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Kulturpolitik

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Zur Situation deutscher Theater und Orchester

Bayreuth: Kahlschlag im Festspielchor

Zunächst kam es nur eher beiläufig heraus: Die Geschäftsführung der Bayreuther Festspiele verkleinert den Festspielchor aus Kostengründen ab der Saison 2024 um 40% von 134 auf 80 Mitglieder und nimmt damit in Kauf, dass die Festspiele, ohnehin schon krisengeschüttelt, eines ihrer wesentlichen Alleinstellungsmerkmale verlieren. Erst nachdem die VdO und der Deutsche Musikrat dies in Presseerklärungen kommentiert hatten, sah sich auch die Festspielleitung veranlasst, öffentlich Stellung zu nehmen – dies allerdings garniert mit fragwürdigen Tatsachenbehauptungen:
So wird behauptet, die Verkleinerung des Chors wäre erforderlich, um Tariferhöhungen aufzufangen. Tatsache ist, dass es bei den Bayreuther Festspielen, die an die Tarifentwicklung im TV-L angekoppelt sind, in 2024 keine Tariferhöhungen gibt. Die im TV-L vereinbarte Zahlung eines Inflationsausgleichs wird von den Festspielen ohnehin abgelehnt. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Tagesgage des Festspielchors niedriger ist als die von Chorgästen an größeren Stadt- und Staatstheatern.

Weiterhin wird öffentlich behauptet, die künstlerische Qualität des Chors bleibe dadurch gewahrt, dass der Chor bei großen Chorpartien (Tannhäuser, Parsifal) durch Aushilfen bis auf 134 Mitwirkende aufgestockt werde. Dies widerspricht nicht nur den gegenüber VdO und Chorvorstand getätigten Aussagen, es würden für diese Partien einige wenige Aushilfen gesucht, sondern es ist auch extrem unwahrscheinlich, dass eine Anzahl von über 50 qualifizierten Sänger/inne/n zu diesen Bedingungen verfügbar ist. Hinzu kommt, dass Aushilfen, auch professionelle, sich nie kurzfristig so in den Chorklang integrieren werden wie erfahrene Mitglieder. Ein wirklich gleichwertiges künstlerisches Ergebnis kann so kaum gewährleistet werden. Zudem kann so ein nennenswerter Einspar-Effekt nur erzielt werden, wenn die „Aushilfen“ deutlich unter Tarif bezahlt werden.

Schließlich wird darauf hingewiesen, dass mit dem Orchester problemlos eine einvernehmliche Lösung zu – allerdings deutlich geringeren – Einsparungen gefunden werden konnte. Eine solche einvernehmliche Lösung ist mit dem Chor zu keinem Zeitpunkt gesucht worden. Gesprächsangebote von Chorvorstand und VdO werden von der Geschäftsführung ignoriert; geschweige denn, dass die erbetenen Informationen über Spar-Notwendigkeiten übermittelt würden. Nach inoffiziellen Informationen belaufen sich diese auf gerade einmal 3,8% des Budgets.

Vielmehr versucht man, unter Missachtung bestehender tarifvertraglicher Regelungen Tatsachen zu schaffen, die sowohl, wie dargestellt, künstlerisch als auch sozial erheblichen Schaden anrichten: Ein großer Teil der Chormitglieder ist, anders als die des Orchesters, die ganz überwiegend ein anderweitiges Fest-Engagement haben, freischaffend tätig und auf die Einnahmen aus der Festspieltätigkeit angewiesen. Zudem ist der Spar-Effekt nicht garantiert: Die „Aushilfen“ haben, sofern sie persönlich tarifgebunden, also VdO-Mitglieder, sind, einen einklagbaren Anspruch auf die volle tarifliche Vergütung. Interessant ist schließlich auch, dass die Festspielleitung, wie sich aus jüngster Korrespondenz schließen lässt, ihre Gesellschafter jedenfalls teilweise über geltende tarifliche Regelungen im Unklaren lässt: Dass in einem Tarifvertrag aus dem Jahr 2017 die Sollstärke des Chors auf mindestens 134 Mitglieder festgelegt ist, ist jedenfalls nicht allen Gesellschaftern bekannt.

VdO und Chorvorstand appellieren jedenfalls weiterhin an die Festspielleitung, in fairen Verhandlungen rechtssichere Lösungen zu finden, in denen der Chor in angemessener Weise in mögliche Einsparungsnotwendigkeiten einbezogen wird.

Dessau

Die Deutsche Musik-und Orchestervereinigung unisono hat mit Schreiben vom 9. Januar 2024 die mit der Stadt Dessau-Roßlau bestehende Rahmenvereinbarung fristlos gekündigt.

Im Jahr 2014 wurde für die Beschäftigten des Theaters Dessau-Roßlau eine sogenannte Rahmenvereinbarung getroffen, auf deren Grundlage mit den Beschäftigten eine 90-prozentige Teilzeit vereinbart worden war. Nachdem nun die Finanzierungsverträge des Landes Sachsen-Anhalt für die Jahre 2024 bis 2028 mit einer substantiellen Erhöhung der individuellen Grundförderung für alle Theater und Orchester abgeschlossen worden sind, sieht unisono keine Grundlage mehr für diese Vereinbarung, da keine wirtschaftliche Notlage mehr bestehe, die es rechtfertige, den Beschäftigen weiterhin ihre volle tarifliche Vergütung vorzuenthalten.
Auf das Angebot aus dem September letzten Jahres, eine einvernehmliche Aufhebung der Rahmenvereinbarung zu verhandeln, war die Stadt nicht eingegangen.

Inwieweit auch die übrigen Künstlergewerkschaften wie auch die ver.di nun auf die veränderte Situation reagieren werden, befindet sich zur Zeit in Abstimmung.

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