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Weisse und andere Elefanten
Editorial 2016/04 von Gerrit Wedel

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Wiederentdeckung in Bonn: Ernst Nikolaus von Rezniceks „Holofernes“

Die Liste ist eindrucksvoll: „Der Traum ein Leben“ von Walter Braunfels, „Jerusalem“ und „Giovanna d‘Arco“ von Giuseppe Verdi und jetzt „Holofernes“ von Emil Nikolaus von Reznicek. An der Bonner Oper hat man in den letzten Spielzeiten ein besonderes Faible für selten aufgeführte Stücke entwickelt, und auch dieses Mal hat man wieder ganz tief in der Rumpelkammer der Musikgeschichte gestöbert. Mit Rezniceks „Holofernes“ hat man dabei ein Werk zu Tage gefördert, das seit der Uraufführung 1923 an der Deutschen Oper in Berlin nicht mehr das Rampenlicht erblickt hat.

Für die Inszenierung wurde mit Jürgen R. Weber ein erfahrener Regisseur verpflichtet, der mit zeitgeistigem Regietheater nicht viel am Hut hat, sondern gerne konkret am Stück arbeitet. Ob er der Richtige für diese Aufgabe war, blieb bei der Premiere zumindest zweifelhaft. Denn nachdenklich stimmte vor allem die Tatsache, dass die Sängerensemble und das Beethoven Orchester in der Bonner Oper beim Publikum einen regelrechten Jubelsturm hervorriefen, Webers Inszenierung jedoch heftigste Buhrufe erntete. Für eine so eindeutige Reaktion mag es mehrere Ursachen geben: So dirigierte Weber das Bühnengeschehen zwar ebenso routiniert wie bühnengerecht, zuweilen irritierte er aber mit kuriosen, völlig unmotiviert wirkenden Einfällen, die so gar nicht zu seiner im Grunde genommen ziemlich konventionell geratenen Inszenierung passten. Da flackerten beispielsweise moderne Blaulichter in einer ansonsten eher historisch anmutenden Kulisse, es gab überdimensionierte Phallussymbole, die wie illuminierte Seegurken über der Bühne schwebten, und die Köpfungsszene erinnerte eher an ein zweitklassiges Splatter-Movie denn an eine ernstzunehmende Inszenierung: Wenn Judith dem Tyrannen Holofernes das Haupt abtrennt, ist nicht der Akt an sich sondern, nur literweise über die Bühne spritzendes Blut zu sehen.

Ceri Williams als Abra, Daniel Pannermayr als Osias und Chor. Foto: Thilo Beu

Ceri Williams als Abra, Daniel Pannermayr als Osias und Chor. Foto: Thilo Beu

Es sind diese Irritationen, die aus einer handwerklich im Grundsatz solide gedachten Inszenierung zuweilen eine Lachnummer machten. Bei einigen reichlich unmotiviert wirkenden Weber-typischen Zutaten, wie etwa eingeblendeten Textfetzen und zum Teil extrem drastischen Videosequenzen, erschloss sich zudem nicht wirklich, was genau Weber damit sagen wollte.

Immerhin blieb die musikalische Seite dieser Inszenierung und da gab es eine weitere Premiere. Denn mit Jacques Lacombe stand zum ersten Mal der designierte Chefdirigent der Bonner Oper am Pult des Beethoven Orchesters, der sein Amt mit der Spielzeit 2016/2017 antritt. Lacombe hatte das fabelhafte Beethoven-Orchester, das wirklich 90 Minuten hochromantische Musik auf der Stuhlkante bot, stets fest am Wickel und dirigierte Rezniceks ungeheuer vielgestaltige Musik mit nicht nachlassender Intensität. Rezniceks Musik gibt sich stilistisch polyglott, ist stets am Puls des dramaturgischen roten Fadens und wird vom Beethoven Orchester mitreißend und auf allerhöchstem Niveau gespielt.

Die Musik ist ungeheuer facettenreich, und das hört man durchweg. Daran hat das ausgezeichnete Sängerensemble einen großen Anteil, allen voran der vom neuen Chordirektor der Bonner Oper, Marco Medved, einstudierte Chor. Er zählt zweifelsohne zum Besten, was die Bonner Oper derzeit aufbieten kann: Druckvoll und stimmgewaltig, aber auch sensibel und stets präsent fügt er sich bestens in die Inszenierung ein. Ein Höhepunkt, ohne jeden Zweifel!

Auch die in fantasyinspirierten Kostümen über die Bühne stolzierenden Solisten sind durch die Bank ausgezeichnet: Johanni van Oostrum etwa, die mit dramatischer Wucht und stimmlichem Glanz beeindruckt, Mark Morouse als potenter Holofernes oder Daniel Pannermayr mit sonorem Bass als würdevoller Oberpriester. Auch bei Ceri Williams (Abra), Johannes Mertes (Hauptmann) oder in den kleineren Rollen erweist sich das Bonner Ensemble als exzellent. Somit bleibt das Fazit dieser Entdeckung ein zweigeteiltes: Die Musik überzeugt durchweg, die Inszenierung jedoch nur bedingt.

Guido Krawinkel

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