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Rezensionen
Casta Diva
Rainer Falk, Sven Limbeck (Hg.): Casta Diva. Der schwule Opernführer. 704 S., 250 Vierfarbfotos, gebunden, zwei Lesebändchen. Querverlag, Berlin 2019. 50 Euro, ISBN 978-3-89656-280-7
Nimmt man den äußerlich augenzwinkernd-überdrehten
Band mit seiner pinken Beflockung in Augenschein, könnte ein falscher Eindruck entstehen: Dies ist kein abseitiges Liebhaber-Objekt für einschlägige Kreise (auch wenn die Fotos nicht mit männlichen Oberkörpern geizen). Vielmehr legen die Herausgeber hiermit ein gehaltvolles Buch vor, das in seinen Komponistenbiografien, Werkinformationen und Handlungszusammenfassungen einerseits als zuverlässiger Opernführer funktioniert, zum anderen in seinen Kommentaren den Blick auf all das lenkt, was an der Oper „queer“ ist oder so interpretiert werden kann: schwule Komponisten oder Librettisten, Protagonistinnen, die als glamouröse Diven von der queeren Community verehrt werden, singende Außenseiter als Identifikationsfiguren, Cross-Dresser wie Cherubino oder „Quinquin“, Hetero-Beziehungen, die andere Sehnsüchte kaschieren, bis hin zu (im 20. Jahrhundert) offen homosexuellen Themen.
Rainer Falk, Sven Limbeck (Hg.): Casta Diva. Der schwule Opernführer. 704 S., 250 Vierfarbfotos, gebunden, zwei Lesebändchen. Querverlag, Berlin 2019.
Nicht immer sind die Lesarten aus diesem Blickwinkel hundertprozentig plausibel, oft genug aber derart schlüssig und erhellend, dass man sich fragt, warum diese nicht schon längst in Inszenierungen Eingang gefunden haben. In den seltenen Fällen, da der „schwule“ Bezug nur über Umwege (etwa über die Verwendung einer Arie in einem Film) oder gar nicht herzustellen ist, rechtfertigt sich die Aufnahme ins Buch durchaus nachvollziehbar einfach über die Bedeutung fürs Repertoire, das mit den meistgespielten Werken in dem über 700 Seiten starken Band gut abgedeckt ist (mit Charles Wuorinens „Brokeback Mountain“ von 2014 als jüngstem Stück).
Kehrseite der thematischen Schwerpunktsetzung ist der knappe Raum, den in den Werkkommentaren die Musik selbst einnimmt, womit die über 30 Autorinnen und Autoren der heiklen und wohl auch sinnlosen Frage aus dem Weg gehen, ob es „schwule Musik“ gibt…
Juan Martin Koch |