, kritischer „Gegenhörer“ im Aufnahmestudio.
Matthias Herrmann (Hg.): Begegnungen mit Peter Schreier.
Deutlich wird die verinnerlichte Disziplin aus dem Chor über alle Bühnen der Musikwelt bis hin zur Intimität des Liedpodiums – über rund 70 Karrierejahre hinweg. Hinzu kommen Schreiers fundierte Stilkenntnisse, seine glasklare Diktion und sichere Intonation – was die hübsche Anekdote ermöglicht: Edda Moser versingt sich im Konstanze-Belmonte-Duett – und Schreier singt ihre „Improvisation“ souverän mit und nach, um nachher ruhig zu behaupten, das sei eine „andere Fassung“ gewesen… Parallel zu derartigem begleitet ihn lebenslang der Witz, dass sein Familienname völlig unzutreffend sei. Freund und Organist Hansjörg Albrecht bemängelt immerhin Schreiers Schweigen in und um „1989“ und führt seine Behauptung an, „unpolitisch“ zu sein. Schreiers internationaler Durchbruch durch die freundschaftliche Empfehlung Fritz Wunderlichs und die „Übernahme“ nach dessen Tod 1966 werden deutlich. Zu Schreiers Stimme selbst werden nur seine „zuchtvolle Art“ genannt, seine Distanz zum „Theaterspielen“ – was auf Opernkenner oft als „anima candida“-Singen ohne Opern-Blut und -Leidenschaft wirkte – eben der weltweit geschätzte, zwar differenziert, aber eben nur berichtende Evangelist im Oratorium. Doch überraschte Schreier speziell im späten Teil seiner Karriere etwa in Schuberts „Winterreise“ eben nicht durch das vokale Gestalten des Todes des Wandergesellen, sondern durch die Beschwörung von eisiger Vereinsamung, von existenziellem Verlöschen in fahlen Tönen – eine unvergessliche Erinnerung auf dem Münchner Podium an einen dienend großen Künstler – fern heutiger Selbstinszenierung und Selbstüberschätzung.
Wolf-Dieter Peter |