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Kulturpolitik

Vergangenheit und Zukunft

Jubiläumsgala für die Ballettakademie · Von Stefan Moser

Am 29. März 2012 feierte die Ballettakademie der Hochschule für Musik und Theater München ihr 25-jähriges Bestehen mit einer Jubiläumsgala im Münchner Prinzregententheater. Der bunte Abend wurde eröffnet mit dem Divertissement aus „Paquita“ nach Musik von Minkus, Delvedez, Delibes und Drigo in der Choreografie von Marius Petipa. Ein Lehrstück des klassischen Tanzes, an dem sich bereits vor mehr als 25 Jahren die Studenten der damaligen „Abteilung Ballett“ der Musikhochschule versuchen durften. In diesem Divertissement ist alles enthalten, was später in einem klassisch orientierten Ballettensemble von Tänzerinnen und Tänzern erwartet wird. Gerade für junge Tänzerinnen bietet es reichhaltige Möglichkeiten, sich in Gruppenformationen und der darin geforderten Exaktheit, der Gleichmäßigkeit und dem Gefühl für den Nachbarn zu üben. Aber auch in Pas de trois, Pas de deux und verschiedenen Soli kann man Partnergefühl, Ausdruck und technische Brillanz erproben. Die männlichen Rollen sind leider dünn gesät: gerade mal zwei sind es; aber es war eine Freude zu sehen, mit wie viel von durchaus sympathischer Nervosität begleitetem Engagement sich die jungen Tänzerinnen und Tänzer dieser Herausforderung stellten.

„Symphonie Classique“ mit allen Schülern. Foto: Akademie

„Symphonie Classique“ mit allen Schülern. Foto: Akademie

Der Vizepräsident der Hochschule, Bernd Redmann, sowie der Leiter der Ballettakademie, Jan Broeckx, führten anschließend durch die Geschichte der Ballettakademie. Broeckx bedankte sich sowohl bei seiner Vorvorgängerin und Initiatorin des Ballettstudiengangs, Konstanze Vernon, als auch bei allen derzeit aktiven Sponsoren der Ballettakademie. Er nutzte die Gelegenheit, neue Geldgeber für ein finanzielles Engagement zugunsten der Akademie zu begeistern.

Es folgte eine in vielerlei Hinsicht fast revolutionäre Premiere. „Reset“, ein von David N. Russo choreografiertes modernes Tanzstück, zu einer als Auftragswerk von Henrik Ajax, einem Studenten der Hochschule, komponierten Musik namens „Viskningar och rop“, live gespielt vom Hochschulsinfonieorchester unter der Leitung des jungen Komponisten: eine Zusammenarbeit der Dozenten und Studenten verschiedener Hochschulzweige, die in dieser Art eine echte Neuerung darstellt und äußerst vielversprechend ausfiel. Die jungen Tänzerinnen und Tänzer gingen mit großer Ernsthaftigkeit und Intensität zur Sache. Es war nahezu physisch spürbar, wie sie sich diese besondere Musik über das Erfühlen der Bewegung erschlossen. Russo brachte ihnen damit eine abstrahierende Interpretationsform nahe, die für sie anfangs sicherlich ungewohnt und neu war, die sie sich aber voll und ganz zu eigen machten.

Dimitri Katunin Sokolov zeigte anschließend, dass der Nationaltanz, hier zuerst ein „Russischer Tanz“ nach traditioneller Musik, nicht nur in der Form des ursprünglichen Volkstanzes seine Existenzberechtigung findet, sondern auch die Bewegungsformen des klassischen Tanzes maßgeblich beeinflusst hat. Zusätzlich bietet er gerade Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, sich spielerisch die Ausdrucksmöglichkeiten des Körpers zu erschließen. Mit dem jüdischen Tanz „Ha’rikud shel ruah“ (Chassidische Tänze) führt er sogar den Beweis, dass man sich ein reichhaltiges Bewegungsrepertoire erarbeiten kann, wenn man die Figuren aus traditionellen Tänzen mit in die Gegenwart nimmt und sie konsequent weiterentwickelt. Auf diese Weise ermöglichte er es den jungen Studenten, mit sichtlich großer Freude und Hingabe ein durchaus auch ernstes Thema auf charmante, humorvolle und bezaubernde Art zu erzählen.

Mit der „Symphonie Classique“ ergriffen Jan Broeckx und Kirill Melnikov die Möglichkeit, die gesamte Akademie mit allen Schülern und Studenten auf die Bühne zu bringen. Prokofieffs Musik bot den passenden Rahmen, mit den kleinsten Tanzzwergen bis hin zu den demnächst in professionelle Compagnien abwandernden Meisterklasseabsolventen alle Stufen und Phasen einer klassischen Tanzausbildung Revue passieren zu lassen. Das zum großen Teil aus Eltern, Verwandten und Freunden bestehende Publikum war merklich entzückt.

Nach der Pause erwartete das Publikum dann das wahrscheinlich schwierigste Stück des Abends. Kirill Melnikov hatte sich Großes vorgenommen: Ein Shakespeare-Stück nach Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, diese wiederum versetzt mit Mark Pogolskis „Paraphrasen über bayerische Volksthemen“, kurzerhand in die bayerischen Berge zu versetzen und daraus einen „Sommernachtstraum à la Bavarese“ zu machen, hätte wohl auch namhaftere Choreografen vor eine Herausforderung gestellt. Der Grat wird dort sicherlich besonders schmal, wo man sich eingestehen muss, dass die zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt sind und dem eigenen professionellen Anspruch nicht genügen. Eine Flucht in die Persiflage wird dann bestenfalls noch belächelt. Ein braver, ein mutiger Versuch Melnikovs, den Studenten die Gelegenheit zu bieten, ein Erzählballett mit entsprechendem Anspruch auf die Bühne zu stellen. Die jungen Tänzer schlugen sich tapfer mit durchaus kniffligen Schrittkombinationen und Hebefiguren und ließen sich auch durch Kostüme und Requisiten nur bedingt stören. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Kos-tüme von Monika Staykova nur wenig dazu beitrugen, den allgemeinen Alpenwahnsinn zumindest äußerlich ein wenig zu beruhigen. Auch schien der ein oder andere sich mit seiner neuen, bodenständig-bayerischen Identität noch nicht vollständig identifizieren zu können – dies jedoch ein Phänomen, das man nur allzu oft auch in professionellen Ensembles beobachten kann. Erwähnenswert jedoch auch hier die Tanz- und Spielfreude der auf der Bühne Agierenden. Besonders fiel ein mit skurriler Körperkomik ausgestatteter Zenz (Zettel) auf, der speziell in seiner dankbaren Eselsrolle bestach und dem man, nachdem er bereits in dem jüdischen Tanz und der „Symphonie Classique“ auf sich aufmerksam gemacht hatte, gerne ein etwas vielfältigeres Schrittmaterial gegönnt hätte. Das Hochschulsinfonieorchester musizierte auch bei diesem Stück mit großem Einsatz und bemerkenswerter Präzision.

Broeckx und seinen Studenten möchte man wünschen, dass es für sie auf dem eingeschlagenen Weg kontinuierlich weitergehen und dass die Arbeit mit anderen Studienzweigen fortgeführt und intensiviert werden kann. Möge es gelingen, die Gelder aufzubringen, um das bestehende System auszubauen und Choreografen und Ausstatter zu akquirieren, die das bereits vorhandene Potenzial voll ausschöpfen oder ergänzen können.

Stefan Moser

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